4 Ant. Adam Schmied.
Wirthfchaft dauernd zu erzielen. Die landwirthfchaftliche Intelligenz, auf dem
Wege der richtigen Schulbildung und rationellen Praxis gewonnen, fteht aber
obenan: das Verftändnifs der Naturwirkfamkeit im -Ackerboden, im Pflanzenbau
und der Viehzucht, fowie der Gefetze der Volkswirthfchaft, das ift, obzwar häu-
fig darauf vergeffen wird, gerade der ftärkfte Productionsfadtor; mit ihm allein
läfst fich verftändig intenfiv wirthfchaften. Durch die fachgemäfse Anwendung
aller vorgenannten Fadtoren haben die Engländer ihren Betrieb zu einer wahrhaft
intenfiven Wirthfchaft geftaltet.
In dem feuchten, nebeligen Klima wird mit Recht der Anbau der Körner-
früchte befchränkt, dagegen die Cultur der Futterpflanzen nach Möglichkeit aus-
gedehnt. Im Durchfchnitt hat man in England in der Grasregion (weftlicher
Theil) 245 Percent Körnerbau (fammt Bohnen und Erbfen, 2
treide), in der Getreideregion (öftlicher Theil) dagegen 42'1 Percent Körnerbau
(36 Percent Getreidebau) ; Brache wird in erfter Region 2'5, in zweiter 3 Percent
gehalten. Trotz des in hoher Blüthe ftehenden Ackerbaues ift doch der Ertrag
der 26 Millionen Acres des beftellten Landes für die Bevölkerung nicht genügend,
fo dafs alljährlich grofse Mengen an Nahrungsmitteln, Getreide, Tabak und
anderen Rohftoffen importirt werden. Von dem Confum des Landes, welcher jähr-
lich 64 Millionen Hektoliter beträgt, werden kaum zwei Dritttheile, ja in einzelnen
Jahren kaum die Hälfte producirt, der Reft aus Nordamerika und Rufsland ein-
geführt. So betrug die Einfuhr im Jahre 1871 : 39,407.046 Centner Weizen,
36,428.064 Centner anderer Cerealien und 3,984.638 Centner Weizenmehl.
Das oceanifche Klima und die bindig-feuchte Bodenbefchaffenheit haben
auf die Entwicklung der Culturgewächfe einen entfcheidenden Einflufs, wie es
am beften aus dem Stickftoffgehalte des Getreides erhellt. Derfelbe wächft näm-
lich in Europa mit der vom Weften nach Often vorrückenden Lage. In Schottland
hat der Weizen in 100 trockenen Theilen im Mittel 2'01 Percent Stickftoff, in
Mittelfrankreich 2:08, in Baiern 2:20, in Mähren 2'36, Polen 2'608, im euro-
päifchen Rufsland 3°58 Percent Stickftoff. So erklärt fich der Satz, dafs continen-
tales Klima (hohe Sommerwärme und geringer Regenfall) hohen Stickftoffgehalt
in den producirten Weizenforten und den übrigen Getreidearten bedinge.
Dagegen gedeihen in den feuchtwarmen, nebeligen Klimaten ausgezeichnet
alle Futtergewächfe und faftige, üppig grüne Wiefen ziehen fich in den Niede
rungen hin, die hauptfächlichfte Grundlage einer ausgezeichneten Viehzucht bil-
dend. Mit Recht kann der englifche Farmer behaupten: „Unfer ausgedehnter
Futterbau liefert uns das vorzügliche Vieh für den Weltmarkt und ift für unfere
Wirthfchaften der befte Handelsgewächsbau.“ Die Viehzucht ift auch die Haupt-
ftärke der englifchen Landwirthfchaft; man findet dafelbft edle Pferde, 2 Racen,
ausgezeichnete Woll- und Fleifchfchafe, 14 Racen, vorzügliches Rindvieh,
9 Racen, und treffliche Fettfchweine, befonders in Irland. Der Werth des Vieh-
ftandes in Grofsbritannien beträgt circa I4o Millionen Pfund Sterling. Das Vieh,
reducirt auf Grofsvieh, entfällt per Joch in England 2°4 bis 3 Stück, — meift
hochgezüchtete Kunftproducte einer intelligent geleiteten Thierzucht.
Obwohl das Züchtungsziel der natürlichen Zuchtwahl die möglichite
Anpaffung des Thieres an die Exiftenzbedingungen ift, kann doch die That-
fache nicht geläugnet werden, dafs die Thier- und Pflanzenarten den künt-
lichen Züchtungsbeftrebungen des Menfchen nachgeben, d.h. ihre Eigenfchaften
auf deffen zielbewufste Anordnung in der gewünfchten Richtung wirklich und
dauernd verändern. Die hochedle Thierzucht Englands ift hiefür der befte
Beweis; durch confequente planmäfsige Züchtung hat man, namentlich in der
Rindvieh- und Schweinezucht, Refultate erzielt, welche dazu beftimmt zu fein
fcheinen, als Weltracen, durch äufserft vortheilhaften Körperbau und rafche
Entwicklung, befonders aber durch rafche und hohe Verwerthung des Futters, im
hohen Grade auszeichnet, auf die Rindvieh- und Schweinezucht der Erde ihren
veredelnden Einflufs auszuüben.
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