Die europäifchen Nahrungspflanzen.
Hülfenfrüchte und Blattgetreide.
Die Hülfenfrüchte (Leguminofen), welche zu den höchft entwickelten
Gewächfen und nährftoffreichften Nutzpflanzen gehören, zählen zu denälteren Cul-
turpflanzen, und fchon feit lange wird ihr die Halmfrüchte zunächft unterftützender
Anbau in Mitteleuropa betrieben. Dennoch wird ihrer Cultur auch von rationellen
Landwirthen nicht diejenige Aufmerkfamkeit zugewendet, die ihnen ihres grofsen
Nahrungsgehaltes wegen, welcher fie zu einem der intenfivften Nahrungsmittel,
befonders der arbeitenden Claffe, geftaltet, und der durch die Hervorbringung
der Befchattungsgahre bewirkten Verbefferung der phyfikalifchen Befchaffenheit
des Bodens gebührt. Die grofse Unficherheit und geringe Ertragsfähigkeit der
Hülfenfrüchte mag in erfter Reihe an diefer Erfcheinung Schuld fein. Allgemein
wird die Erbfe (Pisum sativum L.) als Brachfrucht und Zwifchenpflanze angebaut,
nebft derfelben Linfen (Ervum L.), in manchen Gegenden Ackerbohnen (Vicia
faba), in neuerer Zeit auch vielfach Wicken (Vicia sativa L.) und Lupinen (Lupi-
rus L.); weniger verbreitet ift das Blattgetreide: Buchweizen oder Heidekorn
(Polygonum fagopyrum L.), obzwar es als Stoppelfutter viel und gutes Milchfutter
liefert.
Im Allgemeinen ift aber dennoch der Anbau von Hülfenfrüchten in Mittel-
europa ftärker als der eigene Bedarf, und da der Deutfche die Erbfen, die
Lieblingsfpeife der Slaven, nicht gern geniefst, ja diefelbe felbft dem dienenden
Volke eine ungewohnte und unliebfame Speife ift, fo wird alljährlich ein Theil
des Ueberfchuffes hauptfächlich feewärts nach Grofsbritannien, Schweden, Nor-
wegen und Dänemark abgefetzt. Die Einfuhr von Hülfenfrüchten — hauptfächlich
aus Oefterreich — in den freien Verkehr des Zollvereins und die Ausfuhr aus dem-
felben war in den Jahren 1807 bis 1871 folgende:
Einfuhr Ausfuhr
1867 570.196 639.347 Scheffel
1868 2,323.7.73 1,508.018 -
1809 894.509 1,743.138 -
1870 1,938.448 2,653.810
1871 1,085.758 1,922.462 “
5jähriger Durchfchnitt: 2.303.537 1,693.476 Scheffel.
Auf der Weltausftellung war diefe vielgeftaltige und fo überaus nützliche
Familie derSchmetterlingsblüthler(Leguminofen) in unzäbligen und reich-
haltigen Proben ausgeftellt. Obenan ftand dieSpeifebohne (Phafeolus). Von
der „Phafeole* waren viele Proben und Colledtionen in faft unüberfichtlicher
Mannigfaltigkeit der Gröfse, Form und Farben der Samen vorhanden, die meiften
und vorzüglichften aus den Ländern der Region des Mais- und Reisbaues. Deutfch-
land und Oefterreich-Ungarn ftellten manche Proben der gemeinen Stangenbohne
(Ph. vulgarisL.), wo fiein zahlreichen Varietäten cultivirt wird, fowie auch der Feuer-
bohne (Ph. vulgaris coccineus L.) aus; wir nennen blos die von Aurelia Mikuliez
(Bukovina) vorgeführte Zufammenftellung derFifolen, die von der Kanitzer Gutsver-
waltung (Mähren) ausgeflellte fchwarze Spargelbohne, der Metzen 89 Pfund fchwer,
die in der Ausftellung der Bodenerzeugniffe Steiermarks vorhandenen Granat- und
Salatfifolen, weifse, länglichovale Reisfifolen, die aus Krain exponirten grofsen
weifsen ruffifchen Stangenfifolen und längliche kroatifche Stangenfifolen, rethbraun
mit fchwarzen Zeichnungen. Namentlich haben Ungarn und feine Nebenländer
fchöne Colledtionen von Phafeolen vorgeführt. Spanien und Portugal excelliren
in Bohnenfammlungen, von der fehr kleinen weifsen Speifebohne an bis zu der
grofsen fchwarzen Stangenbohne, darunter fchöne Proben der oftindifchen Bohne
(Dolichos), auch Frankreich und Italien, wo namentlich die fchöne Bohnenfamm-
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