4838 Concordate der neuern Zeit
und zugleich die zur Beſtreitung ihrer Bedürfniſſe nothwendigen Mittel gewähs-
rende Verfaſſung verheißen, und die Rechte der Evangeliſchen in jedem Bundes:
ſtaat in Gemäßheit der Stiedensfchlüffe, Grundgefege oder anderer gültigen Ver:
träge wahrgenommen werden ſollten. *) Daher übergab am Schluſſe des Con-
greſſes der Cardinallegat eine feierliche Proteſtation wider alle Verfügungen und
Unterlaſſungen deſſelben, welche die rômiſche Curie ſowol der rômiſch-katholiſchen
Kirche überhaupt als auh dem Intereſſe der katholiſchen Kirche in Deutſchland
und den Zerritorialanfprächen und Gerechtſamen des heiligen Stuhls insbeſondere
für nachtheilig hielt. Obgleich der Congreß ſich hinſichtlich der Eatholifchzkicchlie
chen Angelegenheiten leidend verhalten zu müſſen glaubte, ſo war doch einleuchtend,
daß dieſe in dem Zuſtande, worin ſie fich befanden, ohne weſentlichen Nachtheil der
Kirche und ohne Beunruhigung vieler Gewiſſen nicht lange mehr verharren
konnten. Die kirchlichen Stiftungsgüter, die Güter der Domecapitel und ſo viele
andere Fonds für den Cultus waren theils veräußert, theils mit den Staatsdo-
mainen vereinigt, ohne daß etwas davon der Kirche zugetheilt wurde. Viele
Bifhofsfise waren unbeſeßt, und dabei fehlten die Capitel, welche die erledigten
Diöcefen hätten abminiftriren können. Dieſe und andere politiſche Gründe, beſon:
ders aber ein unbefangener Rücbli auf die durch den Reichsdeputationshaupt-
[hluß vom 25. Febr. 1803, 6. 39, ausgeſprochene Verbindlichkeit der Landesher-
ren, als Surrogat für das ſtattgefundene Seculariſationsſoſtem dereinſt die feſte
und bleibende Ausſtattung der Domekirchen - deren Beibehaltung dort zugeſi-
chert war, ins Werk zu fegen, und endlich die durch den Artikel 16 der deut:
fhen Bundesacte ausgefprochene Gleichſtellung der chriſtlichen Confeſſionen in
den deutſchen Staaten, veranlaßten viele derſelben, wegen Regulirung der Kit:
chenangelegenheiten ihrer katholiſchen Unterthanen mit Rom in Unterhandlungen
zu treten.
Das Land, in welchem noch die ſtärkſte Anhänglichkeit an den Altglauben
und an deſſen ſichtbares Oberhaupt in Rom herrſhtez Baiern lieferte hierin
das erſte Beiſpiel eines Particulareinverſtändniſſes. Unter Leitung des als bai
riſcher Geſandten in Rom befindlichen Titularbiſchofs von Cherſon, Freiherren
von Hâffelin, wurde-das Concordat unter Maximilian Joſeph 1, am 5. Jun.
1817 abgeſchloſſen. Die königliche Beſtätigung dieſes Concordats iſt vom 24.
October 1817. Es ward als Anhang beigefügt dem zu Tit. IV, $. 9, der
Verfaſſungsurkunde des Königreichs gehörenden Edict vom 26. Mai 1818,
betreffend die Außern Verhältniſſe der Einwohner ‘in Beziehung auf Religion
und kirchliche Geſellſchaft, welches ſie ſelbſt für ein allgemeines Staatsgrund-
geſe, die darin feſtgeſtellten Majeſtätsrechte des Königs für unveräußerlih, und
nur in Anſehung der äbrigen innern Kirchenangelegenheiten die weitern Beſtim-
mungen des Concordats für anwendbar erklärt. Wie ſehr auch dieſes Concordat
fo manchen Beſtimmungen der Conſtitution und des obigen Edicts entgegenſtand,
fo erfolgte dennoch eine Bekanntmachung am 15. Sept. 1821, worin der König
das Concordat für vollziehbar und für ein Staatsgefeg erklärte. Die päpftliche
Bulle vom 1. April 1818: Dei ac domini nostri J.C ‚ welche die Grenzen
der Bisthúmer beſtimmte, wurde durch ein Decret des apoſtoliſchen Nuntius,
Franz Serra, Erzbiſchofs von Nicáa, vom 8. Sept. 1821 in Vollzug gefest.
Dieſes bairiſche Concordat hat auf das ganze fatholiſche Deutſchland nicht zu be:
vechnende nachtheilige Rüctwirkungen gehabt und erſcheint für Baiern, weil es als
ein eigentliches Concordat, d. h. als eine Übereinkunft mit dem päpſtlichen Stuhle
Uber das Verhältniß des Papſtes in Hinſicht gewiſſer Reſervatrehte und Verhält-
*) Vergl. Klüber, „Überſicht der diplomatiſchen Verhandlungen des wiener Con-
greſſes‘, Abtheil. 111, S. 897 — 503.
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