Full text: A bis E (1. Band)

  
   
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Deutſchland 665 
die Unvollkommenheit der Verfaſſung laut anerkannten, aber eben nur mit der, 
durch die Umſtände gebotenen Eile zu entſchuldigen wußten, und wie man, um 
Etwas zu erhalten, das Ungenügende ſich gefallen laſſen wollte, da ja der Bund, 
ſelbſt wie er ſei, Verbeſſerungen nicht ausſchließe. Was fünf Jahre ſpäter die wie: 
ner Schlußacte hinzugefügt, was einzelne Beſchlüſſe des Bundestags feitdem ver: 
ordnet, Eonnte nicht erfegen, was bei der Gründung bes Gebäudes war verfaumt 
worden. Die Schlußacte beſchränkte den Zweck des Bundes gleichfalls auf die 
Unabhängigkeit und Unverlegbarkeit der Staaten der fouverainen Fürſten und auf 
Erhaltung der innern und äußern Sicherheit Deutſchlands. Von den Rechtsge- 
währungen, die 1815 ſo vielfältig beſprochen wurden, war kaum die Redez ſelbſt 
was in Beziehung auf den „na>ten und unbefriedigenden“ *) dreizehnten Artikel 
und auf die ſtändiſchen Verhandlungen verfügt wurde, war meiſt nur auf die Si- 
cherung der fürſtlichen Gewalt oder auf mistrauifche Überwachung. berechnet, und 
die Ausſicht , eine Beſchwerde Uber verweigerte oder gehemmte Rechtspflege in 
einem Bundesftaate bei der Bundesverſammlung angenommen zu ſchen, fonnte 
nicht den wirkſamen Schub gegen „Misbrauch der Souperainetätsrechte der Für- 
ften” gewähren, den Hanover 1814 für nothwendig erachtet hatte. 
Mir erinnern uns aus der Geſchichte der Verhandlungen nach der Wieder- 
erringung der Unabhängigkeit Deutſchlands, daß manche Stimmen ein Oberhaupt 
an die Spige des deutſchen Staatenvereins ſtellen wollten und auf die Wiederher- 
ſtellung der Kaiſerwürde antrugen. Es ſprachen dafür nicht nur mehre der Fleinern 
Fürſten und die ehemaligen Reichsunmittelbaren, deren Sonderintereſſen fich gern 
unter den Schuß des alten Neichsadlers ftellen mochten, und ſelbſt Hanover war 
dieſen Wünſchen nicht abhold, welchen aber die Beſtimmungen des pariſer Friedens 
ſowol als die vorhergegangenen Unterhandlungen und die Anſichten der größern 
deutſchen Mächte unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenſeßten. Preußen ſuchte 
daher in ſeinen Verfaſſungsentwürfen die Bürgſchaft der Einheit Deutſchlands 
nicht, wie jene, in der Wiederherſtellung abgelebter Formen, ſondern in einem po- 
litiſchen Bande unter den verſchiedenen Staaten, das durch eine kräftige, mit wirf- 
ſamer Vollziehungsmacht ausgeſtattete Centralgewalt feſtgehalten würde. Hat 
doch die Geſchichte der Entwickelung des deutſchen Volks und ſeiner einzelnen 
Stämme ſo genügende Belehrung gegeben, daß kein Unbefangenerdas Band der Ein- 
heit in etwas Anderm als einem, die Unabhängigkeit des Gefammtvereind wie die 
Freiheit der einzelnen Staaten und ihrer Bürger bef chüsenden Bunde finden kann. 
Betrachten wir aber alle Entwürfe, die bei jenen Wehen der Wiedergeburt Deutſch- 
lands hervortraten, von einem hôhern Standpunkte, und erwägen wir die lehrrei- 
chen Erfahrungen, die wir ſeitdem bis zum verhängnißvollen 28. Jun. 1832 ma- 
chen mußten, fo drängt fich freilich die Frage auf, ob denn der Bund, aud wenn 
jene wohlthätigen Vorſchläge zur Gründung eines feſten Rechtszuſtandes und einer 
fráftigen Vollziehungsgewalt wären ausgeführt worden, den deutſchen Völkern eine 
vollftändige Schugmehr hätte geben Eönnen. Blieb nicht die Bollziehungsgewalt 
ausfchliegend in den Händen der Fürftengefandten? Wo gab es, wenn diefe ihre 
Vollmacht von der Willkür empfingen, eine Bürgſchaft für die ſtaatsbürgerliche 
Freiheit 2 Wie unabhängig auch das vorgeſchlagene Bundesgericht ſtehen mochte, 
es konnte den Völkern nicht einen wirkſamen Schuß gewähren, ohne ſchirmende 
Verfaſſungsformen in den einzelnen Staaten. Eine nothwendige Vorausfegung 
für die vollſtändige Sicherung des Rechtszuſtandes war daher eine jolche Verfaſſung 
der einzelnen deutſchen Staaten, welche die Rechte der Stagtsbürger gewährleiſtete 
und ſie unter den Schug einer Velfswortführung und einer verfaſſungsmäßigen 
ne des luxemburgiſchen Geſandten. -Acten des wiener Congreſſes, Bd, 2, 
 
	        
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