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theils ſelbſt die ſubtilſte Geiſtesarbeit den Körper mit in Anſpruch
nimmt, ſo iſt auch die gemeinſte Handarbeit zugleich Kopfarbeit, wes-
halb man au< nur im bildlichen Sinne von einer A. der Thiere,
Maſchinen u. anderen Kapitalien ſprechen kann. Und Dank ſei es den
Maſchinen , daß die Menſchen immer mehr der rohen, vorzugsweiſe die
Körperkraft beanſpruchenden u. mechaniſchen A. überhoben u. jo .binficht-
lich der Anwendung und Entwi>klung ihrer Geiſteskraft immer freier wer-
den, was wiederum den A.n (d. h. den Arbeitserzeugniſſen) jelbft zugute
fommt. Denn nicht nur ſteigern die Maſchinen den Arbeitserfolg in quan-
titativer Beziehung, jo daß 3. B. unfere Kunftmühlen mit Hülfe der nd-
thigen Maſchinen u. dur<ſchnittli<h 20 Arbeitern den täglichen Meblbedarf
je für 24,000 bis 40,000 Menſchen liefern, während zur Zeit des Odyſſeus
ein Mann im Tage den Mehlbedarf nur für 25 Menſchen fertig brachte,
jondern gejtatten auch, daß die Menfchenarbeit, welche man durch ſie an
der Darſtellung des Rohſtoffs erſpart, zu ſeiner weiteren Veredlung benukt
wird. Je mehr alſo die Maſchinen die rohe Arbeit verrichten, deſto mehr
werden fich die Gewerbe den Künſten nähern. Die Einführung von Ma:
ſchinen iſ eine Folge des ſo wichtigen Prinzips der
Arbeitstheilung u. ſeiner Anwendung zur Vereinfachung der Operationen
für den einzelnen Arbeiter. Die zugleich mit einer großen Zeiterſparniß
verbundene Trennung komplizirter Prozeſſe in einfache Operationen läßt
auf der einen Geite auch minder befähigte Perſonen, ſelbſt| Kinder, im
Stande ſein, eine Vollkommenheit in jeder einzelnen Operation zu erlangen,
welche bei einer Perſon, die vielerlei verſchiedene Arbeiten vorzunehmen
pflegt, unmöglich iſt; der Körper gewbhnt ſi<h an beſtimmte Bewegungen,
und ſelbſt die Sinneswerkzeuge ſchärfen ſich durch fortgeſeßte Uebung: die
Knaben z. B., welche die Löcher in die Nähnadeln ſchlagen, erlangen eine
ſolche Schärfe des Auges u. Geſchicklichkeit der Hand, daß ſie an dem einen
Ende eines Menſchenhaares ein Loh durchſchlagen u. das andere Ende
durchziehen. Auf der andern Seite hat jedoch die beſtändige Wiederholung
einer u. derſelben Operation au< eine unverkennbare nachtheilige Rük-
wirkung auf die Perſonen; ſie hat ‚für die menfchliche Vorſtellung jenes
Gefühl des Unerträglichen, das die Mythe vom Stein des Siſyphos erſchuf;
der Menſch wird zu einem bloßen mechaniſchen Arbeitszeug herabgedrüt.
Dieſe Herabwürdigung des Menſchen hat nun aber eben eine Grenze in
der vortheilhafteren Anwendung von Maſchinen an ihrer Stelle. Wenn
immer eine Operation fo weit vereinfacht worden, daß zur Verrichtung der-
ſelben der Aufwand von denkender Beobachtung entbehrlich iſ, To hat fie
jenen Punkt erreicht, wo die Verdrängung der Menſchenhand durch die
Maſchine zur unausbleiblichen Nothwendigkeit wird, wenn nur ein hin-
länglicher Bedarf für das dadurch erzeugte Produkt vorhanden iſt. So
liegt es denn auh auf der Hand, daß es die Arbeitstheilung iſt, welche,
wie ſie einſt zur Sonderung in Stände u. weiterhin zur Bildung einzelner
Gewerbe führte, auch die Trennung zwiſchen dem Handwerk u. dem Fabrik-
betrieb eingeleitet hat, um dieſen leßteren mit Hülfe des ſi<h immer mehr
vervollklommnenden Maſchinenweſens zu der heute vorherrſhenden Form
der Jnduſtrie werden zu laſſen. „Der Lärm der erſten Dampfmaſchine
wurde zum Grabgeläute, der erſte Fabrikſchornſtein zum Leichenſtein des
alten Handwerksbetriebs.“" Einſt alſo der erſte Hebel für die Kultur, ward
mit deren Steigen die Arbeitstheilung ſelbſt weiter u. weiter ausgebildet, bis
ſie dur<h das Fabrikweſen den unerhörten Aufſhwung der Jnduſtrie
herbeiführte, der im Ganzen wiederum der geſammten Kulturentwi>lung
ungemein förderlich iſ. Freilich jede Medaille hat ihre Kehrſeite. So ſe-
gensrei<h die Einwirkungen jenes Auffhwungs der Jnduſtrie zwar auch
für die große Maſſe der Unbemittelten ſind, ſo hat er doch auch zahlreiche
Exiſtenzen zerſtört, zahlreiche Gebrechen des Wirthſchaftslebens ans Licht
gebracht u. neue derartige Gebrechen erſt hervorgerufen. Nachdem fich die
Arbeit aus den Zuſtänden der Sklaverei, Leibeigenſchaft, Hbrigkeit u. Knecht-
ſchaft zur Freiheit u. Würde durchgekämpft, und während ſich die Arbeits-
theilung als eine ſogar internationale zum ſicherſten Uu. friedensreichſten
Miſſionär der Welt, zum treueſten Verbündeten der Völkerfreiheit gemacht,
hat mit einem Worte die moderne Jnduſtrie die Verhältniſſe geſchaffen,
welche der ſogenannten
Arbeiterfrage zu Grunde liegen. Man wird freilich diefen Ausdruc
als unglü>li< gewählt bezeichnen müſſen, wenn man bedenkt, daß ja ein
Arbeiter Jeder ift, der irgend eine A., beſonders regelmäßig, verrichtet.
