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Conrad Berg.
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recht gefchnitten. Bei uns verfährt man fchneller. Decke und Goldfchnitt
werden ganz feparat verfertigt und der fertige Block wird dann in die Buch-
deckel eingehängt. Diefes Verfahren erfchwert wefentlich das Zuftandebringen
einer exadten, in allen Theilen gleichen Arbeit und felten ftimmen durch
liefe Separatfabrication Decke und Goldfchnitt dem Blicke wohlthuend
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zufammen.
Dasfelve gilt von dem Capital. Bei dem in Frankreich gebundenen Buche
ift gewöhnlich das Capital weibliche Handarbeit; es wird am fertigen Goldfchnitte
mit bunter roher Seide in zwei, drei, auch vier Farben förmlich angewebt, während
das in Wien von Mafchinen gelieferte Capital an den beiden abgefchnittenen
Enden mehr oder weniger ausfranft. Mag ein in Oefterreich gebundenes Buch
noch fo exact und regelrecht ausgeführt fein, das Capital, anfcheinend des
Buches geringfter Theil, ift die Achillesferfe der ganzen Arbeit und der Sach-
verftändige erhebt gegen die beanfpruchte Tadellofigkeit der Arbeit gerechten
Proteft.
Unter den öfterreichifchen Ausftellern ift Franz Rollinger’s Gefchäfts-
bücher-Fabrik vorzugsweife rühmlichft zu erwähnen. Obwohl diefe Firma fafl
hauptfächlich mit der Fabrication von Gefchäftsbüchern fich befafst, liefert fie
auch Prachteinbände jeder Art, gleich gefchmackvoll als gediegen gearbeitet.
Rollinger’s Austtellung liefert den ehrenvollen Beweis, dafs die Buchbinder-
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arbeit in Wien nicht gegen die Leiftungen der Ausfteller anderer Weltftädte
zurückgefetzt zu werden verdient und dafs man auch hier fehr wohl den Anfor-
derungen der Zeit und der veredelten Bildung des Gefchmackes Rechnung zu
tragen verfteht.
Rollinger’s Gefchäftsbücher find fo zu fagen weltbekannt; ihre gefchmack
volle Einfachheit und zweckentfprechende Solidität empfiehlt fie den meift prak-
tifch denkenden Kaufleuten und wohl fchwerlich dürfte ein in Ehren ergrauter
Buchhalter, oder ein im Handelsfache prakticirender Jüngling wo immer dem
Gotte Mercur im Olymp und feinem Chef auf Erden treu dienen, der nicht fchon
in ein von Rollinger gebundenes Buch mehr oder minder namhafte Summen
oder Correfpondenzcopien einfchrieb. Rollinger verwendet bei feiner Gefchäfts-
bücher-Fabrication ftets das befte Material und die Arbeit ift bis in das feinfle
Detail eine höchft folide. Ein Gefchäftsbuch ift durchaus nicht beftimmt, durch
höchfte Eleganz zu imponiren; fchlichte Nettigkeit und Dauerhaftigkeit, handliche
Form und leicht zu bewerkftelligende Flachlegung der Blattfeiten find die Haupt-
bedingungen, die der Gefchäftsmann diefsfalls zu ftellen berechtigt ift und Rol-
linger weifs diefe Grundbedingungen vollkommen zu erfüllen. Er verleiht feinen
Bänden durch leicht gehaltene, theils glatte, theils erhabene und emaillirte Bronce-
verzierungen, Ecken u. f. w. eine gefällige äufsere Hülle. Papier und Raftrirung
{ind vorzüglich, letzteres ift mit nahezu unübertrefilicher Genauigkeit ausgeführt.
Die Bücher laffen fich leicht flach auffchlagen, ein für den Buchführer hoch-
fehätzenswerther Vorzug. Auch die anderen Einbände Rollinger’s find fo folid
als elegant gearbeitet; meift in englifcher und franzöffcher Manier gehalten, ftehen
die Arbeiten Rollinger’s den gedachten Mufterbildern würdig zur Seite und find
nach diefen unftreitig die beften.
Leopold Groner in Wien liefert hauptfächlich Prachtbände und Diplom
decken, alfo eigentlich mehr Kunflleiftungen als Buchbinderarbeit. Seine Aus-
«ftellung zeigte uns leider kein einziges Buch, fie beftand in Diplomenveloppen
fammt dazu gehörigen Caffetten mit reichen Bronce- und Emailbefchlägen. Sehr
anerkennenswerth find die Zeichnungen und Befchläge. Erftere entwirft Groner’s
Bruder, ein tüchtiger Architekt. und letztere liefert der Bronce-Arbeiter Kofch-
mann. DBeider Leiftungen find wahre Meifterwerke. Wie die Zeichnungen,
edel gedacht, finnig und ftilvoll entworfen, verdienten auch die Bronce- und
Emailarbeiten ihrer Reinheit und. trefllichen Ausführung wegen die Fort-
([chrittsmedaille, was von der Jury auch anerkannt wurde