Full text: A bis E (1. Band)

  
4 Ägypten 
lung etwas von demſelben Geiſte haben. Nur die Bildung eines regelmäßigen, der 
höchſten Gewalt unterworfenen Heeres kann die Mittel gewähren, der von den Statt: 
haltern und der ganzen Beamtenhierarchie ausgeubten Willkürherrſchaft Einhalt zu 
thun, dieſe Despoten den allgemeinen Landesgeſezen zu unterwerfen, das Leben 
und Befisthum des Unterthans zu bei-yügen, und in den Gemüthern die erſten 
Stundfäge allgemeiner Gerechtigkeit, und derjenigen Pflichten, die der Mächtige 
wie der Schwache zu erfüllen hat, zum Bewußtſein zu bringen. Dieſer wichtige 
Schritt zur Civiliſation mußte in dem türkiſchen Reiche erſt gethan werdén, wo es 
bis jet keine Herrſchaft der Gerechtigkeit gab, wo dur< Gewalt oder dur Geld 
Alles erlangt und jedes Geſes umgangen werden, wo der Arme ſein Recht gegen 
die Macht nie geltend machen konnte. Jn Agypten erſcheint das Werk der Um- 
wandlung noch ſchwieriger, wenn wir auf die Elemente ſehen, welche die Bevölkerung 
des Landes darbietet. Die Bewohner beſtehen aus zwei abgeſonderten Volksſtäm- 
men, den Osmanen und den Arabern, die theils Anbauer des Bodens (Fellah) find, 
theils als Beduinen leben. Jene ſind die Gebieter, welche alle Zweige der öffentlichen 
Gervalt leiten, die Fellah Unterthanen, nicht viel mehr als Sklaven. Die Türken, 
welche das mittlere Lebensalter überfchritten haben, ohne mit den Unterrichtsgegene 
ſtänden der neuern Zeit bekannt geworden zu fein, zeigen ſich hartnäckig in ihren Mei- 
nungen, reizbar gegen Widerſpruch, und es iſt {wer, die Gewohnheit über Sklaven 
zu herrſchen bei ihnen auszurotten. Sie find nicht ohne Einſicht, aber ihre Trägheit, 
ihre weibiſche Lebensweiſe macht ſie unfähig zu geiſtiger Anſtrengung, und wenn ſie 
nun auch die wiſſenſchaftliche Überlegenheit der Europäer erkannt, und eingeſehen 
haben, wie eitel ihre ehemalige Verachtung der Chriſten war, ſo fühlen fie doch die 
{were Demüthigung, im vierzigſten Lebensjahre ſich neuer Arbeit und wie Kna- 
ben einer ſtrengen Zucht zu unterwerfen. Wie könnten ſie ſich leicht mit dem Ge- 
danken verſöhnen, ſich mit ihren Sklaven gleichen Geſezen und Anordnungen zu 
unterwerfen! So erfreulich es für die europäiſchen Lehrer war, unter ſolchen Zdg- 
lingen zuweilen Empfänglichkeit und Bildſamkeit zu finden, ſo konnten ſie es ſich 
doch nicht verhehlen, daß nur von dem aufwachſenden, ſtrenger erzogenen Geſchlechte 
etwas zu hoffen war. Den Türken gegenüber ſteht die übrige Wolksmaffe, welche, 
mit Ausnahme einiger Kopten in den Städten, arabiſchen Urſprungs iſt. Arbeits 
fam, mäßig, ausdauernd, leicht faſſend und bildſam, ſeit undenklichen Zeiten an 
Gehorſam gewöhnt, unterwerfen ſie ſich gern der neuen Kriegszucht, werden treff- 
liche Soldaten und geben leicht alte Vorurtheile auf, die bei ihnen nicht, wie bei 
den Türken, mit den Annehmlichkeiten des Herrſchens und der Üppigkeit vereinigt 
ſind. Sie zeigen in ihrem Verkehr mit den europäifchen Offizieren nichts von der 
Eiferſucht und dem Stolze der Osmanen. Dieſe ſtrenge Abſonderung der beiden 
Volksſtämme hatte auch auf die neue Heerbildung einen nachtheiligen Einfluß, und 
machte es weit ſchwerer, Offiziere als Soldaten zu bilden. Kein Araber konnte bis- 
her über den Rang eines Lieutenants aufrü>en;z alle höhere Offiziere wurden aus 
dem türkiſchen Gefolge der Vornehmen, aus ihren Mamluken , Pfeifenträgern 
und Schreibern genommen, und wenn dieſe Claſſe erſchöpft war, kam jeder andere 
Osmanli oder Albanier an die Reihe, Menſchen, die an Ausfchweifungen und 
Naubfucht gewöhnt waren. Eine Folge diefer Einrichtung ift das dem Europäer 
ſo auffallende Verhältniß unter den Offizieren. Die Achtung des Untergebenen ge- 
gen ſeinen Dbern hat das Gepräge des Knechtſinnes. Der Hauptmann iſt der 
Diener des Dberſten, der Gebieter des Lieutenants, und täglich ſieht man einen 
Dffizier ſeinem Vorgeſetzten die Pfeife anzünden oder ihm und ſeinen Gäſten Kaffee 
darreichen. Die Türken ſelbſt leugnen nicht, daß ſie, gewöhnt an barſches Gebieten, 
nie eine volllommene militaitifche Hierarchie erlangen werden. Das verderbliche 
Sünfttingswefen aber, das früher dem jungen Mamluden, der den unnatürlichen 
Lüften eines Mächtigen gedient hatte, den Weg zu Offizierftellen öffnete und ſelbſt 
  
der 
{til 
(hi 
hat 
un 
fit 
pin 
ht 
il 
da 
fr 
Wi 
di 
de 
bir 
(tl 
0 
zu 
u 
Wi
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.