458 Concordate der neuern Zeit
zunehmen, Noch zu Anfang des Jahres 1827 hatte die Regierung , damals auf
ihren weiſen und edeln Kirchenrath ſich ſtüßend, das Concordat verworfen. Bald
aber wurde von dem großen Rathe aus allen Kräften auf deſſen Annahme hinge-
wirkt. Bei der Abſtimmung fand ſich, daß die Oppoſition bis auf 29 Glieder zu-
ſammengeſchmolzen war. Der kleine Rath ſuchte die Überlegenheit, welche ihm
ſeine Stellung und die Organiſation des großen Rathes , der ſtets nur auf die
Initiative der Negierung ſich bewegen kann, darboten, auf alle mögliche Weiſe
geltend zu machen. Nachdem Aargau zum Kampfe den Ausſchlag gegeben, traten
nun auch die Úbrigen noch betheiligten Stände der Übereinkunft bei; Baſel jedoch
êlüglih unter dem allgemeinen Vorbehalte, inſofern die Beſtimmungen derſelben
den Staatsrechten nicht zuwider ſeien. Die päpſtlihe Bulle für die Verei:
nigung der Cantone Aargau und Thurgau mit dem Bisthume Baſel erfolgte am
‚23. März 1830; und die Genehmigungsurkunde dieſer Bulle von Seiten der er-
wähnten Cantone am 29. Mai 1830.
Für das Königreich S ach ſen beſteht kein Concordat. Dieſes Land wird noch,
was ſeine katholiſchen Unterthanen betrifft, in kirchlicher Beziehung bloß durch zwei
apoſtoliſche Vicarien geleitet. Für den fächfifchen Theil der Obertaufig befteht zu
Baugen ein Zitularbifchof, für den übrigen Theil des Königreichs zu Dresden
ein apoſtoliſcher Vicar, der ſeit 1816 gleichfalls den Biſchofstitel führt. Den
Katholiken des Königreichs ward ſeit 1807 in kirchlichen und geiſtlichen Sachen
dieſelbe Befreiung von der weltlichen und fremden Gerichtsbarkeit und Polizei:
gewalt wie den augsburgiſchen Confeſſionsverwandten eingeräumt. Jhre Ehe-
ſachen wurden, ſo weit ſie die Stelle des beklagten Theils vertreten, der ordentlichen
Dbrigfeit entnommen und dem apoſtoliſchen Vicar zu Dresden übertragen. Dieſem
hat man auch die Cenſur der katholiſch-theologiſchen Schriften anvertraut. Fragt
man aber nach der Stellung, in welcher. fich der zu Dresden reſidirende Vicarius
apostolicus zum tömifchen Papfte befindet, fo ift er die oberſte geiſtliche Behörde
der Katholiken Sachſens, nach $. 1 des ſächſ. Mandats vom 19. Febr. 1827.
Kein Land befchäftigt jegt die päpſtliche Sorgfalt mehr als Sachſen. Es iſt cine
zu fchöne Perle in der dreifachen Krone, als daß der Papſt durch ſeinen Stellvertreter
in Dresden deſſen Wiedervereinigung nicht thätigſt betreiben laſſen ſollte. Da die
Anzahl der Katholiken (jezt 46,000) noch nicht groß genug iſt, auch andere Ver:
hältniffe die Errichtung eines wirklichen Bisthums hindern, ſo betrachtet Rom das
der Mehrzahl nach proteſtantiſche Sachſen wie die Länder der Ungläubigen (partes
infidelium), in welche es aus Mangel an ordentlichen Stellvertretern (Biſchöfen)
außerordentliche ſendet, die apoſtoliſche Vicare genannt werden. Wie weit fich
die hieracchifche Vollmacht des Vicarius apostolicus in Dresden erftreckt, ift nicht
bekannt, weil das päpſtliche Breve, durch welches dieſe Vollmacht ertheilt wird,
nicht zum Vorſchein gekommen iſt. Aber ſhon der Name eines apoſtoliſchen Stell-
vertreters läßt feinen Zweifel übrig, daß dieſe Stellung die unmittelbare und nächſte
iſt, und daß die geiſtliche Perſon, welche fie einnimmt, in der größten und ausfchließ-
lichſten Abhängigkeit von Rom ſich befindet. Hat ein ſolcher Mann von der Macht
des Papſtes rômiſche Begriffe und Anſichten, fo wird er in ſeinem Kreiſe nur die
Intereſſen des rômiſchen Stuhls im Auge haben , und kein Recht Anderer, ſei es
noch ſo begründet, anerkennen und achten, wenn es in der curialiſtiſchen Meinung
den Rechten des Papſtes Eintrag oder Abbruch zu thun ſcheint. Wie ſich in
Sachſen die äußern kirchlichen Verhältniſſe der katholiſchen Gemeinde reiner geſtal-
ten ſollen, liegt jeßt in der Gewalt des Cultusminiſters ; denn nach der Verfaſſungs:
urkunde des Königreichs vom 4. September 1831 ſind die geiſtlichen Behörden
aller Confeſſionen der Oberaufſicht des Miniſteriums des Cultus untergeordnet.
Auch können Beſchwerden Uber Misbrauch der Eirchlichen Gewalt bis zu der ober-
ſten weltlichen Staatsbehörde gebracht werden.