591 Anatomie
Anatripfis — Ananrit 592
Die zur Aufbewahrung in Mufeen, ‚wie fie unſere Hochſchulen zu
befiten pflegen, dienenden anatomischen Präparate find trodene
oder feuchte. Erftere, z.B. Sfelete, müfjen unter Umftänden durch
Lad gejchiibt werden, die feuchten werden in Weingeiſt und andern
Eonjervirenden Flüffigkeiten aufbewahrt („Spirituspräparate” ); viele
feine Präparate aus der niederen Thierwelt können nur in einer
eigenthünlich zufanmengejeßten „konſervativen Flüſſigkeit“ vor dem
Untergange bewahrt werden. Anatomiſche Präparate werden auch
künſtli<h nachgebildet („Wachspräparate “) und beſonders in den
wandernden Muſeen gezeigt. Obſchon in vielen Fällen mit großer
Treue ausgeführt und für manche Zwe>ke zu empfehlen, können fie
doch die Natur nict erſeßen. (Wegen der mikroſkopiſhen Präparate
\. „Gewebelehre“ und „Mikrofkop“.)
Die A. iſ die wichtigſte Grundlage der Heilkundez ein jeder
Medizin Studirende muß eine gründliche Kenntniß der Theile des
menſchli<hen Körpers ſi<h aneignen, dies kann er aber nicht blos
durch das Studium aus Büchern (z. B. von Hyrtl, Henle, Bock)
und nac Bildern (anatomischen Tafeln), noch) auch durch den bloßen
Anblick fertiger Präparate oder geöffneter Leichen (Kadaver), wie
ſie ihm vom Profeſſor im Anatomiſchen Theater, dem Hörſaale mit
amphitheatraliſh geordneten Pläben, vorgezeigt werden, er muß viel-
mehr ſelbſt Hand anlegen und eine Zeit lang im Präparirſaale als
_Präparant Uebungen am Leichnam vornehmen, die ein Proſektor
(d. h. Vorſchneider) leitet. Jn früherer Zeit verboten natürlicher
Abſcheu, Aberglaube und religiöſes Vorurtheil der Menſchen der-
artige Beſchäftigung, wie denn im Alterthume die anatomiſche
Kenntniß nur auf Studien an Thieren gegründet war. Selbſt dem
Ariſtoteles, der in feiner „Historia animalium“ eine Naturgeſchichte
geliefert hat, deren zootomiſche Thatſachen vielfältig heute noch
Geltung haben und Bewunderung verdienen, jelbjt ihm iſ höchſt
wahrjcheinlich die menichliche U. fremd geblieben, und Galenus (ges
boren 131 na< Chr.) lehrt in ſeinen Schriften, die vierzehn Jahr:
hunderte lang als Hauptquelle der anatomiſchen Wiſſenſchaft gegolten
haben, nur die A. des Affen. Erſt zu Anfang des 14. Jahrhunderts
wagte Mondini in Bologna, menjchliche Leichen zu zergliedern,
wenigſtens zwei, worin ihn freilich heutzutage ſelbſt ein träger
Präparant übertrifſt. Der berühmte Belgier Andreas Veſalius,
der Erfte, der Öalen’s Irrthümer gründlich widerlegt hat (geb. 1514),
mußte nad) feinem eigenen Geftändniß fi) das Material zu feinen
Forſchungen von Kirchhof und Galgen ſtehlen. — Auch in ſpäterer
Zeit drohte dem Anatomen Verfolgung und Strafe, und nur heimlich
konnte ex ſeine Zwede erreichen. Dafür ſprechen die Aufer-
ftehungsmänner (resurrectionsmen) Englands, die für Geld
Leichen ſtahlen, ja ſogar (wie Biſhop 1831) Kinder wegfingen und
tödteten, um mit deren Kadavern zu handeln. — Heutzutage dürfte
die anat. Wiſſenſchaft in keiner gebildeten Nation weſentliche Hemmniß
erfahren, und nad Abſchafſung der Todesſtrafe liefern no< immer
zahlreiche Selbſtmörder ein hinreihendes Material für den Präpa-
ranten, Erſtre>t dieſer ſeine Uebungen auh auf das Zerlegen von
Thieren , die theils leichter und friſcher zu exlangen, theils bei ihrer
geringeren Größe in manchen Stü>ken bequemer zu handhaben find
und eine leichte Ueberſicht verſchafſen, ſo wird er ſeinen Blid er-
weitern, und indem er die bei Thieren verſchiedener Klaſſen gewon-
nenen Thatſachen mit den am Menſchen zu findenden vergleicht
(vergleihende Anatomie), erſt zum wahren Verſtändniß des menſch-
lichen Körpers, des zuſammengeſetzteſten Organismus, gelangen. (Wir
verweiſen hier auf das zur Erläuterung der Abbild. Beigebrachte.)
Die pathologiſhe Anatomie hat es mit den krankhaft veränderten
Theilen des Körpers zu thun; obſchon im Anfange des vorigen Jahr-
hunderts dur< Morgagni gegründet, iſt dieſe Wiſſenſchaft erft in
neuer Zeit (Bok, Rokitansky) ausgebaut worden, und ihre Bedeu-
tung für den Arzt kann nicht hoch genug angeſchlagen werden.
