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387 Alphabet
Eine Tabelle, welche die phönizifchen Buchjtaben mit den altgrie-
hijhen, etrurifchen und altitalifchen vergleichend darſtellt
(Taf. X, Nr. 10—13), mag man als Uebergang zu den europäiſchen
Alphabeten des Mittelalters und der Neuzeit anſehen. Die etruriſche
oder tuskiſche Sprache, deren Alphabet hier dargeſtellt iſt, ſtand ſowol
dem Lateiniſchen als dem Griechiſchen fern, und doch wurde ſie im alten
JZtalien geredet. Die Etruskerx hielten auch die orientaliſche Schreib-
weiſe von der Rechten zur Linken feſt. — Zu der vergleichenden Ueber:
ſicht haben wir no< Zweierlei zu bemerken. Nämlich , daß die Al-
phabete nicht genau zu einander paſſen und daß merkwürdiger Weiſe
eine ganze Anzahl von Zeichen in ſymmetriſcher Doppelform erſcheint,
ſo daß man ihre Züge ſo zu ſagen noch in einem Spiegel ſieht. Es
iſt ſo, wie wenn man ſtatt p auch q ſchreiben könnte. Dieſe Stellung
der Buchſtaben von links na< re<ts, oder umgekehrt, hängt aber
mit den Schwankungen zuſammen, welche in der Schriftrichtung
längere Zeit anhielten, indem z. B. die Etrusker die Methode, von
reh<ts nah links zu ſchreiben, beibehielten.
griechiſchen (Taf. X, Nr. 12) das neugriechiſche Alphabet geſtaltet
hat, erſieht man dur< Vergleich mit Taf. X, Nr. 2. Bon den
europäiſchen Alphabeten, die aus den eben erwähnten älteren
Formen im Allgemeinen hervorgegangen ſind, geben wir gleichfalls
eine Auswahl. Eins der vollſtändigſten iſt das ruſſi \<e (Taf. X,
Nr. 4). welches der heilige Cyrillus mit Hinzufügung von zwölf
neuen Zeichen aus dem griechiſchen Alphabet {uf. Unſer jebiges
deutſches Alphabet oder A-B:C, wie wir es nach den drei Anfangs-
buchſtaben nennen, entjtand aus dem altgothifchen (Taf. X,
Nr. 5), wie wir e8 aus der Bibelüberfeßung des Biſchof Ulfilas
7 331) kennen. Che aber aus den altgothiichen Lettern unſere
heutige Frakturſchrift entſtand , verſtrih eine lange Zeit. Die ur:
ſprüngliche Form war die e>ige Mönchsſchrift, welche in den erſten
Jahren nah der Erfindung der Buchdruckerkunſt von den Schrift-
ſchneidern jo treu als möglich nachgeahmt wurde und nod) geraume
Zeit in den älteren Drucwerfen berrichte. Doch bereit3 gegen Ende
des 15. Jahrhunderts findet man in einzelnen Büchern die Ueber:
gänge zu unſerer modernen Schriſt. Jm Anfange des 16. Jahrhun-
derts ging man noh weiter und legte namentli<h unter Albrecht
Dürer's Leitung den Grund zu der Frakturſchrift, mit welcher auch
dieſes Werk gedru>t iſt. Des deutſchen (Fraktur-) Alphabets bedienen
ſih theilweiſe no< Dänen und Schweden; Polen, Tſchechen und
Wenden benußen es nux noch zu populären Schriften. Dem deut-
ſchen Alphabet jhließt fih an das angelfähfiiche (Taf. X, Nr. 6),
entjtanden im fünften Jahrhunderte unter den nach England ver-
pflanzten Sachſen, jedoch erſt im neunten Jahrhundert zur Schrift:
ſprache ausgebildet. Die beiden lebten Zeichen des Alphabetes, dh
und th, werden gleich dem meichen und harten th des heutigen Eng-
liſh ausgeſpro<hen. Nachbarn, aber feineswegs Stammverwandte
der Angelſachſen und von dieſen großentheils aus ihren Stammfiben
verdrängt, ſind die Kelten, zu denenzdie Jrländer gehören. Jhre alt-
felttiche Schrift iſt untergegangen und nur noch Gegenſtand gelehrter
Forſchungen. Als das Chriſtenthum bei den Kelten Eingang fand
und in den iriſchen Klöſtern eine beahtenswerthe Gelehrſamkeit auf-
blühte, erhielten au< die Jrländer ein Alphabet (Taf. X, Nr. 7),
das, wie ſeine Schriftzeichen andeuten, ebenfalls aus der großen
gemeinſamen Quelle gefloſſen iſt, dem auch das angelſächſiſche ent-
ſtammt. Weiteres vergl. unter „Sprache“, „Schrift“.
