648 Deutfche Literatur im Auslande
allerdings vorzugsmeife die deuffche Novellenliteratur, der fich gegenwärtig bie
liberfegerkräfte der Engländer und Franzoſen am thätigſten zuwenden. Die in
Paris fortgehend erſcheinende „Collection de romans allemands“ liefert Über-
ſebungen nah Göthe, Zſchokke, Sartorius, Tromliz u. A. Vor Allen iſt jedoch
Hoffmann gegenwärtig der Lieblingsheld der franzöſiſchen Leſewelt, der nicht.
nur Leſer und Bewunderer, ſondern auch Überall Nachahmer ſeiner Manier findet,
unter welchen Zegtern befonders Balzac für den glüdlichften gilt. Eigentlich war
es jedocdy von England aus, von wo fih Hoffmann’s Ruf dur) einen Auffag
Walter Scott's im „Foreign quaterly review” (1827): „On the supernatural
in fietitious composition”, worin er befonders auf Erörterungen über Hoffmann’s
Leben und Werke einging, auh nach Frankreich zuerſt mit größerer Allgemeinheit
verbreitete, während hier früher noh der Überſetzer der „Elixire des Teufels“ es
für beſſer gehalten hatte, dieſem Buche nicht den Namen ſeines wirklichen Ver-
faſſers, ſondern den Spindler's, von dem damals eben mit großem Beifall Eini-
ges übertragen worden war, vorzuſtellen. Nachdem aber einmal Walter Scott
auf- jene Weiſe die Bahn zur Anerkennung Hoffmann's gebrochen , erſchienen bald
darauf auh von Loève-Veimars, dem Uberſezer van der Velde's, Hoffmann's
„Contes fantastiques“ (Paris 1829, 12 Bde.) ins Franzöſiſche Übertragen, und
erregten ſchnell den merkwürdigen Enthuſiasmus der Franzoſen für dieſen Dichter,
der bei ſeinen deutſchen Landsleuten längſt ſeine Zeit gehabt hat.
Eine vollſtändige Bibliographie aller Überſezungen deutſcher Werke der
Poeſie in fremdè Sprachen zu geben, würde ein an dieſem Ort unthunliches Un-
ternehmen ſein, da dieſe in allen ihren Einzelnheiten fo reichhaltig ausfallen
dürfte, daß der unſerm Artikel geſte>te Raum und Zwe>, wonach wir mehr nur
die allgemeinen Richtungen des Übergangs deutſcher Poeſie in die Fremde zu
charafteriſiren hatten, ſie füglih nicht faſſen möchte. Einzelne Fortſchritte der
deutſchen Literatur im Auslande laſſen ſich faſt täglich in den Bücherverzeichniſſen
der Engländer, Franzoſen und Jtaliener nachweiſen. Unter den neu angekün-
digten Erſcheinungen dieſer Art erregte beſonderes Intereſſe die ſhon lange
vorbereitete Überfegung der Klopſto>’ſchen Meſſiade vom Ritter Maffei, die
nun binnen Kurzem, mit einer Einleitung von Mauri, in Mailand heraus-
kommen ſoll. Jn Frankreich wollen wir unter den neueſten Tagserſcheinun-
gen der Überfegungsliteratur noch auf die Übertragung von Börne's „Briefen aus
Paris” hinmeifen, nicht ber Überfegung halber, fondern wegen des vernünftigen
und unparteiiſchen Urtheils, das die franzöſiſche Kritik, namentlich in der „Revue
des deux mondes“, úber das Buch ſelbſt ausgeſprochen, und wodurch ſich offen-
bart, daß die Franzoſen , die in dieſen Briefen ſelbſt eine ſolche Vergôtterung aller
ihrer Richtungen erleben, Feineswegs irgend eine Theilnahme für dieſelben gefühlt
haben, ſondern ſie vielmehr in der Krankhaftigkeit ihrer Stimmung zu würdigen
wiſſen. In England aber find die trefflich redigirten Reviews fortwährend be-
ſchäftigt, durch ausführliche und meiſtentheils ſehr gründliche Beurtheilungen und
Charakteriſtiken unſerer namhafteſten Dichter zur Verbreitung der Kunde deutſcher
Literatur und zur Anregung einheimiſcher Überſeßertalente hinzuwirken. Jn dieſer
Weiſe erſchienen, außer den bereits im Verlauf unſers Artikels genannten, vor-
nehmlich kritiſche Darſtellungen über Klopſto>, die Brüder Stolberg (beide von
Heraud, im „Foreign review, and cont, misc.“), über Wieland, Novalis, Heinrich
von Kleiſt (im „Foreign quarterly review“, worin zugleih Überſe6ungen mehrer
Stellen aus dem „Prinzen von Homburg” gegeben find), über Ernſt Schulze, und
der polemifche Artikel über die drei neuern deutfchen Tragiker Klingemann, Grill
parzer und Müllner (im „Foreign review, and cont. misc.”), der beſonders durch
ſeine bitterwißigen Angriffe gegen den Legtern damals auch in Deutſchland ſehr
bekannt geworden und von dem Verfaſſer der „Schuld“ noch kurz vor ſeinem Tode
geleſen wurde,
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