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richtig angewandter Theorie verdrängt wird, ohne den praktifchen Verfuchen
grundfätzlich aus dem Wege zu gehen.
Indefs ift die damals gefchöpfte Vorausficht, dafs das Material der Dampf-
keffel ausfchliefslich Stahl fein werde, nur bedingungsweife eingetroffen, denn alle
Länder mit fchlechtem, kalkhältigem Speifewaffer ziehen das Eifenblech noch vor,
weil feine gröfsere Dicke und Homogenität der Corrofion mehr Widerftand leiften,
weil es nicht fo empfindlich ift gegen rafche Temperaturänderung während
der Anarbeitung und des Keffelbetriebes, weil es leichter zu bearbeiten und zu
erhalten ift, Vortheile, welche die unwefentliche Gewichtserfparnifs des Stahles
reichlich aufwiegen. Schweden führte kalt gebogene Keffelbleche aus Martin-
ftahl vor.
Die Verfteifung der Feuerbox-Decken mittelft eiferner Stehfehrauben anftatt
der fchweren, mit Keffelftein bald verlegten Deckenbarren ift fchon früher
durch Belpaire angewandt, neueftens durch Beckerin der Art wefentlich ver-
beffert worden, fo dafs die Radien der nach den inneren und auch äufseren Seiten-
wänden ablaufenden Hohlkehlen möglichft grofs angenommen, wodurch mehrere
Reihen Stehfchrauben wegfallen und dieAnordnung derSiederohr-Wände erleichtert,
das fcharfe Abbiegen in den Kanten vermieden und an abfolutem Gewicht erfpart
wird. Haswell conftruirt die Decken der inneren Feuerbüchfen ganz ohne
Schrauben und Anker, verfteift fie durch wellenförmige Ein- und Ausbiegungen
normal auf die Keffelachfe, wie feine ausgeftellten Locomotiven „Stainz“,
„Orient“ und Refchitzas „Hunga ria” zeisten.
Fink’s Conftrudion ift auch einfach, indem er die Decke nach abwärts wölbt
und durch horizontale U-Träger, nach der Keffelachfe laufend, feftigt (ft ausge-
führt, aber warnicht ausgetftellt). Die Seiten-Stehbolzen führte man auchhierund da
aus Beffemerftahl aus, gab es aber wegen baldigem Angriff der Gewindgänge durch
fehlechtes Waffer bald auf, wie überhaupt bemerkbar ift, dafs Beffemer- und felbft
Gufsftahl, wahrfcheinlich wegen ungleicher Textur, der Corrofion weniger wider-
ftehen als felbft Eifenblech und — Bolzen minderer Güte. Als Materiale für die
Siederohre wird Eifen, bei fchlechtem Waffer Meffing, ftets in gezogenen Röhren,
verwendet.
Da man mit Recht und Vortheil hohe Dampffpannungen, bis
t2 Atmofphären, acceptirt, nietet man auch die Quer- und Langwechfel der Keffel
doppelt. Es unterliegt keinem Zweifel, dafs man künftig noch höhere Drucke ver-
wenden und mit höherer Expanfion arbeiten wird. Die Fortfchritte der Blech-
fabrication allenthalben geftatten, die Ringe der Keffelcylinder, wenn nicht immer
aus einem, fo doch aus zwei Blechen zu machen, deren Fugen in die Seiten ver-
legt werden, weil fie am Bauche durch das Beftreben des Dampfes, die voll-
kommene Kreisform herzuftellen, im Verein mit angreifendem Waffer bald Rinnen
von gefährlicher Tiefe bilden.
Die Speifung ift faft überall durch zwei ungleich grofse Injectoren
angenommen, nur in Frankreich, dem Mutterlande diefer Erfindung, liebt man es,
eine Kolbenpumpe, getrieben durch die Achfe und nur einen Injector anzuwenden.
Die gröfste Verbreitung haben feit 18067 die Injedtoren Friedmann’s erlangt,
wegen ihrer Einfachheit und ficheren Wirkung innerhalb grofser Grenzen des
Druckes und der Temperatur; feither find neue Injeetoren aufgetauchtvon Fin k (am
Locomotiv „Stainz“), die fehr gelobt werden, undDixon, ausgeftellt in mehreren
Exemplaren und im Modell. Auch Syftem Schau wird hier und da no ch verwendet,
wie auch der urfprüngliche Giffard in mehreren Geftalten, endlich der vonKraufs,
einer der erften Verbefferer Giffard’s.
Gegen den Keffelftein find in neuefter Zeit wirkfame Mafsregeln erdacht
worden. An der Spitze fteht das Verfahren Berenger's, in Oetterreich erfunden
und zuerft ausgeführt. Die Ausftellung brachte einen completen Apparat in voller
Thätigkeit zur Anficht, deffen rationelle Wirkfamkeit auf der Klärung, Entmifchung
und Filtrirung des kalkhältigen Speifewaffers vor deffen Einführung in den Kefiel