18 Emil Tilp.
Das Locomotiv der Mont Cenis-Tunnelbahn, erbaut von Köchlin in
Mühlhaufen (Elfafs), ift von den ftärksten Verhältniffen, nach Borfig’fchem
Mufter, jedoch mit Innenframen und Aufsenfteuerung.
Mit eben folcher Räderanordnung, Innenframes und Innenfteuerung (Allan)
war diedurch Rufsland ausgeftellte Perfonenmafchine der grofsen ruffifchen
Eifenbahn-Gefellfchaft, erzeugt in deren Petersburger Werkftätten. Die
Tragfedern des vorderen und mittleren (Trieb-) Räderpaares find mittelft ungleich-
armigem Balancier verbunden, fo dafs das gröfsere Gewicht der Laufachfe ent-
fpricht. Auch die Federn der beiden Vorderachfen des fechsrädrigen Tenders
haben Balanciers. Kuppelachfe und gemeinfchaftliche Querfeder wie bei der Ege-
ftorff’fchen Mafchine.
Am reichhaltigften war die Gattung der Locomotiven für Güterzüge
und Stationsdienft normaler Hauptbahnen in der Ausftellung vertreten.
Mächtige Giganten für Gebirgsbahnen bis zu Laftmafchinen zweiten Ranges, mit
gröfster Leiftungsfähigkeit dürften nicht oft in fo verfchiedener Geftalt bei einander
gefehen werden.
Den gröfsten Colofs hatte wiederum Belgien gebracht mit feiner zwölf-
rädrigen „Iype Meyer“, den verbefferten Nachfolger des „Avenir“. Ueber die
Originalität diefes Syftems und deffen Aehnlichkeit mit der Type Fairlie ift bereits
gefprochen worden und ift diefes Tenderlocomotiv nur mehr bemerklich durch
die geniale Detailconftrudtion und das Studium, dem diefe forgfältigft unterzogen
worden ift.
Es befteht aus einem mächtigen Keffel mit 2'896 Meter langer Feuer-
büchfe und 5'500 Meter langem Cylinder, ruhend auf drei Punkten zweier beweg-
lichen Drehgettelle, jedes mit fechs gekuppelten Rädern, deren äufserfte die Trieb-
räder find, zwei Dampfcylindern und äufserer Steuerung nach Walfchaert. Die
Wafferkäften liegen zu beiden Seiten des Keffels, unabhängig von den Unter
geftellen.
Das Vordergeftell trägt einen fphärifchen Drehzapfen, durch deffen Höh-
lung die gemeinfchaftliche Dampfausftrömung ftattfindet; auf das rückwärtige
drückt der Keffel mit zwei feitlichen Zapfen in Schlittenführungen, befeftigt an der
Feuerbüchfe. Verbunden find beide Geftelle mittelft der Stradal’schen Kupplung,
fo dafs bei jeder Fahrtrichtung immer eines derfelben gezogen wird, welches
Kuppelfyftem auch an beiden Zughaken angewendet ift. Die Kuppelftange geht
durch einen hohlen Puffer, der den Geftellrahmen gemeinfchaftlich ift. Die Räder-
anordnung und die der Federn ift fymmetrifch, ebenfo die zu einander ftehenden
Cylinder. Die Entfernung der Stützpunkt-Mittel ift 0'150 Meter vor und hinter den
Mittelachfen. Für die Verfchiebung des Hintergeftells in Curven ift ein begrenztes
Längenfpiel in den Gleitfupporten vorhanden.
Die Dampfabnahme gefchieht aus einem Dome mittelft zweier Regulator-
fehieber, deren jeder für ich oder beide zugleich bewegt werden, fo dafs jeder
der Doppelmechanismen nach Belieben getrieben werden kann. Senkrechte Rohre
mit Kugelgelenken reichen an die horizontalen Verbindungsrohre je zweier cor-
refpondirender Schieberkaften. Das senkrechte Rohr verfchiebt fich innerhalb
eines Gelenkkaftens in fenkrechter Richtung auf dem Stutzen des horizontalen
Rohres. Die Verbindung der Ausftrömungsrohre der vier Cylinder gefchieht auch
durch Gelenke.
Das Locomotiv hat dreierlei Bremfen: erftens die Lechatelier’fche; dann
werden die Hinterräder des rückwärtigen Geftells mittelft Schraubenbremfe ge-
ftellt, endlich wirkt eine Dampfbremfe auf das Vordergeftell derart, dafs der Kol-
ben eines Cylinders mittelft Querbaum auf die Bremshebel wirkt; das Aus- und
Einftrömen des Dampfes in den Cylinder gefchieht durch das nämliche Rohr. Um
das Federfpiel beim Bremfen nicht zu beeinträchtigen, find die Hängeifen mit
Kautfchuk verfehen.