Full text: A (1. Band)

  
  
  
   
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965 Arktiihe Länder 
iſt auh daz; es ſoll neun Monate Winterſchlaf Halten; kleine, dürre, 
höchſt zudringlihe Füchſe, im Winter ſchneeweiß, außerdem graubraun, 
u. eine andere Art od. Abart, der ſogenannte blaue Fuchs, durchſtreifen 
die Einöden, u. der einheimiſche arktiſ<he Rabe u. einige Schneeeulen 
theilen ſih mit ihnen in die niedere Jagd. 
Der unumſchränkte Herr zu Land u. Meer iſt der Eis8bär (Nr. 782), 
jenes kühne, nie raſtende Thier, das keineu Winterſchlaf kennt u. dem die 
grimmigjte Kälte nichts anhaben kann, der als unermüdlicher Wanderer 
ſeine Domäne durchzieht; denn ſeine Hauptnahrung, die Seehunde, kann 
er nur da erwarten, wo es offene Waſſerſtellen giebt, zu deren Auf- 
ſuchung er oft weite Reiſen über das Eis antreten muß. Aber er iſt 
auh ein eben ſo andauernder Schwimmer u. geſchi>ter Taucher, der 
von einer Eisſcholle, von einer Juſel zur andern zieht u. ſelbſt in den 
Meereswogen ſeine Beute zu faſſen weiß. Man hat zuweilen Bären 
viele Meilen weit vom Lande im offenen Waſſer ſchwimmend gefunden. 
Auch an Wölfen iſt im hohen Norden nirgends Mangel, u. ſie bil- 
den ebenfalls eine beſondere arktiſche Art. Sie gleichen dem zur Schäfer- 
hundraſſe gehörenden Eskimohunde dur< Größe, dichte Behaarung, auf- 
rechte Ohren u. ſpize Schnauze ſo ſehr, daß es faſt unmöglich ift, 
beide aus einiger Entfernung zu unterſcheiden. 
Aeußerſt belebt ſind die Lüfte des arktiſchen Sommers von allerhand 
See- u. Zugvögeln, die theils hier niſten, theils dieſes Geſchäftes halber 
noch weiter nördli<h in unbekannte Breiten ziehen. Wilde Gänſe ı. 
Enten, Sturmvögel, verſchiedene Möven, gefolgt von Raubvögeln, 
ziehen vorüber od. Tafjen fich nieder; eine kleine Alke od. Papageitaucher 
brütet in den Felſenſpalten. Ueber die ungeheure Maſſe der Vögel be- 
richtet die „Schwedische Expedition nach Spibbergen” ausführlich. An 
einen 250 bi8 300 Mir. Hohen Vogelberg, den größten aller bisher ge- 
ſehenen, gelangten die Schweden vor Kap Fanſhaw. Seine fteil u. jäh 
ins Meer hinabſtürzenden Wände waren mit Millionen von Alken 
(Nr. 780) bede>t, die dicht an einander gereiht, fich auf ihm nieder: 
gelaſſen hatten. Ungeachtet nach einem gegen einen ſolchen Berg ab- 
gefeuerten Schuſſe ſih die aufgeſchre>ten Vögel in ſo beträchtlicher An- 
zahl erheben, daß die Luft durch ſie verſinſtert wird, ſo kann man eine 
Verminderung der auf dem Berge zurüchleibenden dennoch nicht wahr- 
nehmen. Nähert man ſih den Bergen, ſo iſ es unmöglih, vor dem 
durch die Vereinigung der verſchiedenen Stimmen ſämmtlicher Vogel- 
gattungen hervorgebrachten Tonmeere irgend einen andern Laut zu ver- 
nehmen. Dieſes betäubende Geſchrei wird um ſo größer, je näher man 
fommt; allein man kann dann auch den Unterſchied der Stimmen einzelner 
Gattungen der Vögel wahrnehmen. Zwiſchen dem dumpfen Kurren der 
Alken vernimmt man das widerliche Girren der Rotjes, der beiden 
Hanptgattungen jener Bergbeivohner; aber die eben ſo wunderlichen {vie 
durchdringenden Laute der zahlreichen andern, durch die Annäherung 
der Menſchen aufs Höchſte aufgeregten Vogelgattungen, die ſih an dieſem 
Konzerte betheiligen, verichwimmen in einem Chaos, in welchem für ein 
menschliches Ohr die Möglichkeit einer Unterſcheidung nicht mehr vorhan- 
den iſt. Auch die Fnſektenwelt iſt niht ganz vom Norden ausgeſchloſſen. 
Außex den in gewiſſen Gegenden ſi<h nur zu jehr bemerflich machenden 
Moskitos hat man z. B. Schmetterlinge u. eine Art Bienen gefunden. 
