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Leßteres geſchah niht aus Eigennuß, ſondern um den Leuten das jchöne
Prinzip der Selbſthülfe u. der eigenen Fürſorge ſür ihre Zukunft mehr u.
mehr zur Gewohnheit zu machen. Jede Arbeiterin im Alter von 18 bis
45 Jahren zahlt jeßt alle 14 Tage in die Kaffe zur jechswöchentlichen
Unterftüßung der Kindbetterinnen 15 Centimes, alſo täglich, nah unſerem
Gelde, einen Pfennig, u. eben ſo viel, als die Arbeiter zuſammen zahlen,
trägt auch der Fabrikherr allein zu dieſer Kaſſe bei. Dies reicht vollkommen
aus, um den menſchenfreundlichen Zweck zu erfüllen. Auch werden die da-
durch in größerer Zahl am Leben erhaltenen Kinder der Fabrikarbeiterinnen
geſünder u. Fräftiger, als e8 früher der Fall war. Und Arbeitgeber, welche
von ſolcher Humanität bejeelt ſind u. zugleich ihr eigenes Jutereſſe mit
jo viel Verſtändniß wahrzunehmen wiſſen, werden auch fonft den Frauen
u, Kindern gegenüber ihre treue Fürſorge bethätigen. Den Rückſichten auf
die Bedürfniſſe der Fabrikation, auf das Gedeihen der Jnduſtrie u. auf den
Verdienſt u. die Oekonomie vieler unbemittelter Haushaltungen hat ſtets die
Nückſicht auf die menschliche Perſönlichkeit vorauszugehen, die leider
häufig gemug noch durch die mißbräuchlichſte Verwendung der Frauen u. Kin-
der in den Fabriken zum „Schlachtopfer des modernen Gößen““ gemacht wird.
Snsbejondere verlangt das noch kindliche Alter mehr Luft u. Freiheit, mehr
Luſt u. Spiel auch neben der Arbeit in der Schule u. für die Schule,
damit eine körperlich u. geiſtig geſunde Folge der Geſchlechter das ganze
Volk kräftig u. geſund erhalte. Das Minimum des Alters zur Fabrik-
beſchäftigung überhaupt darf niht unter zwölf Jahren ſein, aber auch
dann noch ſind alle Mittel aufzubieten, um die Kräfte der Kinder ebenſo
wie die der Frauen nur in völlig od. wenigſtens faſt ganz ungefährlicher
Weiſe zu verwerthen. Rühmliche Beiſpiele geben in dieſer Beziehung u. A.
gleichfalls die Mülhauſer Fabrikanten, ſowie die Herren König u. Bauer,
Maſchinenbauer zu Oberzell, die Herren Karl Meh u. Söhne, Beſiber einer
Seidenſpinnerei in Freiburg i. B., 1. Herr Richter-Lindner, Eigenthümer
einer „Schoren - Fabrik“ bei Baſel. Mit Recht haben au< {hon einzelne
Regierungen die Beſchäftigung von Kindern in Fabriken gejetlichen Vor:
ſchriften unterworfen. So iſt neuerdings in Baden bei Kindern von 12
bis 14 Jahren die tägliche Arbeitszeit auf höchſtens 7 Stunden feſtgeſeßt
worden. Ueberhaupt herrſchen hinſichtlih der Arbeitszeit im Allgemeinen
leider no< die verkehrteſten Anſichten, u. do< iſ die Forderung der Be-
ſhränkung der täglichen Arbeitszeit nicht erſt, wie man ſo oft hört, heute
od. geſtern. von „Wühlern““ od. „Neuerern““ angeregt worden. Schon vor
mehr als zwei Menſchenleben hat dieſe wichtige Frage die Arbeitgeber u.
Arbeiter in England, damals dem einzigen Jnduſtrieſtaate, dermaßen be-
Ihäftigt, daß ſich bereits im J. 1802 die Geſeßgebung damit befaſſen mußte.
