Full text: Die Thonwaaren-Industrie (Heft 24)

Die Thonwaaren-Induftrie, 7 
Bedeutendes leiftete. Ein gleiches gilt von den Indiern, ja die Anfänge diefer 
Kunft laffen fich verfolgen bis in die Urwälder von Mexico und der füdamerika- 
nifchen Völker. 
Wie fo manche Kunftfertigkeit aber, fo gerieth auch die claffifch antike 
Thonwaaren-Technik in Verfall, um erft wieder in Italien zu Ende des XIV. Jahr- 
hundertes und fpäter in anderen Ländern zur neuen Blüthe zu erwachen. 
Nur wenige Beifpiele von der Verwendung des Backfteines als Rohbau find 
uns aus alter Zeit bekannt. Die gröfsten Bauten der Römer fowie deren Wohn- 
häufer waren wohl aus Ziegeln gemauert, aber meift verputzt. Das Theatrum 
castrense und der Tempio del Dio redicolo bei Rom find folche, auf uns über- 
kommene Ziegel-Rohbauten mit Terracotta-Gliederungen. 
Von einem antik claffifchen Ziegel-Rohbauftil kann daher nicht die Rede 
fein ; ftets bot der gebrannte Thon in leicht handlicher Form zu einer minder koft- 
fpieligen, dem Effedte nach aber mit der Stein- oder Marmorarchitektur gleich 
werthigen Bauweife die Hand. 
Anders wurde es, als im Mittelalter die Thonwaaren-Induftrie Oberitaliens 
neuerdings erblühte und der Ziegel als Erfatz des Baufteines angewendet wurde. 
Anfänglich nur befcheiden hinter den Kalkmörtel gebunden, trat er fofort in feine 
Rechte, als der kunftfertige Italiener des Mittelalters die trefflichen Eigenfchaften 
des Materiales kennen und würdigen lernte. Die Sucht der Künftler der 
fpäteren Gothik und der Frührenaiffance nach neuen Verfahrungsweifen und nach 
einer Bereicherung der ihnen zu Gebote ftehenden Rohmaterialien kam ihm bei 
feinem Kampfe um Selbftftändigkeit wefentlich zu Statten. 
Das Gleiche gilt von anderen -Stoffen, von anderen technifchen Ver- 
fahrungsarten, mit denen das gleichzeitige Kunft-Handwerk Italiens fich berei- 
cherte, die es entweder dem claffifchen Alterthume, geftützt auf etwa noch fort- 
lebende Traditionen, entnahm, oder die es in eigener genialer Conception zu 
erdenken wufste. 
In Venedig, dem Mailändifchen, vornehmlich aber in der Aemilia, blühte 
der Ziegel-Rohbau und hinterliefs uns eine Reihe von Prachtbauten, reich, faft 
überreich decorirt mit Thonornament, das, dem Rohftoffe und feinen fpecififchen 
Eigenfchaiten volle Rechnung tragend, bei allen Gliederungen der Architektur, 
meift ftirenge im Stil gehalten, ausgeführt wurde, was übrigens nicht ausfchlofs, 
dafs auch Steinornamente mit im Ziegel-Rohbau verwendet wurden. Bolognas 
Bauten, wo grofse, aus Ziegeln aufgeführte Säulen reiche Sandftein-Capitäle tragen, 
find hievon ein Beifpiel. 
Zur höchften Entwicklung gelangte die Verwendung der Thonwaare zu 
den Zwecken der Architektur in den Klofterhöfen und Kirchenfagaden. 
Das reizendfte Bauwerk und das bekanntefte, die Höfe der Certofa bei 
Pavia, mit den hervorfpringenden figuralen Medaillons (eine treffiche Nachbil- 
dung hievon im South-Kenfington-Mufeum in London) entftammt diefer Epoche 
und das in fpät gothifcher Zeit erbaute Ospedale maggiore in Mailand, ein Werk 
Filaretes, entwickelt in feinen zierlich gegliederten gothifchen Fenttern die reichfte 
und elegantefte Architektur, die aus diefem Materiale gedacht werden kann. 
Der Palazzo Bevilacqua in Bologna, der Palazzo della Scrofa in Ferrara 
find berühmte Bauwerke, in denen die Backftein-Architektur bereits eine felbtt- 
ftändige, aber der Ausdrucksweife des Materiales entfprechende Form gefunden 
hat. Auch hier findet man nicht felten und namentlich an den älteren Bauwerken 
bunte Bemalung der Terracotta-Ornamente. 
Aber nicht nur den Zwecken der Architektur wurde der gebrannte Thon 
dienftbar gemacht, auch die Kleinkunft bemächtigte fich diefes leicht zu behan- 
delnden plaftifchen Materiales. 
Abgefehen von deffen Verwendung in der nationalen Töpferei, die dem 
Thongefchirre zur allgemeinften Verwendung verhalf, find uns viele Ausführungen 
von Kunftgegenftänden aus jener Zeit erhalten: Kamine, Vafen, Grabplatten 
 
	        
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