Full text: Die Glasindustrie (Heft 89)

   
Das böhmifche Glas. 23 
Porzellan. Die Franzofen, deren Beifpiel wir ja nur in diefem ganzen Genre fol- 
gen, handeln darin viel klüger. Sie halten alle diefe Gemälde viel duftiger und 
zarter, wodurch diefelben weniger aufdringlich erfcheinen und mit dem Material 
fich harmonifcher zu einer Gefammterfcheinung verfchmelzen. Hier allein ift der 
Punkt, der diefe bemalten Glasgefäfse für ein künftlerifches Auge erträglich 
macht. Wir glauben aber auch nicht, dafs fie noch eine lange Dauer haben wer- 
den. Der Gefchmack drängt dahin, jeden Gegenftand nach den innewohnenden 
Kunfteigenfchaften des Materials zu geftalten und zu fchmücken und nicht den 
Nachdruck auf eine fremde Kunftweife zu legen, die zur Hilfe herbeige- 
zogen wird. 
In diefer Beziehung fcheint ein anderer höchft bedeutender Zweig der 
öfterreichifchen Glasinduftrie, der uns noch zur Befprechung obliegt, derjenige 
der Spiegel und Luftres, eine fehr glückliche Richtung einzufchlagen. Die Spiegel 
waren bisher von unferem Standpunkt aus eigentlich von gar keiner Bedeutung, 
denn die Glastafel, die ohnehin künftlerifch nicht in Frage kommt, war meiftens 
vom Auslande geliefert und der Rahmen war Schnitzer-, Tifchler- oder Vergolder- 
arbeit. Neuerdings aber, wie man zu fo vielen alten Kunftweifen zurückkehrt, hat 
man auch die alten böhmifchen Spiegel mit Spiegelrahmen wieder aufgenommen. 
Das Genre ift zwar erft in der barocken Zeit entftanden, und diejenigen Spiegel, 
die uns von diefer Art aus alter Zeit erhalten worden und heute von Alterthums- 
freunden und Kunftfammlern gefucht werden, find meift fehr verzopft in der 
Form des Rahmens, fowie einigermafsen roh in dem eingefchliffenen Ornament. 
Nichtsdeftoweniger find fie decorativ von fehr guter Wirkung, und es war ein 
vollkommen richtiger Gedanke, fie wieder zu beleben und in ihrer Weife zu ver- 
edeln. Das war auf unferer Ausftellung mehrfach gefchehen, z. B. von Jofef Tau- 
fig & Comp. in Wien, fowie auch von der Firma J). &L. Lobmeyr, die fich 
für die Zeichnung der künftlerifchen Gefchicklichkeit Storck’s bedient hatte. 
Wir werden fpäter fehen, dafs auch Frankreich ein paar vortreffliche Beifpiele 
zur Ausftellung gefendet hatte. Ein anderes älteres Genre von künftlerifch ver- 
zierten Spiegeln, welches allein die Firma J. & L. Lobmeyr wieder aufgenommen 
hatte, war dasjenige mit Malereien unmittelbar auf der Spiegelfläche, wobei die 
Gegenftände frei in der Luft zu fchweben fcheinen. Im XV. und XVIIT. Jahr- 
hundert liebte man es, reiche Blumenguirlanden in diefer Weife gewiffermafsen 
frei über den Spiegel zu hängen. Die Beifpiele von Lobmeyr zeigten im oberen 
Halbrund fchwebende Genien, welche von Eifenmenger ausgeführt waren. 
Kehren die Spiegel zu alten Manieren zurück, fo find die Glasluftres eher 
gezwungen, fich davon zu entfernen, um den rechten Weg zu finden. Vorbilder 
find die alten Kryftallluftres mit angehängten prismatifch gefchliffenen Stücken, 
deren Aufgabe es ift, möglichft viel Lichter auszuftrahlen. Diefe Manierift höchft 
vortrefflich für das englifche Glas, weil hier zu dem Licht noch das wunderbare 
Farbenfpiel hinzutritt, wie das oben fchon ausgeführt worden. Aber eben weil 
diefes Farbenfpiel dem böhmifchen Kryftallglafe fehlt oder bei weitem nicht in 
gleichem Mafse zu Gebote fteht, vermag der gleich geformte böhmifche Lufter 
niemals den Effect des englifchen zu erreichen und follte fich daher auf eine 
andere künftlerifche Bafıs ftellen. Diefe andere Bafis ift die der fchönen Form, 
der eleganten Bildung fowohl des Hauptftammes, wie der Seitenarme, welche 
einen fchönen Schwung verlangen, fowie endlich ein gutes Verhältnifs der Theile 
unter einander. Diefe Seite wird von den englifchen Glasluftern vernachläffigt. 
Dafs fie von der böhmifchen Induftrie bereits begriffen worden, zeigten viele Bei- 
fpiele in der zahlreichen und grofsartigen Ausftellung von Glasluftern, welche in 
diefem Sinne fowohl die englifchen, wie die franzöfifchen Euftres, deren z.B, 
Barb&edienne eine Anzahl gröfserer Exemplare ausgeftellt hatte, entfchieden 
übertrafen. Sie übertreffen darin auch ihre älteren Vorbilder, welche, dem XVIII 
Jahrhundert angehörig, höchft felten um die Gefammtfchönheit bekümmert find, 
fondern fich mit dem Lichterfpiel begnügen 
     
   
    
   
  
   
   
    
   
   
   
    
  
   
   
   
   
     
   
  
    
  
  
  
  
  
  
   
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
	        
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