Denn die Arbeiterfrage betrifft nur zwei Kategorien von Arbeitern. Die
eine bilden die Kleinhandwerker, welche gegen die Großproduktion u. das
Großkapital, gegen den in u. auf das Große gerichteten Fabriksbetrieb, gegen
die Bezugs- u. Abſaßfähigkeit, ſowie gegen den unbeſchränkten Kredit dieſer
ihnen feindſeligen Mächte im Einzelnen nicht das Feld zu behaupten ver-
mögen u. daher ſ{<limmſten Falls ihre Selbſtändigkeit gänzlich verlieren Uu.
in die andere Klaſſe eintreten, welche aus den maſſenhaft in den Fabriken
für Tage-, Wochen - od. Stücklohn Arbeitenden beſteht. Nun iſt es zwar
gewiß, daß die Lage aller Fabrikarbeiter durchaus nicht eine gleichartige iſt,
ſie vielmehr nach ihrer Thätigkeit, ihrem Erwerbe, ihrer Bildung auf ganz
verſchiedener Stufe ſtehen; im Durchſchnitt jedoch iſ ihre Stellung eine ſolche,
daß ſie für Krankheit u. Alter, ſowie für außerordentliche Ausgaben (Woh-
nungsmiethe, Steuern u. Abgaben, Hausgeräth, Kleidung 2c.) nichts zurü>-
legen können, daß ihnen weder Zeit no< Mittel zur eigenen weiteren Aus-
bildung no< zur Erziehung u. zu einem ordentlichen Schulunterricht ihrer
Kinder bleiben, ja, daß der Lohn nicht einmal zu einem genügenden Unter-
halt einer etwas ſtärkeren Familie ausreicht. Gegen die Wahrheit dieſer
Thatſache als Regel iſ kein Zweifel mehr erlaubt. Die offiziellen Nachweiſe
ſtimmen darin überein, daß die Arbeiterbevölkerung der Fabrikdiſtrikte Eng-
lands, Frankreichs, Belgiens, Sachſens, Schleſiens 2c. von dieſem Uebel degene-
rirt wird, daß die Rekrutenaushebungen an manchen Orten kaum mehr einen
Dienſtfähigen aufzufinden vermögen, daß das dur{<ſ<hnittl. Lebensalter der
Arbeiter ſinkt u. a. m. Wer wollte da noch die Bedeutung der Arbeiterfrage
od. gar deren Borhandenfein erntlich leugnen? Sie ift ein Theil u. zwar
der Haupttheil der ſozialen Frage, bei der es ſi< um die gerechte Ver-
theilung von Pflicht u. Recht, Leiſtung u. Gewinn, Laſt u. Luſt in dex
menſ<li<en Geſellſchaft handelt. Berufen, an ber Löſung der At>-
beiterfrage mitzuarbeiten, ſind nun vor Allem im Intereſſe ihres Stan-
des, in dem eine völlige Solidarität der Intereſſen waltet, die intelli-
genteſten unter den Fabrikarbeitern u. den unter der Konkurrenz
der Großinduſtrie leidenden Kleinunternehmern; außerdem aber auch,
u. zwar gleichfalls im ihrem eigenen Intereffe, die Großinduftriellen,
die Unternehmer großer Gewerbsbetriebe. Was die Erſteren betrifft, fo
haben dieſe ihre Standesgenoſſen vor Allem vor den Utopien, od. richtiger,
vor der frechen Anmaßung des Pſcudo-Sozialismus zu warnen, der fie nur
vollends ins Verderben führt. Schon die franzöſiſche Revolution, die erſte,
die große, ging an dem wüſten Treiben der Sansculotten in den tonan-
gebenden Volksverſammlungen u. Klubſißungen (der Jakobiner) zu Grunde.
