Full text: A bis E (1. Band)

  
  
  
  
Cornelius 529 
Aurora Tithon und Menmnon; bei Apoll ſeine Lieblinge Hyacinth, Aſträa, 
Daphne 2c. z bei Luna Endymion und der beſtrafte Frevler Aktaonz; bei der Nacht 
die Schickfalsgöttinnen und Parzen, die einzigen, die ſich durch keine Liebe und 
kein Leiden in Menfchennähe gezogen fühlen. Die ſenkrechten Mauern unter dem 
Gewölbe bieten bloß drei Räume, da ſich im vierten das Fenſter befindet; hier 
herrſcht die griechiſche Dreieinigkeit : Pluto, Neptun und Jupiter, jeder in ſeinem 
geſchiedenen Reiche. Aber der Künſtler hat ſie uns nicht in ihrer einfamen Abge- 
fchloffenheit vorgeführt, ſondern ſie dur uns verwandte Geſtalten zu beleben und 
zu beherrſchen verſtanden; der Unterwelt unerbittlicher Gebieter weicht der Gewalt 
der Tóne und gibt dem Orpheus ſeine Eurydice zurü>; Neptun folgt mit feinem 
ganzen Reiche dem Arion und ſeinem Saitenſpiel, und Jupiter bewilléommt mit 
goldgefüllter Schale den Heros, deſſen kühne Thaten ſelbſt den Olympos zur Be- 
wunderung zwingen. So ſchließt ſich das Werk mit dem Gedanken, mit welchem es 
begonnen, nur in erweiterter Form; immer tritt die neue jugendliche Kraft ſiegend 
dem Alter entgegen. Auch in Hinſicht dér künſtleriſchen Ausführung iſt die Auf: 
faffung durchaus neu zu nennen und gehört dem Meifter ganz allein an. Der 
Styl dieſes Saales unterſcheidet ſich Übrigens weſentlich von dem der Heroen fo: 
wol im Colorit als în der Zeichnung. Hier iſt bei aller Großartigkeit der Gedanken 
noch eine zarte Feinheit der Contouren ‘und Formen, ſowie eine fanftere Färbung 
unverkennbar vorherrſchend, mit Ausnahme der Waſſerwelt, die als das zulebt 
gemalte Bild in die Übergangsperiode fällt. Jm zweiten Saale erſcheint nun die 
großartige Auffaſſung auch in der äußern Form abgeprägt, und in der Färbung iſt 
der Meifter fo tief gegangen, als die ihm zu Gebote ſtehenden Mittel erlaubten, 
und es je irgendwo in Fresco erreicht worden. Dieſer zweite oder Heróenſaal gibt 
die Geſchichte des trojaniſchen Krieges. Eine ſymboliſche Darſtellung der Bermäh: 
lung von Peleus und Thetis in der Mitte der Dede eröffnet die Neihenfolge: in 
vier fich darum ſchließenden Bildern ſind die nähern Veranlaſſungen und der An- 
fang des Kriegs angedeutet, durch die Hochzeit des Menelaus und der Helena, das 
Urtheil des Paris, die Entführung der Helena und das Dpfer der Jphigenia. Die 
vier geößern nun folgenden Felder zerfallen je in zwei, und find den einzelnen Hel- 
den der Jliade gewidmet, ſodaß z. B. Odyſſeus dargeſtellt iſt, wie er den Achilleus 
ausfindig macht, Diomedes, wie er die Götter verwundet u. |. w. Auf den drei 
Hauptwänden endlich iſt erſtlich der Zorn des Achilleus, dann der Kampf um den 
Leichnam des Patroklos und endlich die Zerſtórung Trojas dargeſtellt. C.'s eigen- 
thümlichſte Natur hat ſich hier mit geſteigerter Kraft geoffenbart; die kämpfenden 
- Helden, der Tod auf ſo manchem Angeſicht, die Siegesluſt , Alles ift mit den leben- 
digſten Farben ausgeſprochen , ſowie bei der Zerſtörung das hereingebrochene Un- 
glü> mit der Gewalt eines Aſchylos dargeſtellt iſt. Das legtere Bild erſchließt 
außerdem in der Vereinigung ſcharfer Gegenſätze eine wunderbare Geroalt darſtel- 
lender Kunſt, fo in der von Menelaos ergriffenen Polyxena Zorn-und Flehen, in 
Andromache Leben und Tod, in Priamos Tod und Kraſtanſtrengung, in Hekabe 
Schmerz und Wahnſinn, in Kaſſandra Gegenwart und Zukunft. Vor dieſem 
Bilde auch war es, wo König Ludwig im Januar 1826 den Meiſter deſſelben im 
Angeſichte ſeiner Schüler zum Ritter des Civilverdienſtordens der bairiſchen Krone 
machte. Zwiſchen beiden Sälen befindet ſich noch eine Vorhalle, die C. mit dem 
Mythus des Prometheus, als der ſchönſten Symbolik der Kunftentwicelung, ge: 
fhmüdt hat. — Jm Frühſommer 1830 hatte C. feine Arbeiten für die Glypto- 
thek beendigt. Er ging auf ein Jahr nad) Rom und entwarf daſelbſt den erſten 
Carton zu neuen Frescomalereien, mit denen er das SSnnere der neuen Ludwigs: 
kirche verzieren wird. Dieſer Carton ward im September 1831 in München auf 
der Akademie ausgeſcellt, und zeigt uns nun den Bildner heidniſcher Geſchichten 
auf chriſtlichem Felde. Nicht nur der Ort der Beſtimmung dieſer neuen Gemälde, 
Conv.-Lex. dex neueſten Zeit und Literatur, I. 34 
 
	        
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