Ihlagen u. Verderben um ſich her verbreiten. Wehe dem Schiffe, das
von einem ſolchen Rieſen getroffen wird!
Zwiſchen den warmen Gewäſſern des ſüdl. Ozeans und den kalten
Fluten des Eismeeres findet ein ununterbrochener Austauſch ſtatt u.
dadurch werden die ſtarken Strömungen herbeigeführt, von denen das
Klima der Polarländer theilweiſe abhängig ift. Sn noch auffallen-
derer Weiſe machen ſi<h aber die Luftſtrömungen hierbei bemerklih. Die
in den Aequatorialgegenden u. über dem weiten Atlantiſchen Ozean
erwärmte Luft hebt fich, durch ihre ſpezifiſche Leichtigkeit veranlaßt, u.
fließt nach den Polen Hin ab, während fie durch einen unteren, von
jenen Falten Gebieten kommenden Strom erſetzt wird. Je nachdem ein-
mal der warme, einmal der falte Wind die Oberhand behält, ändert
fich auch in den betreffenden Ländern ſofort die Witterung. Jn Grön-
land bringt der Nordſturm empfindliche Kälte, der Südoſt dagegen
erinnert in ſeinen Wirkungen auffallend an den Sirokko u. den Föhn-
wind. Freilich kann man in den Polarländern keinen jo klaren Ein-
bli> in das Verhalten der beiden Hauptluftſtrömungen erwarten, wie
man der Theorie nah vermuthen ſollte, beſonders da hier durch Die
Verſchiedenheiten von Land u. Waſſer fo zahlreiche Lokalwinde erzeugt
werden. Der Raum der Polarländer, der im Januar eine mittlere
Temperatur von — 35° C. beſit, umſchließt die Gebiete von Boothia-
Felix hinüber nah dem Lenathal (70° bis 60° n. Br. )z die Linie,
welche jene Orte verbindet, die im Juli eine Mittelwärme von —+2°
bejigen, umſchließt einen länglichen Raum, der den erſteren ungefähr
kreuzt. Der kälteſte Raum von — 40° C. im Januar liegt bei Jakutsk
¿wiſchen 60 u. 70° n. Br., Boothia Felix gegenüber.
Unter der Breite von Egedesminde (79° n. Br.) währt die Winter-
nacht 40 Tage, vom 1. Dez. bis 11. San., bei Uppernivit 79 Tage,
vom 12. Nov. bis zum 30. Jan. Schon ehe die Sonnenfcheibe wieder
über den Horizont herauffteigt, zeigt fich einige Tage vorher zur Mittags-
zeit eine prachtvolle Färbung des Himmels im Norden od. auch im
Süden. Ein herrliches xothes Licht bildet einen großen Bogen über
dem niedrigeren, unbeleuchteten Theile des Himmels u. der beſchatteten
Erde. Steigt die Sonne endlich iiber den Horizont empor u. erleuchtet
mit klarem Scheine die ſhneebede>te Landſchaft, ſo währt es längere
Zeit, ſogar mehrere Wochen, bevor man vvn den erwärmenden Eigen-
ſchaften ihrer Strahlen Etwas bemerkt. Tritt dagegen der Südoſtwind
ein, ſo ſteigt die Temperatur binnen wenigen Stunden nicht ſelten um
einige 20 Grad. Das Barometer zeigt gewöhnlich bei dem Nahen des
Südoſtwindes den niedrigſten Stand, 27°; ja, wenn der Wind orfan-
artig auftritt, nur 26” 10 oder darunter. Der Himmel iſt dann
ſhwa<h überzogen, beſonders mit bläulichen, langen, ovalen Wolken von
einem eigenthümlichen Anſehen u. von außerordentlicher Höhe. Jm Thale
iſt währenddem noch Alles ruhig. Bald jedoch ſieht man den Wind den
Schnee von den Berggipfeln jagen u. hört ihn in der Höhe brauſen, bis
er mit gewaltigen Stößen auh in die Thäler einfällt. Jn ungleicher
Heftigfeit hält er 2, 3 od. mehr Tage an u. wird ſelbſt mitten im Jan. od.
