458 V. Tunnelbau.
Sismonda und Mauss nahmen im Jahre 1845 das Project einer
unterirdischen Verbindung zwischen Oberitalien und Frankreich
neu auf, und die sardinische Regierung liess es von dem Ingenieur
Ranco begutachten.
Das Gewicht der Politik, welehe zwischen Frankreich und
Piemont ausgetauscht wurde, nahm mittlererweile eine solche
Bedeutung an, dass 1855, angeregt durch die technischen Er-
findungen von Bartlett und Colladon: Cavour und Napoleon eifrig
die Absicht betrieben, durch einen unterirdisch gestreckten
Schienenarm dieser, ihrer Politik Nachdruck zu verleihen.
Am 29. Juni 1857 genehmigte die Turiner Kammer, nachdem
die technischen Versuche in der Nähe von Genua die Ausführbar -
keit der maschinellen Bohrung nach dem Systeme von Sommeiller,
Grandis und Grattoni erwiesen hatten, die Inangriffnahme des
Tunnelbaues durch den Mont-Cenis, und bereits am 31. August
desselben Jahres zündete der König Vietor Emanuel die erste
Mine an dem Riesenwerke.
Im Jahre 1861 wurde die maschinelle Bohrung auf der Seite
von Bardoneechia und 1863 jene auf der Seite von Modane ins
Werk gesetzt.
Zu Weihnachten, am 26. December 1870, riss die letzte
Stollenmine den Rest jenes Gesteines fort, dessen Uebersteigung den
ganzen Culturgang zwischen Nord und Süd so furchtbar gehemmt
hat, und wenn das Werk auch einen Preis erbeischte, der den an-
fänglich gedachten weit überstieg, so hatte der italienische Minister,
„General Menabrea*, der eifrige Förderer des Werkes, doch Recht,
wenn er im Jahre 1871 schrieb, „dass die Völker an den Wunden
nicht sterben, welche durch Gold für so hohen Zweck geschlagen
werden“.
Cavour aber und Sommeiller sahen den Tag nicht mehr, an
dem die Politik und die Technik jede einen ihrer grössten Triumphe
feierten! —
Der Mont Cenis-Tunnel ist nach genauer Messung gegen die
projeetirte Länge von 12.220°0, Meter in Wirklichkeit 12.233°; Meter
— 1.65 deutsche Meilen lang.
Zu seiner Herstellung wurden 120.000 Cubikmeter bearbeitete
Mauersteine, 16,000.000 Stück Ziegel, 20.000 Centner Kalk, 3'/,