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Aurora Tithon und Menmnon; bei Apoll ſeine Lieblinge Hyacinth, Aſträa,
Daphne 2c. z bei Luna Endymion und der beſtrafte Frevler Aktaonz; bei der Nacht
die Schickfalsgöttinnen und Parzen, die einzigen, die ſich durch keine Liebe und
kein Leiden in Menfchennähe gezogen fühlen. Die ſenkrechten Mauern unter dem
Gewölbe bieten bloß drei Räume, da ſich im vierten das Fenſter befindet; hier
herrſcht die griechiſche Dreieinigkeit : Pluto, Neptun und Jupiter, jeder in ſeinem
geſchiedenen Reiche. Aber der Künſtler hat ſie uns nicht in ihrer einfamen Abge-
fchloffenheit vorgeführt, ſondern ſie dur uns verwandte Geſtalten zu beleben und
zu beherrſchen verſtanden; der Unterwelt unerbittlicher Gebieter weicht der Gewalt
der Tóne und gibt dem Orpheus ſeine Eurydice zurü>; Neptun folgt mit feinem
ganzen Reiche dem Arion und ſeinem Saitenſpiel, und Jupiter bewilléommt mit
goldgefüllter Schale den Heros, deſſen kühne Thaten ſelbſt den Olympos zur Be-
wunderung zwingen. So ſchließt ſich das Werk mit dem Gedanken, mit welchem es
begonnen, nur in erweiterter Form; immer tritt die neue jugendliche Kraft ſiegend
dem Alter entgegen. Auch in Hinſicht dér künſtleriſchen Ausführung iſt die Auf:
faffung durchaus neu zu nennen und gehört dem Meifter ganz allein an. Der
Styl dieſes Saales unterſcheidet ſich Übrigens weſentlich von dem der Heroen fo:
wol im Colorit als în der Zeichnung. Hier iſt bei aller Großartigkeit der Gedanken
noch eine zarte Feinheit der Contouren ‘und Formen, ſowie eine fanftere Färbung
unverkennbar vorherrſchend, mit Ausnahme der Waſſerwelt, die als das zulebt
gemalte Bild in die Übergangsperiode fällt. Jm zweiten Saale erſcheint nun die
großartige Auffaſſung auch in der äußern Form abgeprägt, und in der Färbung iſt
der Meifter fo tief gegangen, als die ihm zu Gebote ſtehenden Mittel erlaubten,
und es je irgendwo in Fresco erreicht worden. Dieſer zweite oder Heróenſaal gibt
die Geſchichte des trojaniſchen Krieges. Eine ſymboliſche Darſtellung der Bermäh:
lung von Peleus und Thetis in der Mitte der Dede eröffnet die Neihenfolge: in
vier fich darum ſchließenden Bildern ſind die nähern Veranlaſſungen und der An-
fang des Kriegs angedeutet, durch die Hochzeit des Menelaus und der Helena, das
Urtheil des Paris, die Entführung der Helena und das Dpfer der Jphigenia. Die
vier geößern nun folgenden Felder zerfallen je in zwei, und find den einzelnen Hel-
den der Jliade gewidmet, ſodaß z. B. Odyſſeus dargeſtellt iſt, wie er den Achilleus
ausfindig macht, Diomedes, wie er die Götter verwundet u. |. w. Auf den drei
Hauptwänden endlich iſt erſtlich der Zorn des Achilleus, dann der Kampf um den
Leichnam des Patroklos und endlich die Zerſtórung Trojas dargeſtellt. C.'s eigen-
thümlichſte Natur hat ſich hier mit geſteigerter Kraft geoffenbart; die kämpfenden
- Helden, der Tod auf ſo manchem Angeſicht, die Siegesluſt , Alles ift mit den leben-
digſten Farben ausgeſprochen , ſowie bei der Zerſtörung das hereingebrochene Un-
glü> mit der Gewalt eines Aſchylos dargeſtellt iſt. Das legtere Bild erſchließt
außerdem in der Vereinigung ſcharfer Gegenſätze eine wunderbare Geroalt darſtel-
lender Kunſt, fo in der von Menelaos ergriffenen Polyxena Zorn-und Flehen, in
Andromache Leben und Tod, in Priamos Tod und Kraſtanſtrengung, in Hekabe
Schmerz und Wahnſinn, in Kaſſandra Gegenwart und Zukunft. Vor dieſem
Bilde auch war es, wo König Ludwig im Januar 1826 den Meiſter deſſelben im
Angeſichte ſeiner Schüler zum Ritter des Civilverdienſtordens der bairiſchen Krone
machte. Zwiſchen beiden Sälen befindet ſich noch eine Vorhalle, die C. mit dem
Mythus des Prometheus, als der ſchönſten Symbolik der Kunftentwicelung, ge:
fhmüdt hat. — Jm Frühſommer 1830 hatte C. feine Arbeiten für die Glypto-
thek beendigt. Er ging auf ein Jahr nad) Rom und entwarf daſelbſt den erſten
Carton zu neuen Frescomalereien, mit denen er das SSnnere der neuen Ludwigs:
kirche verzieren wird. Dieſer Carton ward im September 1831 in München auf
der Akademie ausgeſcellt, und zeigt uns nun den Bildner heidniſcher Geſchichten
auf chriſtlichem Felde. Nicht nur der Ort der Beſtimmung dieſer neuen Gemälde,
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