Full text: A bis E (1. Band)

  
678 Deutſchland 
feglichkeit und Vertrauen auffodernd ; der Fürſt von Schwarzburg-Sondershauſen, 
der feinen Beamten ein freundliches, „dem Beitgeifte anngemeffenes’ Benehmen ges 
gen die Unterthanen empfahl und eine Verfaſſung mit Volksvertretung verhieß ; ſo 
der Großherzog von Oldenburg, der daſſelbe Verſprechen gab und die Neugeſtaltung 
der Verfaſſung alsbald auf der Grundlage einer Gemeindeordnung begann. 
Das gemeinfchaftliche Ergebniß jener Bewegungen war die Ummandlung der 
alten ſtändiſchen Verfaſſung in eine Volksvertretung, wobei die in den ſüddeutſchen 
Staaten beſtehenden Verfaſſungen mehr oder minder zum Muſter dienten, wie in 
Sachſen die badifche ausdrüdlic zum Vorbilde genommen ward. Jn Sachſen 
wurde zu gleicher Zeit zur Umbildung dcs Städteweſens geſchritten, deſſen Gebre- 
chen und Verwaltungsmisbräuche den nächſten Anlaß zur Volksbewegung gegeben 
hatten. Eine andere gemeinſame neue Anſtalt waren die Bürgergarden, die in 
mehren Staaten nach dem Ausbruche des Aufftandes gebildet wurden, um Freiheit 
und Eigenthbum gegen die Gefeglofigkeit zu fchügen, und nach der Miederherftel- 
lung der Ordnung vereinigt blieben, neue Störungen abzuwehren. Dieſe in ihrer 
Bedeutung wichtige Einrichtung erhielt in Kurheſſen, Sachſen und Braunſchweig 
ihre vollſtändigſte Ausbildung, ward aber nur in Heſſen durch die Verfaſſungs- 
urkunde ($. 40) als eine bleibende Anſtalt für die Städte und Landgemeinden vers 
bürgt, wiewol die Bürgerbewaffnung auch in Sachſen, unter einem General= 
commando aller ſtädtiſchen Communalgarden vereinigt und durch eine beſondere 
Verordnung eingerichtet, thatfachlich zu einer Landesanſtalt fich ausgebildet hat. 
Gemeinſchaftliche Grundzúge dieſer Anſtalt ſind, daß jeder in ſelbſtändigen bür- 
gerlichen Verhältniſſen lebende waffenfähige Gemeindebewohner bis zum funfzig- 
ſten Lebensjahre zum Eintritt in die Bürgergarde verpflichtet iſt, daß die Mitglie= 
der derſelben ihre Offiziere und gewöhnlich auch ihre Unteroffiziere und eine Anzahl 
von Beiſigern der Verwaltungs- und Gerichtsbehörde der Bürgergarde durch 
Stimmenmehrheit wählen, und daß die Bürgerwehr unter den Befehlen der Civil- 
behörden ſteht. Der Zwe> der Bürgergarde iſt die Mitwirkung zur Erhaltung der 
öffentlichen Ruhe und geſeßlichen Ordnung ; ſie ſoll „dem Geſeß eine ftets bereite 
Stüse fchaffen‘, wie das kurheſſiſhe Bürgergardengeſeß vom 23. Jun. 1832 
ſagt; in Kurheſſen aber iſt ſie, nach jenem Geſet und nach der Verfaſſungsurkunde, 
auch zur Landesvertheidigung gegen den eindringenden Feind, jedoch nur innerhalb 
der Grenzen des Staats, verpflichtet, wenn fie von dem Landesfürſten mit Zu- 
ſtimmung der Landſtände aufgerufen wird. Jſt jener Zwe> der nächſte, ſo hat die 
bürgerthümliche Wehranſtalt doch noch einen höhern, der in dem heſſiſchen Bür- 
gergardengeſeß angedeutet wird, wenn es ($. 50) von jedem Mitgliede das feier- 
liche Verſprechen fodert, auch zur Aufrechthaltung der Verfaſſung mitzuwirken, 
und einen nicht minder wichtigen, den die fächfifche Verordnung über die Errichtung 
der Communalgarden vom 29. Nov. 1830 ausfpricht, die Beförderung des bür- 
gerlichen Gemeinfinnes. Als in der Stunde der Gefahr die Bürgerwehren ſich 
bildeten, als die Fürſten eine Wache des Gefees fuchten und verteauend die Hand 
treuer Bürger bewaffneten, da traten dieſe überall zwiſchen Regierung und Volks: 
aufſtand \{üßend und erhaltend ein. Sie haben in jenen Augenbli>èn dunkel ges 
fühlt, was ſpäter zu hellerm Bewußtſein gelangte, daß fie, während fie auf der 
einen Seite die Geſebloſigkeit abwehrten und niederdrüdten, auf der andern eine 
Bürgſchaft für Rechtsgewährungen errangen, daß ſie die Selbſtändigkeit des 
Bürgerkhums ankündigten , daß es die Beſtimmung dieſer Anſtalt war, zwiſchen 
Willkürherrſchaft und Geſebloſigkeit die Herrſchaft einer gefeglichen Verfaſſung 
hinzuſtellen. Bildet die Bürgerwehr ſih weiter aus und gelangt mit ihr der con: 
ſtitutionnelle Geiſt zu voller Entwi>elung, ſo wird ſie auh zur Aufhebung bür- 
gerlicher Ungleichheit beitragen, und ein Mittelpunkt werden, wo die Theilnahme 
am öffentlichen Leben gekräftigt wird, und je weiter ſie über Deutſchland ſich ver- 
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