Febr. von furz vorübergehenden Strichregen begleitet. Abgeſehen von
dieſen leßteren, zeichnet ex ſih durch außerordentliche Trockenheit aus, u. das
Thermometer ſteigt mitunter bis auf + 5°C. Der Schnee verdunſtet u.
wird aufgeſaugt, ohne daß ein Tropfen rinnenden Waſſers bemerkt würde.
Werfen wir einen Bli> auf die Pflanzenwelt der arktiſchen Länder.
Wenn wir ein Gebirge mit ewigem Schnee, z. B. die Alpen, beſteigen,
jo ſchen wir in einer gewiſſen Höhe den Baumwuchs plößlih aufhören:
niedriges Geſträuch begleitet uns no< eine Strede, dann treffen wir
nur no< Gräſer, Mooſe und andere kleine Pflänzchen, wie ſie eben
wiſchen Schnee, Eis u. eiskaltem Waſſer noh beſtehen können. Steigen
wir nun zwar nicht die Alpen hinan, ſondern immer höher nad) Nor-
den hinauf, jo müffen wir endlich auf dieſelben Temperatur - Verhält-
niſſe ſtoßen, wie wir fie dort bei 3000 — 4000 Meter Höhe antrafen;
die Alpenregion iſ hier zu ebener Erde herabgeſtiegen, u. die Alpen-
pflanzen treten hier zum zweiten Male auf entweder in ganz denſelben
od. nahe verwandten Arten.
Schon lange, ehe man die Nordgrenze Aſiens od. des feſten Landes
von Amerika erreicht hat, haben die Bäume aufgehört. Man hat nur
moorige Tiefländer vor fich, im Winter mit dem Meere eine unterjchted-
loſe Schneewüfte bildend. Einige dur ſäuerlich ſcharfe Säfte aus-
gezeichnete heilſame Kräuter u. einige Alpengewächſe, wie Anemonen,
Ranunkelt, Steinbrecharten, Vergißmeinnicht u. \. w., bede>en während
des kurzen Sommers den Boden u. bilden an günſtigen Stellen ſogar
einen re<t hübſchen Blumenſlor. Flechten u. Mooſe ſind häufig u.
geben Renthieren u. Moſchusochſen Nahrung. Die nördlicher gelegenen
Juſeln haben ebenfalls ihre Heine Flora aufzuweiſen, freili<h nur in
ſpärlicher Vertheilung, da ihre Ufer meiſt ſteil u. felſig ſind. Das am
beſten botaniſh erforſchte Land iſt Grönland, welches als Muſter der
nordiſchen Floxa gelten kann. Obgleich ein Theil von Grönland no<
Arfktiſhe Lander 964
außerhalb der kalten Zone liegt, ſo iſ es doch faſt unmöglich, etwas
von unſeren Küchengewächſen dort fortzubringen, einige Radieschen,
Rüben, Salat, Kerbel ac. etwa ausgenommen, denen aber meiſt aller
Geſhma> fehlt; dagegen entfaltet fich die einheimische Flora in der
Juliſonne merkwürdig raſh. Selbſt im Norden des Landes, im Wal-
ſiſhſund u. Woſtenholmſund, entwickeln ſich dann einige zwanzig Pflanzen
vom Charakter der Alpengewächſe, wie Steinbreche (Saxifraga), Mauer:
pfeffer (Sedum), Läufefräuter (Pedicularis), Snöteriche (Polygonum),
Hungerblümchen (Draba), Fingerfräuter (Potentilla), Mohn (Papaver),
Hahnenfußarten (Ranunculus), verſchiedene Gräſer u. Binſen, Löffel-
kraut, Sauerampfer u. |. w. Die Holzgewächſe ſind vertreten durch
einige heidelbeerartige Gewächſe, nämlich Heidel -, Moos-, Rauſch- U.
