86 Dr. Eduard Schmidt.
aber auch an anderen Orten werden ganz feine Liqueure fabricirt und ftehen
in der Gunft des Publicums ; wir verweifen nur auf die Chartreufe und Benedictine.
Mit Verdienftmedaillen ausgezeichnet wurden für eine grofse Auswahl
feinerer Crömes und Liqueurs die Firmen M. Brizard & Boger von Bordeaux,
Cufenier & Cie. von Paris, P. Dandicolle & Gaudin von Bordeaux,
A. Lamart fils von Calais, Legrand von Paris, für feinere Liqueure, „La Bene-
dietine“, Marchand freres von Paris, G. Rochat von Lyon. Nicht unerwähnt
dürfen wir dieFabrication des amerikanifchen „Bitter“ laffen, welcher vor einigen
Jahren aus den Vereinigten Staaten Amerikas eingeführt, jetzt aber aus Frank-
reich, als viel feiner, nach dorthin bedeutend exportirt wird. Die Subftanzen,
welche dazu verwendet werden find Enzianwurzeln, Wermuthkraut, entmarkte
Pomeranzenfchalen und etwas frifche Pomeranzenblüthen, aus welchen eine
Tinctur von 40 Percent Alkohol bereitet und mit Zucker verfetzt wird. Schliefslich
müffen wir auch des Wermuths gedenken, welcher im füdlichen Frankreich aus
Wermuthkraut mit Wein, dem man 5 bis 6 Percent Weinfprit und ungefähr 10 Per-
cent Muscatwein hinzufetzt, bereitet wird. Die jährliche Production von Wermuth
foll bei 300.000 Hektoliter betragen, wovon die Hälfte von Bordeaux und Cette
exportirt wird, Die Preife der franzöfifchen Weinbranntweine und Liqueure
variiren je nach dem Alter und der Feinheit des Bouquets von 3 bis 12 Francs per
Flafche.
Effige. Frankreich ift in der glücklichen Lage, feine Speife-Effige
gröfstentheils aus Wein in vorzüglichfter Qualität nach dem verbefferten Verfahren
Pafteur’s in der Umgebung von Orleans, Montpellier und Nimes erzeugen zu
können und damit trotz der hohen Preife von 30 bis 60 Francs per Hektoliter
einen bedeutenden Export zu erzielen. Die franzöfifchen Effige haben neben dem
allen Weineffigen eigenthümlichen ätherartigen und erfrifchenden feinen Gefchmack
die Eigenfchaft, ftets klar zu verbleiben und nie kahmig zu werden, und foll diefs nach
Pafteur’s Beobachtungen durch Erwärmen des Weines vorder Effigfabrication, fowie
des einmal fertigen Effigs erzielt werden. Die von Laroque aus Bordeaux
fowie von den landwirthfchaftlichen Gefellfchaften von Montpellier
und Nimes ausgeftellten Effige waren ausgezeichnet fein und wurden von der
Jury prämiirt.
Algerien und die franzöfifchen Colonien find durch 108 Aus-
fteller in der Section C der Gruppe IV vertreten. Durch die Entwicklung der
Weincultur und Landwirthfchaft im Allgemeinen, durch eine reiche Production an
Getreide und an zuckerhaltigen Subftanzen hat die Spiritusfabrication in Algerien
den geeigneten Boden für ein gewinnbringendes Gewerbe gefunden, wo der
Abfatz des Productes durch klimatifche Verhältniffe und durch Urbarmachung
einer jungfräulichen Erde bedingt war. Die Coloniften fowie die Armee, bereits
im Mutterlande an den Genufs alkoholifcher Getränke gewöhnt, haben in Algerien
einen fo mafslofen Mifsbrauch mit betäubenden Liqueuren, namentlich von
Abfynth gemacht, dafs fie fich damit mehr als durch das Fieber gefchadet
haben und die Regierung veranlafst wurde, diefes Getränk, nämlich den Abfynth,
zu verbieten.
Durch Schaden klug geworden, verlegte man fich auf die Erzeugung
tonifch ftimulirender Aquavite und Liqueure, welche mit Ingredienzen von Quin-
quina, Enzian, Kalmus, Orangenfchalen, Alkohol und Zucker unter dem Namen
„afrikanifcher Bitter“ (Amer africain) in Philippeville von der Firma Picou in
fehr grofsem Mafsftabe fabricirt wird. Zum Entfchalen der nöthigen Orangen
bedient man fich einiger Mafchinen, von denen jede im Tage 4 bis 5000 Orangen
fchält. Diefe entmarkten Schalen werden mit 60 Percent Sprit digerirt und als
Tindtur bis zur Dettillation aufbewahrt.
Die Stoffe, aus welchen man in Algerien Branntwein und Spiritus gewinnt,
find in erfter Linie Weine und deren Rückftände, die dort fehr billigen Feigen
ar