Es gilt daher, der pſeudo-ſozialen od. ſogenannten ſozialiſtiſ<hen Wüh-
lerei, dem von den „Geſellſchaftsrettern““ zur Unterdrü>kung aller Volks-
ſreiheit ſhon übergenug ausgebeuteten u. neueſtens z. B. von einem Hrn.
v. Schweißer ekelhaft karikirten „rothen Geſpenſte““ entſchloſſen in die Augen
zu ſehen, mit Muth u. feſtem Willen ihm entgegenzutreten u. den einzig rich-
tigen Weg der genoſſenſchaftlihen Selbſthülfe zu betreten, von dem
im Artikel „Aſſoziation“ weiter die Rede ſein wird. Weit mannichfaltiger
ſind die Mittel u. Wege, welche ſih den Arbeitgebern darbieten, wenn fie
theils Jntereſſenverſtändniß, theils Wohlivollen zu dem Entſchluſſe bringt,
an der Löſung desjenigen Theiles der Arbeiterfrage, welcher ſie vorzugsweiſe
angeht, ſich zu betheiligen. Von einer natürlichen Feindſchaft zwiſchen
„Arbeit u. Kapital” kann niht die Rede ſein, denn da die Arbeit der
Grund aller Hervorbringungen ift, die nicht der Thätigkeit der Natur zu
danken ſind, ſo iſt fie auch der Schöpfer des Kapitals, gleichſam einer
zweiten Natur, die fi) auf der Grundlage der erſten erhebt, u. ohne welche
wiederum die Arbeit nicht produktiv ſein kann. Nicht einander feindlich
ſind daher die Jntereſſen des Kapitals u. der Arbeit, ſondern ſo innig ge-
rade verbunden, daß, wenn eines von beiden über feine Rechte hinausgeht,
es niht nur die Rechte des anderen verlebt, ſondern ſi< ſelbſt ſchädigt.
Dieſer Geſichtspunkt führt aber no< weiter. Wol iſt das Verhältniß zwi-
ſchen Kapital u. Arbeit, d. h. zwiſchen Arbeitgeber u. Arbeitnehmer, ein rein
wirthſchaftliches, ein Handelsverhältniß, allein die Waare, um die es ſich
hierbei handelt, iſt denn doch von jeder anderen Waare durchaus verfchieden;
die Arbeit iſt ja hier niht ſhon etwas Fertiges, vielmehr fol fie ext zu
einem Ergebniß führen, u. dieſes hängt niht blos von der Befugniß, Kraft
u. Geſchicklichkeit des Arbeiters ab, ſondern ganz beſonders von deſſen Arbeits-
freudigkeit. Bedenkt man nun, daß dieſe wiederum vor Allem vom Wohl-
befinden abhängt, ſo wird daſſelbe ein einſichtsvoller Arbeitgeber möglichſt zu
heben ſuchen. Liegt es mithin im beiderſeitigen materiellen Intereſſe,
daß das Verhältniß des Unternehmers zu ſeinen Gewerksgehülfen auch
mehr Pflichten in fich ſ{ließe, als die Buchſtaben des Kontrakts vorſchreiben,
jo erheiſhen es ſ{ließli< au< Gründe der Humanität, Gründe der
Moral, daß es ein Verhältniß treuer, hingebender Fürſorge ſei. Wenden
wir uns nun zu den einzelnen Punkten, auf welche demgemäß die Groß:
induſtriellen ihr Augenmerk vorzugsweiſe zu richten haben, ſo beſteht der
erſte in der Errichtung eines, die beiderſeitigen Rechte u. Pflichten klar u.
unzweideutig feſtſtellenden ſ{<riftli<hen Kontraktes, zwar alſo nur in
einer Formalität, einer Formalität aber, die das Selbſtbewußtſein u. Selbſt-
vertrauen, das Würdegefühl der Arbeiter eben ſo ſehr hebt, wie es das Ge-
fühl ihrer Sicherheit ſtärkt, u. die daher durchaus nicht für unnüß zu halten
iſt. Was den (Mieth-) Preis der Arbeit anbelangt, ſo unterſcheidet ſich
die Arbeit auch hierin von jeder anderen Waare, denn obgleich auch ber
Arbeitspreis durch die Konkurrenz beſtimmt wird, welche ihrerſeits von der
Berechnung des vorausſihtlichen Verhältniſſes von Angebot u. Nachfrage
ſeitens der verſchiedenen Konkurrenten abhängt, ſo ſind doh dieſe im All-
gemeinen nicht die Verkäufer, ſondern die Käufer, d. h. die Arbeitgeber.
Sit daran leider nichts zu ändern, ſo können doch dieſe ihre Sorge für das
Wohl ihrer Gehülfen theils dadurch bethätigen,- daß ſie die Lohnhöhe nicht
blos nach der-Lage des Arbeitsmarktes, ſondern na< dem Theile des Roh-
ertrags ihres Unternehmens ſorgfältig bemeſſen, den ſie ihren Arbeitern
verdanken, theils dadurch, daß ſie eine richtige Wahl in der Lohnzah-
ungsart treffen. Die Stüdlohnung ift befanntlich nur da anzuwenden,
wo ſich die Arbeit in eine Kette einzelner Leiſtungen völlig auflöſen läßt,
gleichſam darin aufgeht, alſo niht in Verhältniſſen, wo eben das Kon-
tinuirliche die Hauptſache bildet. Diejenigen Unternehmer aber, velche auch