Full text: A bis E (1. Band)

ii Gonfſtitutionnelles Syſtem 513 
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tt MR A, tel ener praktifchen Nöthigung unmittelbar gegeben find, doch ſchon außerordentlich 
unh viel gewonnen ift, wenn nur ein ſicheres und“ eines Beweiſes fähiges Urtheil Uber 
di Std vs, Recht und Unrecht einer Staatshandlung möglich geworden iſt. Aus dieſem Ur- 
mn theil entſpringt eine Richtſchnur und eine unberechenbare Kraft für die öffentliche 
A Meinung, in welcher zulegt doch die Quelle der Macht liegt. Man hat fich nun 
viel Mühe gegeben, Urſachen dieſer Emancipation der Völker aufzuſuchen, welche 
nicht in der natürlichen Entwickelung des menſchlichen Geiſtes liegen, ſondern als 
willkürliche Erzeugniſſe der Thorheit oder der Bosheit angeſehen werden können, 
damit man ſich von der Nothwendigkeit und der Pflicht losſprechen könne, auf die 
Fortſchritte derſelben Rúeſicht zu nehmen. Bald ſollen es misverſtandene Theo- 
rien, unausführbare Schwärmereien müßiger Köpfe, bald vorſäßliche Verbreitung 
gefährlicher Jrrthúmer fein, durch welche Völker in ihrem Vertrauen zu der Regie 
rung irre gemacht, zur Unzufriedenheit und MWiderfpenftigkeit aufgemiegelt werben. 
Es iſt leicht einzuſehen, welche Gründe dieſe Täuſchung herbeiführen, indem man 
die Schuld entſtandener Spaltungen und Schwierigkeiten lieber in andern als iw 
ſeinen eignen Fehlern ſucht, und wol auch ſeine Eitelkeit beleidigt findet, wenn man 
immer die Gründe ſeines Handelns angeben ſoll. Allein man ſollte doch einmal die 
leere Schmeichelei und die unreinen Abſichten Derer erkennen lernen, welche' immer 
nur bemüht ſind, jede ernſte Prüfung des öffentlichen Handelns abzuweiſen, Mis- 
bräuche zu rechtfertigen oder doch zu verheimlichen, und das Streben nah Refor- 
men und Abſtellung alter oder neuer Ungerechtigkeiten mit dem bequemen Berdam- 
mungsurtheil des Revolutionnairen zurü>zuweiſen. Uber die Richtigkeit oder Un- 
richtigkeit der Theorie kann nur Derjenige urtheilen , welcher durch ein gründliches 
Studium derſelben in ihrem ganzen wiffenfchaftlichen Umfange fich mit ihr ver 
traut gemacht hat; in dem Munde eines Andern iſt ein ſolches Urtheil nur ein Be- 
kenntniß der Unkenntniß. Es gibt neben mehren andern zwei Merkmale des eigent: 
lichen revolutionnairen Strebens, welche man in unſerer vielbewegten Zeit ganz be- 
ſonders zu vermeiden ſuchen muß. Das eine iſt das gewaltſame Umſtürzen des 
Beſtehenden, welches niemals, weder durh Gründe des Rechts noch der Noth- 
wendigkeit gerechtfertigt werden kann, und nur dann zu entſchuldigen iſt, wenn ein 
Volk durch die Gebrechen der Verfaſſung und Verwaltung in Gefahr geſeßt wird, 
ſeine theuerſten Güter, ſein phyſiſches Daſein, das Glück der Familien, ſeine moraliſche 
Würde und ſeine Religion aufopfern zu ſollen. Das zweite aber iſ die Herrſchaft 
der Menge, welche ihre Vorurtheile, ihre Leidenſchaft und ihre Unwiſſenheit auf 
den Thron erhebt, Dieſe revolutionnairen Gewaltthätigkeiten ſind nie nothwen- 
dig, d, h. aber nur, wie Ancillon in ſeinen politiſchen Schriften wiederholt aus- 
E einandergefegt hat, fie Fönnen durch zeitgemäße Reformen, und beſonders durch 
za Bi ſtrenge Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit der Regierungen ſtets vermieden werden. 
MN Die Volksherrſchaft iſt dem echt conſtitutionnellen Syſtem, d. h. dem Geſeßes- 
A ſtaat, ebenſo ſehr entgegen als die Tyrannei eines Einzigen und der Despotismus 
einer Geburts -, Reichthums-- oder Beamten: Ariſtokratie; aber auch ſie wird am 
häufigften dadurch herbeigeführt, daß die Misbräuche irgend einer andern Verfaſſung 
unerträglich geworden find, und doch die Ahhülfe und die conflitutionnellen Modift: 
cationen der Verfaſſung, ſowie die Garantien derſelben mit blinder Hartnäckigkeit 
und übermüthigem Stolz verweigert werden. Der wiſſenſchaftlichen Bildung ge- 
bührt der Natur der Sache nah und von Rechtswegen der größere Antheil an der 
Leitung-der Völker, und der gelehrte Stand in allen ſeinen Theilen iſt der Klerus im 
Altern umfaffendern Sinne des Wortes, wo er weder mit Prieflerfchaft noch mit 
dem einſeitig gebildeten Stande ber Legiften gleichbedeutend ift. Uber gerade der ges 
lehrte Stand iſt, freilich nicht ohne eigne Schuld, in der neuern Zeit um einen großen 
Theil des Anfehens und Vertrauens gekommen, deſſen er früher genoß, und ſowol 
die Menge als die Ariſtokratie ſe6t gerade ihm faſt Úberall ein wirklich feindſeliges 
Conv.-Lex. dér neueſten Zeit und Literatur. I. 33 
  
  
  
  
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