Seitdem hat dieſe Frage niht geruht. Jm J. 1833 ſete ein neuer Parla-
mentsbeſhluß die tägliche Arbeitszeit auf zwölf Stunden feſt u. die Folgen
dieſes Geſeßes waren, allen Schwarzſehern zum Troß, ſowol in Bezug auf
die ſittliche Entwicklung u. die Beſſerung der äußern Lage der Arbeiter, als
auch in Bezug auf die Maſſe der gelieferten Arbeit, ſo über die Maßen
gün lige, daß das Parlament keinen Anſtand nahm, im Y. 1847 die täg-
liche Arbeitszeit auf zehn Stunden zu beſchränken. Ein Zeitraum von
Über 20 Jahren lehrt uns aber, daß die engliſhe Snduftrie, anftatt durch
dieſen Verluſt an Arbeitszeit, der ſicher niht gering anzuſchlagen ift, keines-
wegs zu Grunde gegangen, vielmehr rieſige Fortſchritte gemacht hat. Um
die Tragweite dieſer Parlamentsbeſchlüſſe ganz würdigen zu können, müſſen
wir anführen, daß die engliſchen Arbeiter, infolge der kümmerlichen Bil:
dung, die ſie in der Jugend erhielten, auf einer ſo niedrigen ſittlichen Stufe
ſtanden, daß ſie zu den gefährlichſten Klaſſen der Geſellſchaft zu gehören
Nr. 730. Bückerei, Waſchanſtalt, Speiſehaus, Bad in Mülhauſen,
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ſchienen. Daß fie deshalb auch durchaus nicht geachtet wurden, Braucht
faum noch geſagt zu werden. Aber dennoch überzeugten fich die großen
Fabrikanten ſchr bald, daß eine Arbeitszeit von 10 Stunden für fie viel
vortheilhafter ſei, als die frühere Längere Arbeitszeit. Dieſe Erfahrung machte
ſich auch weiter geltend, ſo daß die verfüirzte Arbeitszeit nicht allein dem
Staatsſcha jährl. Mill. einträgt, ſondern dem Staate auh jährl. Tauſende
von Menſchenleben erhält. Auch in der Nordamerikaniſchen Union hatte
die Verkürzung der Arbeitszeit ſhon lange die Arbeiter beſchäftigt, bevor
man dieſelbe, wie dies vor Kurzem der Fall geweſen, ſogar, aber mit Recht,
auf 8 Stunden ermäßigt hat. Jn Deutſchland kam dieſe Angelegenheit zu-
erſt auf dem zweiten Vereinstage deutjcher Arbeitervereine zur Sprache, der
in Leipzig Ende Oktober 1864 abgehalten wurde. Jndeſſen troß aller Er-
flärungen, Beſchlüſſe u. Kundgebungen jeder Art zu Gunften einer Be-
ſ{hränkung, iſt bisher die große Mehrzahl der deutſchen „Könige der Ar-
beit“ gegen dieſe gerechte u. in ihrem eigenen Intereſſe liegende. Forderung
taub geblieben. Gedankenlos ſprechen ſie den landläufigen Saß nach,
daß die Jnduſtrie durch eine Verkürzung der Arbeitszeit geſchädigt werde,
und halten es nicht einmal der Mühe werth, der Sache dur< das Experi-
ment auf den Grund zu gehen, wie dies auch bier
J. Dollfus gethan. Nach einem vierzehntägigen Ver-
ſuch in einer mit 600 Stühlen arbeitenden ı. vorzüg:
ih Organdis u. Berfale erzeugenden Weberei ſtellte
ſich bei einer elfftündigen Arbeitszeit gegen die frühere
zwölfjtündige als Ergebniß ein Ueberſhuß von 12/,
Prozent bei den Organdis u. von 4/2 Prozent bei
den Perkalen heraus. Selbſt die minder geſchickten
Arbeiter konnten dieſes Verhältniß herſtellen. Der hier-
durch erzielte Gewinn an Arbeitslohn ſeitens der Fabri-
kanten fällt viel weniger ins Gewicht, als das Ar-
beitsergebniß ſelbſt. Bei den Organdis iſ es gleich
einer Vermehrung von ungefähr zehn, bei den Perkag-
len aber von 27 Stühlen. Rechnet man die Koſten
dieſer Stühle, die Herſtellung des dazu erforderlichen
| Raumes U. den Lohn für die Arbeiter, die zu deren
Bedienung erforderlich ſind, ſo kommt dabei ſicher eine
niht unbedeutende Summe heraus, die der Fabrikant
in die Taſche ſte>en kann. Außerdem ergab ſich bei
der Heizung u. Beleuchtung der Werkſtätten eine Er-
ſparniß von 2000 Fres. Veranſchlagen wir dieſe Er-
Iparniffe auch nur für fünf Monate im Sabre, fo
“ macht dies wenigſtens 20,000 Frcs. od. 5333!/; Thlr.
