Full text: Die Feldwirthschaft (Heft 71)

      
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
    
  
  
     
  
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Dr. Julius Wiesner. 
  
felbft. Wer die ungemein feften und fchönen indifchen, aus diefem Materiale 
gefertigten Seile und Bindfaden gefehen hat, und ferner weifs, dafs die rohe 
Ramiefafer an Feftigkeit und Dauerhaftigkeit die Hanffafer weit überfteigt, mufs 
die Einführung derfelben in unfer Seilergewerbe als einenFortfchritt bezeichnen. 
Mit Ramie find bekanntlich — felbft in Mitteleuropa — in neuerer Zeit 
vielfäche Acclimatifationsverfuche gemacht worden. Es haben wohl nicht alle 
diefer Experimente ein pofitives Refultat gehabt. Die aus den warmen Ländern 
zur Ausftellung gebrachten Ramieproben ftanden gegen die Faferftoffe aus den 
Heimatländern der genannten Pflanze nicht zurück. 
Aehnlich wie mit der Ramiefafer, verhält es fich mit dem in Europa — 
nämlich in England — fchon länger bekannten neu feeländifchen Flachs. 
Es ift diefs eine aus dem Blatte von Phormium tenax (neufeeländifche Flachslilie) 
bereitete fehr fefte, zähe, auch im naffen Zuftande fehr dauerhafte Fafer. Wie 
manche der zahlreichen Proben, welche Neufeefand zur Schau ftellte, lehrte, 
laffen fich aus dem neufeeländifchen Flachfe Gewebe und Gefpinnfte erzeugen, 
die gebleicht und ungebleicht in Verwendung kommen können. Ungleich wich- 
tiger, als diefe, find jedoch‘ die aufserordentlich widerftandsfähigen und feften 
Bindfaden, Seile und Taue, die fich aus diefer Fafer herftellen laffen. — Phor- 
mium tenax wird nicht nur in Neufeeland und Neuholland, Oftindien, Weftindien, 
Mauritius, Reunion und Natal gebaut; auch im Süden Europas kommt die Pflanze 
fort, keineswegs gedeiht fie aber da fo üppig, als dafs Hoffnung vorhanden wäre, 
von dort her die Fafer einmal für den Handel zu erhalten. Die bedeutendften 
Produdtionsländer des neufeeländifchen Flachfes find Neufeeland und Neu- 
füdwales. 
Im europäifchen Handel noch ganz unbekannt find zwei oftindifche Fafern, 
welche unter den englifchen Colonialprodudten zu fehen waren, die an Feftigkeit 
alle anderen bis jetzt bekannten vegetabilifchen Textilftoffe überragen, näm- 
lich die Vercum fibre und die Jeteefibre. Beide ftammen von Pflanzen 
aus der Familie der Asclepiadeen her; erftere ift die Baftfafer von Calotropis 
gigantea, letztere die Baftfafer von Marsdenia tenacissima. 
Während ein Jutefeil fchon bei einer Belaftung von 140 Gewichtseinheiten 
zerreifst, verträgt ein Seil aus der Jeteefafer bei gleichem Querfchnitt eine Bela- 
ftung von 248 Gewichtseinheiten. Zur Herftellung von Seilerwaaren, welche hohe 
Feftigkeit befitzen follen, wären die beiden genannten Fafern zu empfehlen. 
Der Fafer Sunn möge endlich auch von unferen Hanf und groben Flachs 
verarbeitenden Induftriellen einige Aufmerkfamkeit zugewendet werden. Es ift 
diefs ein fehr fefter Faferftoff, den man in Indien fchon feit Langem aus der zu 
den fchmetterlingsblüthigen Gewächfen gehörigen Crotalaria juncea, welche im 
Süden Afiens namentlich in Indien, auf Java nnd Borneo cultivirt wird, abfchei- 
det. Die letzte Parifer Ausftellung hat ihn zur Anfchauung gebracht, wir machten 
im Berichte über jene Weltausftellung darauf aufmerkfam, doch wie es fcheint 
ohne Erfolg. In England hat er jedoch in den letzten Jahren Eingang gefunden. 
Der Sunn fieht allerdings nicht fehr empfehlenswerth aus, da die im Handel 
erfcheinende Waare ftets einen wergartigen Charakter hat. Es liegt diefs aber in 
dem bis jetzt üblichenfehr primitiven Röftverfahren. Durch eine vervollkommnetere 
Abfcheidungsmethode wird der Faferftoff an Feinheit und Gleichmäfsigkeit 
gewinnen. Feftigkeit und Widerftandskraft gegen den Wechfel von feucht und 
trocken zeichnen auch diefe Fafer aus. In einer Eigenfchaft übertrifft der Sunn — 
fo weit die bis jetzt angeftellten Verfuche reichen — alle anderen bekannten 
Faferftoffe, nämlich in feiner geringen Hygrofkopicität. Während diefe Roh 
ftoffe gewöhnlich bis 16 und 22 Percent Waffer aus der Luft aufzunehmen 
vermögen, ja felbft einige exiftiren, die 40 und 50 Gewichtspercente Waffer 
in feuchter Luft fich aneignen können, nimmt der Sunn, welcher bei gewöhn- 
licher Luftfeuchtigkeit blos 5 bis 6 Percent Waffer enthält, blos ıo bis Ir Percent 
Waffer im feuchten Raume auf. Für den Käufer ift diefe Eigenfchaft aber umfo-
	        
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