Während früher bei der Erkennung der Krankheiten ein beſonderes
Gewicht auf die Symptome gelegt wurde, welche den krankhaften
Zuſtand begleiten, erkennt der rationelle Arzt dieſe als trügeriſ<h und
beurtheilt den Kranken einzig durch theils phyſikaliſche, theils <hemiſche
Hülfsmittel (Thermometerbeobachtung, Perkuſſion, Auskultation,
chemiſche und mikroſkopiſche Unterſuchung der Ausſcheidungen) und er-
räth aus den ſo gewonnenen Anzeigen, welche auf den krankhaften Ver-
änderungen gewiſſer Körpertheile beruhen, mit größerer Sicherheit den
innern Zuſtand; dies kann er aber nux, wenn er patholog. A. verſteht.
Die Leichenöffnung (Sektion), bei welcher hauptſächlich die
Bruſt- und Baucheingeweide, ſowie, nah Oeffnung der Schädelhöhle,
das Gehirn einer Betrahtung unterworfen werden, iſt als die Probe
zum Exempel anzuſehen und kann in vielen Fällen den einzigen
Aufſ{luß über die Krankheit und Die Todesurfache abgeben. Während
ſie in Spitälern regelmäßig ausgeführt wird, muß ſie in der Privat-
praxis zum Nachtheil dex Wiſſenſchaft oft unterbleiben , da der Wunſch
des Arztes theils an Vorurtheil oder Trägheit der Angehörigen,
theils an deren Mißſtimmung ſcheitert, indem ſie thn nur zu oft als
den huldigen Theil anſehen. Beim Nachweis verſchiedener Verbrechen
(z. B. bei Vergiftungen) wird eine geri<tli<heSektion vorgenom-
men, doch muß fich in allen Fällen der Arzt vor der falſchen Beurthei-
lung verſchiedener Veränderungen des ſeiner Zerſeßung entgegengehen-
den Leichnams hüten, die man als Leichenerſcheinungen zuſammenſaßt.
Das Oeffnen eines noc lebenden Körpers, die Viviſektion, kann
ſelbſtverſtändlih am Menſchen niht vorgenommen werden , obſchon
die Geſchichte nicht ohne Beiſpiele einer ſolchen, vom wiſſenſchaſtlichen
Eifer diktirten — Nüdfichtslofigkeit iftz nach Eelfus haben die auf
der (von Ptolemäus I. geſtifteten) berühmten mediziniſhen Schule zu
Alexandria, wo die Anatomie zuerſt Boden faßte, gebildeten Ge-
lehrten: Herophilus und Eraſiſtratus — lebende Verbrecher aufge-
ſ{nitten. An Thieren werden Viviſektionen vielfach ausgeübt, da ſie
allein über verſchiedene Lebensvorgängé den erforderlichen Aufichluß
geben können (phyſiologiſhes Experiment). Meiſter in dieſem der
Wiſſenſchaft freilich unentbehrlichen Kapitel der Thierquälerei ſind die
Franzoſen, bei denen oft der Werth einer Vorleſung einzig nach den
Hekatomben geopferter Kaßen, Kaninchen und Fröſche bemeſſen wird.
Die Reihe der Forſcher, welche ſich mit dem Ausbau der anato:
miſchen Wiſſenſchaft beſchäftigt haben, iſt eine ſo große, daß es zu
weit führen würde, au nur die hervorragendſten von ihnen alle an-
zuführen. Das erſte anatomiſche Werk ſoll na der Ausſage Galen's
ein Schüler des Pythagoras, Alkmäon von Kroton (500 v. Chr.),
verfaßt haben; na< Plutarch ſollen Anaxagoras von Klazomene,
der Lehrer des Sokrates, Empedokles von Agrigent und Demofritos
der Abderite Zergliederungen vorgenommen haben; der zootomijchen
Arbeiten des Ariſtoteles wurde oben bereits gedacht, ebenſo der Be-
deutung der Galen'ſhen Schriften. Nächſt Veſal, der zuerſt (in
Padua) die Anatomie als eine ſelbſtändige Wiſſenſchaft lehrte und,
wie erwähnt, Galen’3 Jrrthümer widerlegte, glänzen Gabriel Fallo-
pia (1523 — 1562) und Bartholomäus Euſtachius Cr 1574) im
16, Jahrhundert; nah ihnen macht hauptſächli<h William Harvey
(1578—1657) dur ſeine Begründung der dur< Vorarbeiter wie
Fabricius ab Aguapendente und Caesalpin bereits geſchaffenen Lehre
vom Umlaufe des Blutes Epoche, und Ant. Leeuwenhoe> (1632—
1723) nächſt Malpighi und Swammerdam im Gebiete der mikro-
ſkopiſchen Anatomie und Zootomie. Für die neuere Zeit ſind beſon-
ders Meckel, Sömmerring, Hyrtl u. A. als beſchreibende Anatomen,
d'Aubenton, Blumenbach, Carl Guſtav Carus, Cuvier, Geoffroy
St. Hilaire, die Gebrüder Hunter, R. Owen, Milne Edwards, Joh.
Müller, v. Siebold und Rud. Wagner, anderer, glänzender Namen
von Zeitgenoſſen nicht zu gedenken, als Zootomen und vergleichende
Anatomen anzuführen, während von den zahlreichen neueren Hiſtio-
logen außer Kölliker no< Frey und Leydig genannt ſein mögen.
Anatripſis, in der Chirurgie die Zermalmung eines Knochens
oder Blaſenſteins.
Anauxit, ein Mineral, welches aus 61,2 Kieſelſäure, 25,4 Thonerde
und 13,4 Waſſer beſteht. Es kommt in derben, körnigen Aggregaten
von fryſtalliniſcher Beſchaffenheit vor, iſt grünlihweiß, perlmutter-
glänzend u. findet ſich bei Biltn (in Böhmen) in verwittertem Bafalt.
mi
au
ur
da
DWLEN
RO,
4 3
N
N
N