Preißelbeeren. Die Früchte dieſer Sträucher werden jtet3 reif, fie
bilden das einzige grönländifche Obft, u. die Natur jorgt zugleich für
deſſen Aufbewahrung, da die Beeren ſih unter dem Schnee ſehr gut
halten. Dieſe Beerenſträucher im Verein mit einer od. zwei kleinen
Weiden, Zwergbirken u. dem grönländiſchen Porſt (Ledum) liefern zu-
gleih, entweder im friſchen Zuſtande od. in Torfmoor verwandelt, das
Feuerungsmaterial in Grönland. Wir geben hier die Abbildung einer
ſolchen. Polar- u. Alpenweide in natürlicher Größe; ſie möge als Maß-
ſtab für die ganze Eisflora dienen. (Nr. 779.) Zu ſo winzigen Zwergen
ſinken Pflanzenformen, die bei uns ſich zu ftattlichen Bäumen entwickeln,
in jenen falten Regionen herab. Scheu ziehen fie ihre Wurzeln vor
dem unterirdiſchen Eis zurü> u. treiben fie, Nahrung ſuchend, in horizon-
taler Richtung aus, ein dichtes Gewirr bildend; oder ſie klammern fich,
def Wärme nachgehend, in Felſenſpalten feſt. Ein grönländiſher Wald
von Weiden u. Birken iſt in vielen Fällen kaum mehr als einige Spannen
Hoch; man kann im Winter über ihn hinfahren, ohne eine Ahnung da-
von zu haben, u. die daneben wachſende isländiſche Flechte darf fich
erfühnen, ihren Wuchs mit folchen Waldbäumen zu vergleichen.
Ein merkwürdiger Umſtand iſ es, daß die Pflanzenwelt nirgends auf-
hört, jo weit man noch gegen Norden vordringen kann, ja daß fich ſogar
weiter hinauf ein beſſeres Klima u. eine reichere Flora aufzuthun ſcheint.
Jm Eingange vom Smithſund, nux noch 12'/° vom Pole entfernt,
bildeten Alpengräſer förmliche Wieſenflächen, 1. jenſeit der vorſpringenden
Spie v. Prudhoeland wird die Landſchaft viel freundlicher; es gab weniger
Schnee u. Eis auf Land u. Meer als in den ſüdl. liegenden Breiten, u.
im äußerſten Norden traf man ein weit hin ſich ſtre>endes eisfreies Meer.
> ES
Nr. 783. Eine Eskimohütte
Wie allerwärts, jo fommt natürlich auch im Norden viel darauf an,
ob die Bodenbeſchaſſenheit dem Pflanzenwuchſe günſtiger od. ungünſtiger
iſt. Die Melville- Fuſel, Weſtgrönland u. Spibbergen find reich an
Sandſtein, der einen tro>enen u. warmen Boden bildet, u. ſind daher
verhältnißmäßig viel reicher an Pflanzen als andere Punkte, wo ein
thoniger u. mergeliger Boden vorherrſcht. Dieſer hält beim Schmelzen
des Schnees das Waſſer zurü>, u. es entſtehen kalte Sümpfe, die der
Entwicklung des Pflanzenwuchſes nicht günſtig ſein können.
Aus der Dürftigkeit u. Kurzlebigkeit der polariſchen Pflanzenwelt läßt
ſich ſchon ſchließen, daß dort das Thierreich nicht eben ſtark vertreten ſein
könne; u. das iſt es in der That nicht, wenigſtens was die auf das
Land angewieſenen Thiere betrifſt; das thieriſhe Leben erſcheint dort
vielmehr und vorzugsweife in der Wafjerwelt und nicht weniger im
Bereich der Lüfte; zahlreiche Vögel kommen u. gehen, je nachdem der
Sommer ſie anlo>t od. der Winter ſie verſcheucht. Auch die Landſäuge-
thière ſind im arftifchen Amerika zum Theil Wanderthiere: Ren-
thiere, Hirſche u. Mofchusochfen, Teßtere ein zottiges Mittelding
zwiſchen Ochs u. Schaf, verbreiten fich vom Feftlande über die Snieln
u. gehen zurü>, wenn der Froſt ihnen Brücken baut. Shnen folgen
bentegierig Wolf u. Bär. Die Reitthiere dürfen indef ſchon als ein-
heimijch betrachtet werden, denn man hat fich überzeugt, daß eine An-
zahl derſelben auf den Jnſeln überwintert, u. auh auf Grönland leben
ſie wild; gezähmte Renthiere, ſo wichtig für den Menſchen des euro-
päiſchen u. aſiatiſchen Nordens, giebt es im Norden von Amerika nicht.
Unter dem Schnee leben von Wurzeln u. Flechten kleine furzſhwänzige
Mäuſe u. eine Art Lemming; ein niedliches weißes Polarhäschen
UT