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1. Geschichtliche Entwickelung und wissenschaftlicher Stand ete. 331
den Alpen, zwischen Nizza und Genua durch den Col di Tenda
(Passhöbe 1800 Meter) begann, welcher (nach Kaselowski) 1782
durch Vietor Amadeus IH. zu graben fortgesetzt und 1794 bei der
Invasion der Franzosen in einer Auffahrungslänge von 2500 Meter
wieder verlassen wurde.
Die Reihe der neueren, breiten Tunnelbauten wurde durch
den französischen Ingenieur Riquet eröffnet. Derselbe erbaute 1679
und 1680 den 510 Fuss langen, 22 Fuss breiten und 27 Fuss hohen,
in Tuff gelegenen und erst 10 Jahre später ausgewölbten Malpas-
tunnel im Zuge des unter Colbert 1665 begonnenen Canales von
Languedoe, und verehren wir in Riquet den Pionnier
unserer Wissenschaft.
Mit diesem Tunnelbaue wurde den Canälen, deren Wesen
auch eine Durchstechung der Berge bedingte, eine neue Aera er-
öffnet, und wir finden von jetzt ab die Zahl der Tunnelbauten azı
Sanälen und Strassen sich erheblich mehren. Insbesondere folgte
dem Malpastunnel jener von Rive de Gier (1770) am Givorscanale,
sowie jener von Torey (1787) am Centrecanale, beides Bauwerke,
welche an Kühnheit jene Felsengallerie übertrafen, die 1707 im
Zuge des Saump fades über den St. Gotthard dureh festes Gestein
geschlagen wurde.
Alle diese, seit dem 1450 begonnenen Tunnel dureh den Col
di Tenda errichteten Bauwerke müssen aber immer noch gewisser-
yeutigen Wissenschaft des Tunnelbaues
maassen als Vorläufer unserer!
diese Bauwerke wurden, sofern sie
angesehen werden; denn alle
breit waren, in standhaften Felsen ausgehauen, wie z. B. auch der
Tunnel von Blisworth (1798), oder sie wurden nur schmal errichtet,
wenn sie in drüekendes Gebirge zu liegen kamen; in beiden Fällen
also boten jene Tunnelbauten noch keine technischen Abweichungen
von den Stollengrabungen, welche im Bergbaue üblich und schon
Gemeingut der alten Völker waren.
Erst im Jahre 1803 trat der Tunnelbau in seiner heutigen
Form als Wissenschaft auf, undzwar beider Erbauung des 8°. Meter
breiten Tunnels von Tronquoy, weleher im Zuge des Canals von
St. Quentin im sandigen Gebirge errichtet wurde; denn erst die
Breite eines unterirdisch zu wölbenden, also durch druckreiches
Gebirge zu führenden Tunnels ist, weil mit der Breite der Druck