Die Hauptwiege des animaliſchen Lebens im Norden iſt aber das Meer. 
Hier finden ſich zuvörderſt die Rieſen des Meeres, die Walfiſche, ſhwarze 
u. weiße, u: ihre Verwandten, der Finnfiſh, der Narwal, der Nord- 
faper; anfänglich in bedeutender Menge angetroffen, ſind jet dieſe 
werthvollen Großthiere ſhon bedeutend gelichtet od. haben fich vielleicht 
nach Meeresgegenden gezogen, die nie eines Menſchen Auge ſehen wird, 
wie fie jchon längft die europäischen Meere nicht gern mehr beſuchen. Die 
Walfiſchfänger ſind den Entde>kungsfahrern ſtets auf dem Fuße gefolgt u. 
haben hier im hohen Norden eine unerwartet reiche Beute gefunden. 
Namentlich war u. iſt die Baffinsbai noch ein beliebter Aufenthalt der 
Walfiſche, u. es läßt fich ſhon daraus ſ{<ließen, daß hier das Meer 
auch an- kleineren Seethieren niht arm ſein könne, um dieſen Koloſſen 
Nahrung zu geben. Jn der That finden ich eine Menge kleinerer Fiſche 
hier, darunter viele eßbare; außerdem Seekrebſe u. in den üppig wuchern- 
den Seetangen u. Algen vielerlei Schal - u. Kruſtenthiere. Der Haupt- 
nahrungsſ\tof für den Walfiſh ſollen aber kleine, kaum ſichtbare, 
ſchleimige Secethierchen ſein, die in ſo ungeheuren Maſſen auftreten, daß 
ſie der See meilenweit eine rothe od. andere Farbe ertheilen. 
Seehund, Walroß u. das Geſchlecht der Wale gehören bekannt- 
ih nicht der Klaſſe der Fiſche, ſondern den Säugethieren an: erſtere 
als Küſten-, Yebtere als eigentliche Wafjerthiere; alle aber zeichnen fich 
durch ihren Speckreichthum aus, der den ſogenannten Fiſchthran liefert, 
um deswillen alljährlich Taufende von Schiffen auslaufen u. allen Ge- 
fahren u. Schreden eines menjchenfeindlichen Klimas troßen. 
Wir Haben nun zum Abſchluß dieſer kurzen nordiſhen Umſchau unſere 
Vlicke noh auf den Menſchen der Polarländer zu richten, denn auch 
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Arktiſhe Länder 966 
an dieſem äußerſten Saume der Welt, zwiſchen ewigem Eis u. Schnee, 
hauſen denkende Weſen, die ein Glied der großen Menſchenfamilie aus- 
machen. Freilich gehören fie nicht zu den bevorzugten Stämmen, ja 
man nennt fie wol Wilde, od. Kinder der Natur. Aber die Bolarnatur 
iſt eine harte u. farge Mutter, fie verhätichelt ihre Kinder nicht; u. 
gleihwol lieben dieſe Menſchen ihre Natur u. Heimat, ihre angeborenen 
Verhältniſſe mit einer Stärke, die wir an uns nicht kennen. Kein Es- 
kimo, ſelbſt kein Lappe, kann es auf die Dauer in ſüdlicheren Gegen- 
den aushalten; er vermag fich nirgends dem Klima anzupaſſen, gedeiht 
nirgends, als unter den Strahlen der Polarſonne. Die allgemeine Er- 
ſcheinung, daß ein Menſchenſtamm um ſo inniger mit ſeinem Mutterboden 
verwachſen iſt, je tiefer er im Urzuſtande lebt, tritt gerade bei den Polar- 
völkern am deutlichſten hervor. 
So verſchieden der natürliche Charakter der Erdtheile Aſien, Europa 
u. Amerika immer ſein mag, jo {winden doh alle Unterſchiede u. 
Gegenſäße dort, wo dieſe Kontinente ihre nördlichſten Fortſäße in den 
Polarkreis vorſchieben; dieſe Ländertheile, kreisförmig um den Nordpol 
herum gelagert, bilden einen Komplex, in welchem die Kälte Alles 
gleichmacht. Ueberall dieſelbe ſtarre, öde Natur, u. überall auch der- 
ſelbe Menſch. Der Begriff Polarvölker läßt nur geringe Modifikationen 
zu, gleichviel, welcher Menfchenraffe man die verſchiedenen Stämme zu- 
theilen möge, welche. Sprache ſie reden; Einrichtungen u. Lebensweiſe, 
Wohnung, Kleidung u. Geräthichaften find bei allen faft gleich, u. was 
5. ®. von den Eskimos geſagt iſt, paßt jo ziemlich auch auf jedes 
andere Polarvoff, fei e8 auch noch fo weit von diejen entfernt. Es iſt 
eben die Natur des Landes, welche den Menſchen zwingt, ſo u. niht 
anders zu leben. Die Sorge für die phyſiſhe Lebenserhaltung drängt 
alles Andere in den Hintergrund; Ernährung des Leibes u. Beſhühung 
deſſelben gegen die Kälte ſind die beiden großen Bedürfniſſe, deren Be- 
friedigung die Lebensarbeit des Polarmenjchen ausmacht; in der Art 
u. Weiſe, wie er hierbei zu Werke geht, zeigt er im Allgemeinen guten 
Verſtand u. viel Geſchi>; ein Höheres Geiftesleben jedoch ift ihm fremd, 
u. einer Kultur nah unſeren Begriffen ſcheint er wenig zugänglich. 