Keineswegs ſind mit den oben angeführten alle Alphabete er-
Ihöpft. Während bei einer einfilbigen Sprache, mie bei der chine-
ſiſchen, welche jedes Wort durch ein beſonderes Zeichenbild darſtellt,
von einem Alphabete nicht die Rede ſein kann, hat die weiche und
angenehm klingende japaneſiſche Sprache (neben verſchiedenen andern
Schriftarten) ein vollſtändiges Alphabet, das Katakana, deſſen
Name, „Theil von Buchſtaben“, daher ſtammt, daß es den chineſiſchen
Charakteren entnommen ift. Dieſes Alphabet hat 48 wirkliche Buch-
ſtaben, die nach ihrer Bedeutung in folgender Tabelle dargeſtellt ſind.
Alphabet 388
LH | |
ae A
| |
I. | Tschi oder Yo. Ra oder La. | Ya, A. Ye,
| Dschi. |
| | Be
PR |, A D E UA E
Ro oder Lo. | Ri oder Li. | Ta, Da. Mu. Ma. Sa, Za. a A Fi,
| i, Pi.
N
IR v 17 Fr x =
Ha oder Fa, | Nu, Re oder Le, U. | Ke, Ge. Ki, Gi. Mo.
Ba, Pa. |
= Y, SE
EP e
Ni, Ru oder Lu. | So, Zo 1 und Wi. Fu, Bu, Pu. Fu. Se od. Sche,
| Ze od. Zhe,
_! = SS ea Be:
= 5
| 700% ) A E
og H :Fo,| Wo. Tsu, Dzu. No. Ko, Go. Me. Su, Su,
Wie ſich aus dem alt | "Ran 5 Ge 2
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He oder Fe, Wa. | Ne. | 0, | Ye. Mi. | Ng oder 'n..
Be,.be | | | |
el “|
E af A
| | | | | Nigon
To,Do. | Ra,Ja. | Na. | Ku, Gu. || Ie, De. l'ai od: Schi. | BE
I | | | || Zi oder Zhi. || © Maru,
Nr. 299. Katakana, das japaniſche Alphabet.
Während die ſämmtlichen hier erwähnten Alphabete aus uralter
Zeit ſtammen und den Völkern, welche ſie gebrauchten oder noch
anwenden, überliefert wurden, ohne daß ſie den Urſprung derſelben
kennen, find in neuerer Zeit verſchiedene Alphabete von einzelnen
Perſonen geradezu erfunden worden, um damit einem beſtimmten
Bedürfniſſe abzuhelfen. Wir rechnen dahin die ſogenannten Univer-
ſalalphabete, welche, meiſt auf Grundlage des ſehr vollſtändigen
ruſſiſhen Alphabets entſtanden, den Zwe> verfolgen, fi) allen
Sprachen gleichzeitig dienſtbar zu machen. Die große Verſchieden-
heit der Ausſprache einzelner Buchſtaben in den verſchiedenen Spra-
chen und die Schwierigkeit, z. B. aſiatiſhe und afrikaniſche Laute
mit unſern Lettern zu bezeichnen, veranlaßte auch den deutſchen
Aegyptologen R. Lepſius, ein „allgemeines linguiſtiſhes Alphabet“
(Berlin 1855), ein ſogenanntes Standard - Alphabet , aufzuſtellen,
welches jenem Uebelſtande abhelfen ſoll und bereits vielfach in
wiſſenſchaſtlihen Schriſten zur Umſchreibung fremder Eigennamen
angewandt wird. Zu den in neuerer Zeit erfundenen Alphabeten ge-
hören ferner auch einige Jndianer-Alphabete, deren eigenthümliche
Geſchichte wir hier berichten wollen. :
Ein nordamerikaniſcher Tſchiroki-Jndianer, Si-quo-lah, gewbhn-
lih aber George Gueß genannt, war, noch ziemlich jung, zugegen
geweſen, als ſeine Stammgenoſſen bei einem gefangenen Weißen
einen Brief fanden. Dieſer las den Brief vor, und Si-quo-lah, der
das „redende Blatt“ niht, wie ſeine Stammesgenoſſen, für eine
Gabe des großen Geiſtes, ſondern für eine ſehr nüßliche menſchliche
Erfindung hielt, faßte ſofort den Vorſaß, ähnliche Lautzeichen für
ſeine Mutterſprache aufzuſtellen. Mit unermüdlihem Eifer wandte
er fich der großen Auſgabe zu, ſammelte die verſchiedenen Laute
ſeiner Sprache und verminderte deren Zahl, die mehr als zweihun-
dert betrug, auf 186. Wenn e8 nun aud immer noch ein {weres
Werk war, 186 kleine, aber Leicht zu unterſcheidende Schriftzeichen
zu erfinden, ſo wurde dies doch dadurch etwas weniger ſhwierig, daß
in der Tihiroftfprache eine jede Silbe fi) auf einen Selbſtlaut endet,
alſo für jede Zuſammenſtellung eines Selbftlautes mit einem oder
zwei Mitlauten nur ein Zeichen und für „? einzelnen Mitlauter
feine beſondern Zeichen erforderlich waren. Mit einem Nagel Erabte
er ſeine Zeichen auf Rinde, bis er ſpäter den Gebrauch der Schreib:
fedenr fennen lernte. Während er feine Zeichen erfand, ſcheint ihm
de
im
ei
ei
Ji
wi
UN
eir