18 Conrad Grefe.
Unter den zahlreichen Verfuchen, welche in Deutfchland zur Verbefferung
oder Vereinfachung der Chromolithographie gemacht wurden, würde der von
Julius Greth in Berlin unternommene und Stenochromie benannte wohl die
radicalften Folgen nach fich ziehen, vorausgefetzt, dafs er fich in der praktifchen
Verwendung bewähren follte, wofür freilich zur Zeit noch die Beweife ausftehen.
Diefe Methode bezweckt durch ein eigenthümliches Verfahren, alle Grundfarben
eines Bildes auf einen Stein zu zeichnen und auch auf einmal zu drucken; diefer
Druck, welcher gewiffermafsen die Stelle der Untermalung eines Bildes einnehmen
foll, würde dann — nach dem Programme — mit 2 bis 3 Lafurfteinen vollendet
werden. Die Sache ift jedenfalls intereffant und mufs im Auge behalten werden.
Eine andere, bereits mehr bewährte Methode, die einzelnen Farbentöne auf
Papier zu zeichnen und von diefem auf die Steine umzudrucken, wird bereits von
mehreren Anftalten mit recht gutem Erfolge angewendet.
Wenn Frankreich durch feine grofsartigen lithograp!
auf dem Gebiete der Technik und Induftrie,fowie durch die Schönheit und Gedie-
genheit feiner Schwarzlithographien, Deutfchland durch feinen Reichthum an
Jlluftrationsarbeiten und die Vortrefflichkeit feiner Aquarellimitationen hervorragt,
fo dominirt dagegen Oefterreich oder, richtiger gefagt, Wien, auf das entfchi
denfte durch feine Oelgemälde-Imitationen, und zwar fowohl durch ihre folid
von allen Hilfsmitteln der Technik unterftützte Ausführung, wie durch die echt
künftlerifche Tendenz, welche bei der Auswahl der nachzubildenden Gemälde vor-
herrfcht. Selbftverfändlich wurde diefe Abtheilung der XI. Gruppe amreichften
und vollftändigften befchickt und, da fie von guter Beleuchtung und fehr ausgiebigem
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ifchen Leiftungen
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Raume unterftützt war, auch in der ehrgeizigen Opferwilligkeit der Ausfteller eine
mächtige Förderung fand, geftaltete fie fich auch zu der am gefchmackvollften und
überfichtlichften arrangirten; fie gewährte den Anblick einer kleinen Kunftaus
ftellung.
Was nun die ausgeftellten Arbeiten felbft betrifft, fo haben wir bereits
darauf hingewiefen, dafs der Schwerpunkt derfelben in die Nachbildung von Oel-
gemälden fiel.
Wir haben bei der Einleitung diefer Befprechung erwähnt, dafs fich die
Chromolithographie an die gröfsten Werke der alten Meifter wagt und find bei
Engländern, Franzofen, Italienern und Holländern mit mehr oder minder Erfolg
diefen lobenswerthen Verfuchen begegnet; am weiteften gingen jedoch in di
Richtung die Wiener Künftler und lithographifchen Anftalten, von denen beifpiel:
weife die Firma Reiffenftein & Röfch das berühmte Gemälde von Tizian
„Madonna mit den Kirfchen“ aus der kaiferlichen Gallerie im Belvedere, in der
Gröfse des Originales, alfo über 40 Wiener Zoll breit, chromolithographifch nach-
bilden liefs und fowohl durch den Eifer des ausführenden Künftlers wie durch die
grofse Sorgfalt der Druckerei ein in jeder Beziehung zufriedenftellendes und unter
allen Umftänden höchft verdienftliches Refultat erzielte.
Sowohl diefe Anftalt, wie jene von Hölzel, Paterno, Haupt und
Czeiger, Katzianer, dann das mit der grofsen neubegründeten Kunftanftalt von
Leop. Sommer & Comp. vereinigte, artiftifche Atelier von Conrad Grefe, ver-
folgen fämmtlich die Richtung, fo viel als nur irgend möglich, die bedeutendften
oder doch mindeftens fehr vorzüglichen Werke moderner oder claffifcher Meifter
mittelft der Lithographie dem grofsen Publicum zugänglich zu machen. Viele
diefer Leiftungen find von wahrhaft künftlerifchem Geifte durchdrungen und
zeigen in jeder Beziehung eine feltene Vollendung.
Die vereinigten Anftalten von Grefe & L. Sommer, fowie jene von
Reiffenftein & Röfch vertraten auch die Aquarellimitation, durch mehr
als 200 Blätter, und zwar erftere durch die grofsen Prachtwerke über die
deutfchen Alpen, Egypten, Rofen u. f. w., letztere unter andern durch
das hochintereffante Werk über die Balearen.