Full text: Die Thonwaaren-Industrie (Heft 24)

Die Thonwaaren-Induftrie, 9 
eröffnete Paffage von den Linden nach der Behrenftrafse, find treffliche Ausfüh- 
rungen, über deren architektonifch künftlerifchen Werth eine Discuffion zuläffig 
fein mag, die aber vom Standpunkte der Thonwaaren-Fabrication hier zu Lande 
gewifs noch Unerreichtes leiften. 
Nicht weniger trefflich find die Ausführungen in England, denen man dort 
allenthalben begegnet. England ift unbeftreitbar das Land der Thonwaare, es hat 
die Technik vervollkommnet und gewifs auch in der allerhäufigften und vielfäl- 
tigften Anwendung erprobt. 
Hier find wir fo recht in das Centrum der Rohbau- und Ziegelarchitektur 
gerathen. Der praktifche Engländer weifs eben die Vortheile diefer Bauweife 
völlig zu würdigen, er erkennt den Werth und dieBilligkeit des Rohbaues für feine 
Wohnhäufer und Induftriebauten und fchätzt die herrliche Verwendbarkeit der 
Terracotta als Decorationsmittel. Die zwei gröfsten und bekannteften Bauten 
Londons, die koloffale Albert-Hall und das South-Kenfington-Mufeum mögen hier 
in Erinnerung gebracht fein. Nicht minder baut man in Amerika faft ausfchliefsend 
ohne Verputz und weifs die dort faft ausnahmsweife mit Mafchinen erzeugten 
Ziegel mit erftaunlich dünnen Fugen und grofser Präcifion zu vereinen. 
In Wien ift die Anwendung diefer Bauweife eigentlich erft feit circa zwanzig 
Jahren verfucht worden. Ein fchlimmerer Anfang als mit dem Baue des Arfenales 
und der Franz-Jofefskaferne um 1851 konnte kaum gedacht werden, und fo war 
es eigentlich der Monumentalbau der neuen Lerchenfelder Kirche, von dem die 
Anwendung der Terracotta als Decorationsmittel des Roh-Mauerwerkes erft fo 
recht datirt. 
Um diefe Zeit fällt denn auch die Einführung der Mafchinen in die Ziegel- 
induftrie. 
Aus den, urfprünglich den Zwecken der Landwirthfchaft dienenden Drain- 
röhren-Preffen, entftand die heutige Ziegelmafchine. Beide kamen in England 
zuerft, anfänglich aber mit wenig Erfolg in Betrieb. 
Die rafch zunehmende Entwicklung der grofsen Städte, der Centren des 
Verkehres eines weitverzweigten Eifenbahn-Netzes, der neu erwachte und durch 
die verfchiedenen Weltausftellungen vielfach angeregte Sinn für Communalbauten 
u. f. f., er vermehrte faft allerorts die Bauthätigkeit und erhob viele Baugewerbe 
zur Fabrication. 
Zu letzteren zählt vor Allem die Ziegelerzeugung. 
Die fteigenden Anforderungen an diefe Induftrie fanden diefelbe allerorts 
zumeift ganz unvorbereitet. Die primitivfte Gewinnung des Thones, deffen Formen 
ohne Berückfichtigung fpecififcher Eigenfchaften gehandhabt wurden, dann aber 
vor Allem das Brennen der Steine, welches unvollkommenes, ungleiches Materiale 
und maffenhaften Ausfchufs gab, und wegen der nothwendigen Mitverwendung des 
Holzes zum Brande fehr koftfpielig war, alle diefe Theile der Ziegelerzeugung 
bedurften einer Verbefferung, denn nur wenig unterfchieden war bis dahin der bei 
der Ziegelerzeugung beobachtete Vorgang von jenem, der den Juden zur Zeit der 
Pharaonen fo vielen Kummer in Egypten machte. Der Mangel an den nöthigen 
Arbeitskräften zwang zuerft zur Aufftellung der Mafchine und if vorzüglich jetzt 
das Motiv ihrer rafcheren Verbreitung, die fie zufehends gewinnt. Vielfache 
Verfuche, meift abzielend auf Continuität des Betriebes oder doch wenigftens 
theilweife Benützung der abgehenden Wärme aus den Brennöfen, führten bis vor 
Kurzem zu keinem nennenswerthen Refultate weder in Oefterreich noch anderen 
Orts. Erft Friedrich Hoffmann in Berlin gebührt das; in neuefter Zeit ihm mit 
vollem Unrechte beftrittene Verdienft, die Frage des Ziegelbrennens wenigftens 
im Principe erfchöpfend gelöft zu haben. Es gefchah diefs durch Anwendung der 
Grundfätze der Siemen’fchen Regeneratorfeuerung in möglichft einfacher Weife 
auf das Brennen von Ziegeln und Kalk. 
Hoffmann’s Ofen fand die rafchefte Aufnahme in allen Ländern, er brachte 
zudem einen Umfchwung hervor im ganzen Syfteme der Ziegelerzeugung, er 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.