Feldwirthfchaft.
Von den beiden auch in gewöhnlichen Erntejahren der relativ bedeutend-
ten fremden Zufuhr bedürfenden Ländern, England und der Schweiz, führt das
E jährlich 3,169.543 Centner (Durchfchnittseinfuhr von 1859 bis 1862)
bis 3'911.572 Centner (im Jahre 1871) Getreide und Mehl ein, meiftens aus Deutfch-
land und Oefterreich, während England die enormen Quantitäten von 62,278.170
Centner (im Jahre 18068) bis 79,820.948 Centner (im Jahre 1871) Weizen, andere
Cerealien und Weizenmehl, zum gröfsten Theile aus Nordamerika und Rufsland
jährlich importirt.
Die agricole Ausftellung der Schweiz war in befcheidenen Dimenfionen
angelegt. Einige Nahrungspflanzen, Getreide verfchiedener Art, Alpenheu, Roh-
tabak, Flachs und Hanffamen, gedörrtes Obft, eine Riefenpyramide der Dofen mit
condenfirter Milch, einige Schriften über Bienenzucht und dergl. bildeten die Expo-
fition, die keinesfalls geeignet war, über die landwirthfchaftlichen Verhältniffe
er Schweiz einen klaren Auffchlufs zu bieten.
Italien, das Land der Kunft und uralter Gewerbthätigkeit, das ältefte
Culturland Europas, weil es das Land einer feit Jahrtaufenden niemals dauernd
terbrochenen hochgradigen Civilifation ift, nimmt in der Landwirthfchaft keine
befonders hervorragende Stelle ein. Und doch ift der Boden gröfstentheils cultur-
hig, theilweife durch höchfte Fruchtbarkeit ausgezeichnet, das Klima mild und
ein, alle Einflüffe einer üppigen Vegetation fehr günftig. Im Norden des König-
reiches Italien ift der Grundbelitz fehr zerftückelt, im Süden herrfcht dagegen
der Grofsgrundbefitz vor, defsgleichen in den Marken und in der Romagna; in
der römifchen Campagna ift der Grundbefitz in Händen weniger Befitzer und
zum gröfseren Theile in todter Hand, wefshalb dort auch die Zerftückelung nur
ausnahmsweife vorkommt. Obzwar der Ackerbau über ein Drittel der Bevölkerung
einfchliefslich circa 300.000 Hirten) ernährt, ift doch die Zahl der Grundeigenthü-
mer im Allgemeinen gering (604.437). Defshalb herrfcht in Italien, ähnlich wie in
Frankreich und Spanien, die Halbfcheid-Wirthfchaft (Mezzaria), eine Naturalpacht,
bei welcher der Eigenthümer den angebauten Grund, die Colonenfamilie aber das
Betriebscapital und die Arbeit zu einem gemeinfchaftlichen Zwecke beitragen.
Da diefer Vertrag die Bodencultur den Kenntniffen, Fähigkeiten und Mitteln des
Bauers überlaffen, fo ift die Folge hievon ein Zurückbleiben des Ackerbaues
hinter der Zeit, da der kleine Mann unverrückt am Hergebrachten haftet. Aus
diefem Grunde ift die Ag her fehr vernachläffigt, nur im
Norden und um Neapel ausgezeichnet. Hier fpielen die Bewäfferungen eine bedeu-
tende Rolle; in der Lombardei befonders gibt es ein vollftändig organifirtes
Bewäfferungsfyftem, welches in eine fehr alte Zeit hinaufreicht. Das höchtft voll-
kommen ausgebildete Canalifations- und Bewäfferungsfyftem ermöglicht es, dafs
z. B. im Dreieck zwifchen Mailand, Pavia und Lodi auf 146.000 Hektaren Wiefen
iiber 100.000 Stück Hornvieh ernährt werden können.
Im Allgemeinen wird der Ackerbau in althergebrachter Weife betrieben ;
cultur in Italien bis
die Viehzucht ift in der Regel vernachläffigt ; neben in nicht hinreichender Menge
erzeugtem Stalldünger verwendet man den Kunftdünger nur in geringerer Menge
und die Mafchinen werden bisher nicht allgemein gebraucht. Diefs Alles hat einen
Rückgang in der Ackerprodudtion zur Folge. Das neapolitanifche und piemonte-
fifiche Getreide ift ftets von vortrefflicher Güte, aber fein Anbau, der fich nur in
Neapel um etwa 25 Percent vermehrt hat, ift überall der gleiche geblieben und
leckt den eigenen Bedarf kaum. Im Jahre 1870 find 5'02 Millionen Centner
und Mehl, zum grofsen Theil aus Ungarn und Rufsland eingeführt, und
nur 3:33 Millionen Centner ausgeführt worden. Als Handelspflanzen könnten der
Tabak und die Baumwolle vorzügliche Erfolge erzielen; letztere würde fehr
rünftige Bedingungen in Süditalien finden. Zucht des Maulbeerbaumes ift befon-
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1%,
ders in Norditalien blühend, der Reisbau vermehrt fich immer mehr und die
Production des Weinftockes erweitert fich in erfreulichem Mafse.