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Diplomatie 61
auf die unfoandelbaren Ausfprüch? einer von der menfhlichen Willen unabhängt:
gen Gerechtigkeit beruft, mit der alten Frage entgegenkommt: Biſk bu! es, die
Jsrael verwirret? Dieſer Unwiſſenſchaftlichkeit der Diplomatie iſt es zuzuſchrei-
ben, daß fie ſich ſo oft mit Einrichtungen des Völkerrechts begnügt , welche üur für
den Augenbli> die Machthabenden befciedigen, Und die aus allerlei zufälligen Ver-
bindungen und zum Theil perſönlichen Rüdfichten entſpringenden Verwickelungen
öfters mehr verdeckten als Löfen, anftatt nach einem allgemeinen Princip des Rechts
und der natürlichen Ordnung nafurgemäße und alſo auch dauerhafte Verhältniſſe
herzuſtellen, Daher war fchon 1803 die Ausführung der Säcularifationen und
Entſchädigungen der weltlichen Souveraine durch die kirchlichèn Befigungen fo
großen Einwoürfen ausgeſest; daher erregten 1806 die ohne irgend ein feftes Prin:
cip und nach bloßen zufälligen Convenienzen vorgenommenen Mediatiſirungen deut-
ſcher Fürftenhäufer fo große und allgemeine Unzufriedenheit. Daher haben aud)
die Verhandlungen des wiener Congreſſes in ſo vielen Punkten ihren Zwe>, mittels
einer angemeſſenen Vertheilung der Macht (das alte, völlig unhaltbare Syſtem dcs
Gleichgewichts) und in einer gemieinſchaftlichen Bekämpfung aller gewaltſamen
Neuerungen Europa den Frieden zu ſichern, dieſen an ſich erhabenen Zwe>, für
welchen damals Alle oder doch ſehr Viele mit reinem Eifer wirkten, fo wenig zu er-
reichen vermo<ht. Nur mit außerordentlicher Anſtrengung und mit größer Nach-
giebigkeit in den Principien, indem bald England das von ihm beſtrittene Recht
der Sntervention dennoch ausüben ließ und felbft ausübte, bald die andern Mächte
Uſurpationen geſtatteten, konnte der allgemeine Friede bis jebt erhalten werden,
aber ein Friede, welcher nur eine mühſame Zurückhaltung des Kriegs iſt. Aller:
dings muß man auch dafür dankbar ſein, denn Niemand weiß, welche Verheerun-
gen ein neuer Krieg über die Länder bringen, wie weit er die europäiſche Cultur
zurü>rwerfen werde, umd die große Thätigkeit, wodurch die europäiſche Diplomatie
dieſe Gefahr bis jebt vermieden hat, iſt alſo jedenfalls ein nicht fleines Verdienſt.
Die Diplomatie befindet fich gleichfam in einer Permanenz der Congreſſe, denn
obgleich ſeit 1822 die Monarchen nicht mehr perſönlich zuſammengekommen ſind,
ſo iſt doch ſeitdem wol kein Zeitabſchnitt zu finden, in welchem nicht eine oder mehre
der großen europäiſchen Angelegenheiten, das Schiefal Griechenlands und der
Pforte, der füdamerikanifchen Colonien, Portugals, Belgiens und Ftaliens, in
gemeinfchaftlichen Gonferenzen der fünf leitenden Mächte behandelt worden wären.
Dieſes Zufammentreten Englands, Frankreichs, Oſtreichs , Preußens und Ruß:
lands ift die bedeutendfte Eigenthümlichkeit der neuern Diplomatie, welche durch
ein ſtillſhweigendes Anerkennen der übrigen Staaten ſchon beinahe für ein feſt-
ſtehendes Princip des europäiſchen Völkerrechts gehalten werden könnte, ſo ſehr
auch bis vor einigen Jahren England dagegen proteſtirte, daß in dieſem Zuſam-
menwirken der fünf Mächte oder einiger von ihnen irgend ein Anſpruch auf Di-
rection gegen andere Staaten liegen dürfe. Es läßt fich eine ſolche dirigirende
Autorität gar nicht von dem Zwecke, der Erhaltung des Friedens, abſondern, wel:
chen die fünf Mächte bci dieſem Zuſammenwirken vor Augen haben, und die lon-
doner Conferenz erſcheint gegen Holland und Belgien doch ganz auf dem Stand-
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punkt eines Völkertribunals , ſie kann auh nur von einem ſolchen Standpunkt |
aus ihren Zweck erreichen, wenn auch einestheils die förmliche Zueignung einer
ſolchen Autorität vermieden wird, anderntheils auh die verbündeten Mächte
nicht in allen Fällen und Beziehungen gemeinfchaftlich handeln. Denn fo ift Eng:
land früher von den neapolitaniſchen und ſpaniſchen Angelegenheiten zurü>getre-
ten; fo haben fich Oftreich und Preußen von den griechiſchen zurücgezogen, und
ſeit dem Auguſt 1826 dieſen Gegenſtand der Vermittelung Rußlands, Eng-
lands und Frankreichs allein Überlaſſen ; ſo haben zwar in der Sache Hollands und
Belgiens die fünf Mächte bis jezt noh ſämmtlich Theil genommen, allein wenn
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