Full text: A bis E (1. Band)

  
602 Deutſche Kunſt 
Entwurf und Zeichnung zukommt. Dennoch eignete ſich W. ein wahres und kräf- 
tiges Colorit an, und ein feiner Sinn für Bedeutung und Harmonie der Farben 
gibt ſeinen Bildern ſtets einen befriedigenden Ausdru>. Einzelne, wie Hiob, die 
Sirenen, ſind ſogar mit ſeltener Meiſterſchaft im Fleiſchton und in den übrigen 
Theilen ausgeführt. Ju ſeinen Hervorbringungen unerſchöpflich reih und immer 
geiſtvoll, edel und gemüthanregend, hat er ſich dur Beſchäftigung mit den Alten 
immer dem Vaterlande der Kunſt nahe und mit dem Geiſte des Alterthums ver- 
traut erhalten. Von dem antiken Geiſte beſeelt, in einer griechiſchen Form gehalten, 
ſind auch ſeine Darſtellungen bibliſcher und chriſtlicher Gegenſtände, und hierin 
repräſentirt er am deutlichſten die ältere römiſche Schule deutſcher Maler, der jün- 
gern romantiſchen gegenüber. Zu feinen frühen Werken gehören vornehmlich : 
Hiob, das einzige große Olbild von W., um 1820 neu übermalt; die Ausſegung 
der Pſychez der ſterbende Sokrates; Alcibiades, in der Schule des Sokrates; Bez 
liſarz Câſar auf dem Felde von Pharſalus; Grablegung Chriſti. Zu den neuern: 
Cimon, der für feinen todten Vater in den Kerker geht; Homer und die Muſe der 
Geſchichte. — Ein Genoſſe jener Zeit, zuerſt Schüler von Hetſch, Ferdinand Hart- 
mann, Director der Akademie der bildenden Künſte zu Dresden, geb. zu Stuttgart 
1770, hat 1828 die dritte Reiſe, als Begleiter des Prinzen Friedrich von Sach- 
ſen, nah Jtalien gemacht. Ein genialer und ruhig ordnender Sinn und ein inni- 
ges Gemüth beſeelen ſeine Compoſitionen, die er kräftig und in wahrem Colorit 
auszuführen pflegt. Zu ſeinen frühern Gemälden kamen in der neueſten Zeit: 
Hercules, eine Pietà. Seine Bildniſſe ſind ausdru>svoll und von warmem Leben, 
In dieſelbe Periode fiel der Kalmu>e Feodor, den wir um ſeines ganzen Bil- 
dungsganges und ſeines nachmaligen Aufenthaltes willen — er wurde Hofmaler 
in Karlsruhe — zu den Deutſchen rechnen können. Man zählte ihn zu den tüch- 
tigſte Zeichnern; zu Digemälden nahm er fich ungern Zeit und Mühe, aber ſeine 
Compoſitionen in Crayon und mit der Feder find reich an Phantaſie und charak- 
teriſtiſch gehalten. Für die lutheriſche Kirche in Karlsruhe hat er Scenen aus der 
Geſchichte Jeſu entworfen, deren Ausführung dem Profeſſor Zoll Übertragen 
wurde. — Johann und Franz Riepenhauſen aus Göttingen wichen von der 
ſtrengern Richtung der Vorgenannten durch ein Streben nach gefälligen Formen 
und zierlicher Ausführung ab. Ihre Compoſition iſt anſprechend, ihre Gruppirung 
ſ{<ôn;z ſie haben ſih vornehmlich nach Rafael’ ſchen Muſtern zu bilden verſucht, 
daher ſie auch dieſes Jdeal gern zum Gegenſtand ihrer Darſtellungen wählten, fo 
in dem großen Olgemälde, Rafael's Verklärung, und in einer Folge von Compoſitio- 
nen aus Rafael’s Leben, deren Stich ſie ſelbſt beſorgt haben. Jhr neueſtes- großes 
Ölgemälde war für den Guelfenordensſaal in Hanover beſtellt: Wie Heinrich der 
Lôwe den Kaiſer Friedrich beim Ausgang aus der Peterskirche gegen den meuchles 
tifchen Anfall der Gibellinen [hüst. Eine neue Bearbeitung der polpgnotifchen 
Bilder, die nah Pauſanias in der Lesche zu Delphi ſtanden, haben fie 1829 in 
18 Kupfertafeln herausgegeben. — Ein anderer Deutſcher, welcher eine kurze, aber 
unſterblihe Erſcheinung in der Geſchichte deutſcher Kunſt ſein ſollte, kam 1804 
nach Rom, Gottlieb Schi >, geb. 1779 zu Stuttgart, Hetſch's und Danne>ker's 
Schüler, der früher ſich in Paris gebildet hatte; erſt aber in Rom ging ihm völlig 
der innere Sinn für wahre Künftlerbeftimmung auf. Von Keinem wird es ge- 
rühmt, daß er wie. ©. die fchönen Formen der Antike mit einer innern Notbs 
wendigkeit und zugleich mit höchſter Leichtigkeit gezeichnet habe. Sein Opfer 
Noah's, fein Apollo unter den Hirten, ſein Chriſtus, ſeine Portraits, namentlich 
der Humboldt'ſchen Familie, ſind in Hinſicht auf Jnnigkeit der Empfindung, Wahr- 
heit des Ausdru>es, Schönheit der Anordnung mit Vorzügen ausgeſtattet, welche, 
je mehr man fie erkennt, nur um ſo ſchmerzlicher den frühen Verluſt des Künſtlers 
bedauern laſſen. Er war 1811, durch Kränklichkeit geſ<hwächt, mit ſeiner Familie 
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