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M.B.Rideli.
Da aber für die oberen Extremitäten der Paffagiere diefes Fuhrwerkes gar
keine Stützpunkte innerhalb des Wagenkaftens ausgemittelt worden waren, fo
müfsten während der Locomotion die durch die Fufsbewegungen unvermeidlich
gewordenen energifchen Schwankungen des Oberkörpers auf die Gefammtentwick-
lung der lebendigen Kraft, fehr ftörend wirken, ja es könnte bei diefem Vehikel
fogar hin und wieder der Falleintreten, dafs in Folge der gegenfeitigen erheb-
lichen Befchädigungen der Reifetheilnehmer auf die Anwendung diefes Rotations-
fyfiemes momentan verzichtet werden müfste.
Diefe und mehrere andere diefem Syfteme anhaftenden Unzukömmlichkeiten
werden vielleicht deffen Einführung noch einige Zeit verzögern, umfomehr als
dasfelbe ein zu weites Gebiet zu umfaffen fich vorgenommen hatte.
Im Gegenfatze dazu ift mit der Ausftellung des vom k. k. Staatsanwalte in
Brünn Theodor Tomafchek conftruirten „Pendelw agens“ lediglich eine
Anregung zur Umgeftaltung des gegenwärtig üblichen Baues von Fracht- und
Luxuswagen beabfichtigt worden.
Das grün angeftrichene, einer Achfe vollkommen entbehrende Wagengeftelle
ruht hiebei fammt der aufzunehmenden Laft zwifchen zwei Rädern von 2 Meter
Durchmeffer auf den Achsftummeln wie ein Pendel, mufs kraft der eigenenSchwere
die perpendiculäre Lage allezeit fefthalten und, aus ihr geftört, felbe wieder zu
gewinnen fuchen.
Nach weiterer Angabe des Herrn Ausftellers kann diefes Pendelfahrzeug
nie umftürzen, bietet Vortheile beim Aufladen fchwerer, nicht voluminöfer Laften #
und kann auch vierrädrig conftruirt werden.
Einen integrirenden Beftandtheil diefer Ausftellung bildeten tadellos aus-
geführte, mit erläuterndem Texte verfehene graphifche Darftellungen einiger Gravi-
tationsgefetze, welche, die weiteren Vortheile diefes Fuhrwerkes entwickelnd, den
Beweis liefern follten, dafs durch die in bedeutender Höhe über der Achfe ange-
brachten Angriffspunkte der Zugkraft eine namhafte Erfparnifs der letzteren
bewirkt werden müfste, eine Eigenfchaft, die übrigens mehr oder weniger die
fämmtlichen im Prater zur Ausftellung gelangten Strafsen- und Eifenbahn-Fuhr-
werke mit dem „Pendelwagen“ gemeinfam hatten.
Eine fchwache Seite diefes Fuhrwerkes wird jedoch ftets der Abgang einer
Achfe bilden, welchem Wagenbeftandtheile bekanntlich nicht nur die Vermittlung
der Vorwärtsbewegung zukommt, dadurch vielmehr, abgefehen von der Tragfähig-
keit, auch die Feftigkeit eines jeden Fahrzeuges bedingt wird, der vorliegende
Pendelwagen hingegen wegen Mangels einer entfprechend ftarken Achfe im
Strafsenverkehre fchon in Folge unbedeutender Seitenftöfse in Trümmer gelegt
werden könnte.
Der Tomafchek’fche Pendelwagen hatte die weitere Eigenthümlichkeit,
dafs durch Vermittlung einer Querftange, welche mit den zwei in bedeutender
Höhe über den Achsflummeln am oberen Theile des Geftelles angebrachten
Zugftangen in fester Verbindung ftand, in normaler Lage die zwei Pendelwagen-
Räder vollftändig gebremft werden mufsten und der Wagen nur dann von der
Stelle zu bringen war, wenn die zwei Brancards bis zu einer erftaunlichen Höhe
gelüftet worden waren.
Unter diefen Umftänden müfste aber die mit der Einführung des Pendel-
wagens beabfichtigte Wagenbau-Umwälzung unbedingt auch auf das gegenwärtig
übliche Befpannungsfyftem ausgedehnt und abnorm hochgewachfene mit entfpre-
chend conformirten Schulterblättern verfehene Zugthiere zur Domelfticirung
herangezogen werden, von denen derartige Pendelwagen unter Entwicklung der
* Diefem fpeciellen Zwecke entgegen war inFolge eines Mifsverftändniffes der hutfchen-
artige Behälter diefes Pendelwagens während der Ausftellung nicht mit derlei fchweren Gegen-
ftänden beladen, feine Belaftung beftand vielmehr neben einigen Gypsfiguren und Gypsornamen-
ten zeitweilig noch aus einem voluminöfen Album, enthaltend die bekannten „Accidents de
chaffe“ von unferem launigen vaterländifchen Künfler Tony Strafsgfchwandtner.