„Die durch die Verminderung der Arbeitszeit erreichten
Bortheile ‘““ — fonnte daher J. Dollfus nach jenem Ver-
ſuche in einem Vortrage für den Mülhauſer Gewerh-
verein ſagen — „ſind unbeſtreitbar; Arbeiter u. Fabrikanten haben ihren
Antheil daran. Ohne Zweifel wäre es von der größten Wichtigkeit, dieſen
Verſuch in allen Arbeitsfächern anzuſtellen, um zur Abſchaffung eines ökono-
miſchen Gemeinplaßbes zu gelangen, der ſo viele Mißverſtändniſſe veranlaßt.“
Daß auch dieſe goldenen Worte niht auf einen fruchtbaren Boden gefallen
ſind, iſt tief zu beklagen. Troß alledem muß aber doh auch in Deutſchland
die Sache über kurz oder lang zur Entſcheidung kommen, ſo ſehr ſi< auch
die meiſten Magnaten der Jnduſtrie dagegen ſperren mögen. Der Strom
der Zeit wird mächtiger fein als fie. Er wird nicht minder die Nachtarbeit
überall da beſeitigen, wo die tehniſhe Natur der Verrichtung ſie nicht ge:
bieteriſh fordert. Kommen hierbei insbeſondere phyſiſche Nachtheile in Be-
tracht, ſo dürfen auch die ſittlichen Gefahren, denen die Fabrikarbeiter
überhaupt vielfach ausgeſeßt ſind, nicht überſehen werden. Es genügt z. B.
nicht, jüngere Leute beiderlei Geſchlehts nicht gleichzeitig in denſelben Näu-
men Tag u. Nacht zu beſchäftigen, während der Arbeit jelbft ſtreng auf
ſittlihe Ordnung u. anſtändiges Betragen ſehen zu laſſen, unfittliche Ele-
mente aber aus den Reihen der Arbeiter unnachſichtlih zu entfernen, auh
außer der Arbeit iſt dieſen Gefahren mit allen Mitteln entgegenzuwirken,
welche guter Wille, Beobachtung u. Erfahrung an die Hand geben. Eines
der wichtigſten iſt hier die Sorge für Veredelung der Vergnügungen.
Schweizer Fabrikanten pflegen alljährlich mehrere Mal mit ihren Arbeitern
Tagesausflüge im die Berge zu unternehmen, auch ſie zu fich einzuladen
zu ungezwungenen geſelligen Zuſammenkünften. Herr Engel-Dolfus,
Aſſocié des Hauſes Dollfus- Mieg u. Comp. in Dornach bei Mülhauſen,
hat ſogar ein Geſellſ<haftshaus (Salle de réunion de Dornach)
bauen laſſen, welches den ausſchließlichen Zwe> hat, die Fabrikarbeiter zu
anſtändigen u. erhebenden geſelligen Vergnügungen zu vereinigen. Unter-
richt, Erfriſchung, ſittliche u. intellektuelle Bildung — das ſind die Auf-
gaben, welche der Verein, von dem dieſes Haus benüßt wird, zu löſen be-
müht iſt. Daſſelbe hat dem Stifter gegen 50,000 Fres. gekoſtet u. enthält
eine Bibliothek, Leſezimmer, Geſellſchaftsräume u. eine Reſtauration. Die
Jahresbeiträge für die Benubßung betragen blos 3 Fres. pro Perſon. Mit
der Sorge für das ſittliche Wohl der Arbeiter hat aber no< eine andere
Hand in Hand zu gehen: dieſe Betrifft die Wedung u. Erhaltung eincs
ſparſamen u. wirthſc<hafſtli<hen Sinnes. Jn dieſer Beziehung bleibt,
abgeſehen davon, daß der Unternehmer durch die ſtrengſte, peinlichſte Spar-