Full text: A bis E (1. Band)

  
  
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Deutſche Literatur im Auslande 649 
Die ſchóne Literatur Deutſchlands, von der wir bisher ausſchließlih geſpro- 
chen, hat in den Iesten Jahren, wie wir ſehen, in ihrer vorzugsweiſen Ver- 
breitung durch England und Frankreich bei beiden Völkern ziemlich gleichmäßige 
Fortſchritte gemacht. Ungleicher ſtellt ſich aber das Verhältniß hinſichtlih deut - 
ſher Wiſſenſchaft und Philoſophie, deren Aufnahme im Auslande 
wir noch kurz charakteriſiren wollen, und von denen vornehmlich die lebtere faſt 
ausſchließlih nur in Frankreich geiſtig durhgedrungen und zu einer fortwirkenden 
Berührung mit den ſtrebenden Geiſtern der Nation gekommen iſt, während ſie in 
England noh mehr oder weniger unverſtanden und äußerlich blieb. Schon in 
frúhern Zeiten hatte man Mendelsfohn’s philofophifche Schriften größtentheils ins 
Franzöſiſche Überfest, aber von der eigentlichen fpeculativen und fyflematiichen 
deutſchen Wiſſenſchaft kam erſt durh das Buch der Frau von Staël über Deutſch: 
land den Franzoſen cine tiefer eingreifende Kunde zu. Es währte indeß noch mehre 
Sabre, ehe deutſche Philoſophie zu einem wirklich wiſſenſchaftlichen Eigenthum 
und Gegenſtand der Forſchung unter den Gelehrten Frankreichs wurde: eine Auf- 
gabe, deren Löſung dem geiſtreichen Victor Coufin (f. d.) aufbehalten war. 
Während das Hegel’ ſche Syſtem, dem fich der genannte Philofoph vorzugsweife 
angeſchloſſen, dazu diente, die Methode des bisherigen Philoſophirens in Stan: 
reich im Allgemeinen bedeutend zu bilden und zu erweitern, wurden auh im Be: 
ſondern bereits glückiiche Anwendungen deſſelben auf Behandlung einzelner Zweige 
der Wiſſenſchaft verſucht, und das nach Hegel’ſchen Principien gearbeitete „Sıbs 
recht” von Gans, das in Frankreich viele Anhänger gefunden, hat daſelbſt eine 
rechtsphilofophifche Schule zu entwickeln angefangen, der die ausgezeichnetften 
Männer angehören. Unter den ſelbſtändigern Bearbeitern dieſer Richtung iſt be- 
ſonders Lerminier zu nennen, der in ſeiner kürzlich herausgebommenen „Philo- 
sophie du droit” (Paris 1832) einen eigenthümlichen Weg einzuſchlagen verz 
ſucht hat. Die franzöſiſche Überſezung von Kant's Werken, welche Couſin 
früher-angekündigt, ift, fo viel wir wiſſen, bis jezt noch nicht herausgekommen 
und ſcheint durch das Überwiegende Jntereſſe Couſin’s an der Hegel'ſchen Philoſo- 
phie wieder verdrängt worden zu ſein. Außer der leztgenannten haben neuerdings 
auch die philoſophiſchen Schriften von K. Chr. F. Krauſe eine beſondere Auf- 
merkfamkeit zu erregen angefangen, welche, ſeltſam genug, eine tiefe Überein- 
ſtimmung der Krauſe’ſhen Philoſopheme mit der St. -Simoniſtiſchen Doctrin 
hat entde>en wollen , wie neulich in der St.-Simoniſtiſchen „Revue encyclopé- 
dique“ ſelbſt, bei Gelegenheit einer Beurtheilung von Daumer's „Andeutung eines 
Syſtems ſpeculativer Philoſophie“, mit vieler Beſtimmtheit behauptet wurde. Das 
genannte Journal verheißt eine vollſtändige Analyſe der Kräuſe'ſchen Philoſophie 
zu geben. Eine genaue Entwidelung der Baabderfchen Philoſophie erſchien 
vor Kurzem in der „Revue européenne“, Die Engländer haben, außer einer 
Überſegung einiger Kant’ſchen Schriften von Wirgman und der neulich erſchie- 
nenen Überſezung der kleinern Tennemann/ſchen Geſchichte der Philoſophie von 
Arthur Johnſon (Oxford 1832), ſonſt faſt gar keine Aneignungen aus der deut- 
ſchen Literatur in dieſem Felde verſucht. Bedeutendere Aufmerkſamkeit wandten ſie 
aber den geſchichtlichen , kritiſchen und antiquariſchen Forſchungen deutſcher Ge- 
lehrten zu , unter denen namentlich Niebuhr's „Römiſche Geſchichte“ eine große 
und vielfache Theilnahme erregte. Die zu Cambridge erſchienene engliſche Uberſebung 
derſelben von Hare und Thirlwall (Bd. 1, 1828, Bd. 2, 1832), iſt jedoh nach 
der erften Ausgabe des berúhmten Geſchichtswerks gemacht. Die Urtheile, welche 
ih in England über Niebuhr's Anſichten und Hypotheſen äußerten, haben ſich bei 
aller Verehrung, die ſie der unermeßlichen Gelehrſamkeit des Deutſchen widerfahren 
laſſen , und worin fie ihm ſelbſt den Vorrang vor allen engliſchen Forſchern in diez 
ſem Gebiete zugeſtehen , doch größtentheils ſehr unbefangen gezeigt , indem ſie die 
 
	        
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