Full text: A bis E (1. Band)

  
  
  
  
  
  
Ägypten 43 
wurde, ſeine Blicke auch auf das Seeweſen gerichtet, welchem er ſeitdem eine im- 
mer größere Sorgfalt widmete. Alles war in dem kläglichſten Zuſtandez aufges 
hâufte Unreinigkeiten in den Schiffsräumen ſchadeten der Geſundheit der Mann- 
ſchaft und machten das Holz faulz die Kanonen lagen zerſtreut unter dem Balz 
laſt, und Niemand dachte daran, die Anführ»r verantwortlich zu machen. Der Pas 
ſcha ſah, daß er das Ubel bei der Wurzel angreifen mußte, und auch hier zeigte ev 
die kräftige Entſchiedenheit, mit welcher er ſeine Umwandlungen auszuführen gez 
wohnt war. Es war auch hier die Aufgabe, reife Männer zu unterrichten, die bis 
dahin einer Routine gefolgt waren, deren ſich der gemeinſte europäiſche Matroſe 
[hämen möchte; aber der Paſcha wußte, daß ſie, zum Lernen gezwungen, menigs 
ſtens Dasjenige faſſen würden , was ihnen durch ihre praktiſchen Kenntniſſe dev 
Schifffahrt verſtändlich ſein könnte. Die Hauptſache war jedoch, jungen Sees 
leuten ein Beifpiel zu geben und einen Wetteifer unter ihnen zu erwecken, dev nur bei 
jungen Leuten wirkſam ſein konnte. Es ward am Bord einiger alten Corvetten eine 
Seefchule errichtet, in welche eine bedeutende Anzahl junger Araber aufgenommen 
wurde, die man unter den Schiffern auf dem Nil aushob, Der Seelieutenant 
Billnit und andere Sranzofen übernahmen den Unterricht der Zöglinge, die in kur- 
zer Zeit ungemeine Fortfcheitte machten. Die alten Offiziere mußten ſich täglich in 
einem Saale der Admiralität zu Alexandrien verſammeln, um Vorleſungen über 
die Schifffahrtskunde zu hören, und einige von ihnen ließen ſich bewegen, aud) Mas 
thematik und Zeichnen zu lernen. Auf einer andern Corvette wurden hundert 
Zöglinge unterrichtet, die theils aus der Anſtalt zu Caſer el-ain kamen, theils Mam- 
lu>en waren. Es war eine Pflanzſchule für Offiziere. Die franzöſiſchen Eins 
richtungen wurden auch beim Seeweſen als Muſter befolgt. Osman Bey entwarf 
nach den franzöfifchen Marineverordnungen ein Gefegbuch für die Ägypter, doch 
mit mancher Veränderung, welche voldsthümliche Sitten, veligiöfe Gewohnheiten, 
ſelbſt die beſtehenden Verroaltungsgrundſaße nothwendig machten. So nahm er 
unter andern eine Saßung nicht auf, die eine entehrende Dienſtentlaſſung der See- 
offiziere verfügt, da, wie er bemerkte, das Ehrgefühl bei den Morgenländern nicht 
fo fein fei als bei den Europäern, und ein folhes Strafgefeg Denjenigen günftig fein 
würde, die ſih dem Dienſte entziehen wollten. Zu gleicher Zeit wurde dag Sees 
arſenal zu Alexandria unter der Leitung europäifcher Offiziere in beſſere Ordnung 
gebracht, aber es blieben noch viele Misbräuche in der Verwaltung zurüd, die erſt 
bei der 1829 erfolgten Umwandlung dieſer Anſtalt gehoben wurden, als der Franz 
zoſe Ceriſy die Leitung derſelben erhielt. Der Paſcha ließ in Marſeille und Livorno 
Schiffe bauen, bald aber ward auch unter der Oberaufſicht der Franzoſen auf dem 
Werft in Alexandria eifrig gearbeitet. Dieſe Bemühungen hatten den glülichſten 
Erfolg, und im Sommer 1324 konnte Mohammed Ali eine Flotte von 63 Kriegs- 
ſchiffen auslaufen laſſen, um an dem Kampfe gegen Griechenland Theil zu neh- 
men. Alle Schiffe waren mit Arabern bemannt, die an Einſicht und Geroandtheit 
mit europäiſchen Matroſen wetteiferten. Die Offiziere leiſteten weniger, da auch 
bei der Seemacht nur Türken die höhern Offizierſtellen erhalten konnten. Erſt in 
den legten Jahren ſeßte ſich der Paſcha mehr über das alte Herkommen hinweg, 
nach welchem Europäer nur neben türkiſchen Offizieren befehligen konnten, und 
übergab dem ehemaligen Seecapitain Letellier und andern Franzoſen den unmittel- 
baren Befehl über ſeine Seemacht. 
Ein umfaſſender Blick auf die Umbildung des Kriegsweſens war nöthig, um 
uns die Eigenheit und das wahrſcheinliche Ergebniß der neuen Geſtaltung Agyp- 
tens klar zu machen. Jn Europa widerſtrebt eine Regeneration durch Bayonnette 
dem Zuſtande der Völker, unter den Osmanen aber ſcheint ſie vom Feldlager aus- 
gehen zu müſſen, und wie der Koran durch das Sthwert eingeführt und verbreitet 
wurde, ſo möchte jede, mit dieſem Religionsbuch in Einklang ſtehende Umwand- 
 
	        
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