Die unwirthliche Erde der Polarländer bietet unmittelbar faſt nichts 
zur Ernährung des Menſchen; ſeine Hauptunterhaltsquelle bildet das 
Thierreich, er iſ Fiſcher u. Jäger. Nux an einzelnen Punkten, wie 
in einem Theile Lapplands u. des nördlichen Rußlands, verſtand er 
das Nenthier zu zähmen, führte ein Hirtenleben u. erhob ſih-dadur< 
auf der Stufenleiter der Geſittung um eine Sproſſe höher. Wir haben 
uns bei gegenwärtiger Schilderung auf den Polarmenſchen Amerikas, 
den Esfkimo, zu beſchränken, jenen eigenthümlichen Menſchenſtamm, 
der in ungeheurer Ausdehnung, aber in ſpärlicher Vertheilung, die Fnſeln 
u. Küſtenpunkte des amerikaniſhen Nordens beſeßt hält, wo das Meer 
ihm ſeine Hauptunterhaltsmittel, Seehunde und Fiſche, liefern kann. 
Die Weſtküſte v. Grönland kann man als ein Hauptquartier des Eskimo- 
ſtammes anſehen; hier erſtre>en fich ſeine Niederlaſſungen bis zum Ein- 
gange von Smithsſund hinauf, während die unwirthliche Oſtküſte die 
faſt ſtets von Eis umwallt iſt, nur Spuren ehemaliger Niederlaſſungen 
aufweiſt. Auf den Jnſeln im Weſten von Grönland find an vielen 
Punkten Eskimos angetrofſen worden, wenigſtens auf den füdfich der 
Barrowſtraße gelegenen, während die Länder weiter nördl., die großen 
Streden, welche die Namen Nord - Lincoln, Ellesmereland, Grinnelland, 
Waſhingtonland führen, feinem menjchlichen Wejen Herberge geben. Auf 
dem amerikan. Feſtlande finden wir Eskimos die Küſte von Labrador ent- 
lang, wie auf der ganzen langen Nordküſte bis zur Beringsſtraße U. ſelbſt 
noch viel weiter ſüdlich, bis zum Eliasberge hin. Ob ſie hier in andere 
verwandte Völker allmählig verlaufen, u. wie weit ſie mit den Bewohnern 
der Alêuten, mit den aſiatiſchen Tſchuktſchen 2c. zuſammenhängen, iſt no< 
nicht ſicher feſtgeſtellt. Die Sprache der Eskimos mit ihren oft übermäßig 
langen Worten, die freilich eher Säße zu nennen ſind, iſt eine polyſynthe- 
tiſche, vielfah zuſammenſeßende. Hier heißt z. B. innuvoe, er lebt, iſt ein 
Menſch ; daraus entſteht dur<h Anhängſel: innugigpok, er ift ein hübſcher 
Menſchz innurdlukpok, er ift ein übelgeſtalteter Menſch; innuksisivavok, 
er iſt ein Menſch wie ein Grönländer; innungorpok, er fängt an- ein 
Grönländer zu werden. Tanuit, menſchliche Weſen, Männer, nennen die 
Esfimos fich ſelbſt; ihre bei uns gangbare Bezeichnung tft eigentlich ein 
Efelname, der ihnen von den nördlichen Fndianerſtämmen des Feſtlandes 
beigelegt worden iſt; er lautet urſprünglih Eſchkimai (nah einer andern 
Verſion Eskimantik, d. h. rohe Fiſcheſſer in der Algonkinſprache) u. be- 
deutet Rohfleiſchfreſſer. Merkwürdiger Weiſe iſt die Sprache dieſer Men- 
ſchen, die in fo weiter Ausdehnung, ſo zerſtreut u. faſt ohne Verkehr mit 
einander leben, im Allgemeinen wenigſtens ganz dieſelbe, u. Dolmetſcher, 
die ſih dieſe Sprache an einem Punkte aneigneten, konnten ſi<h überall 
verſtändigen, wo ſie irgend mit Esfkimos zuſammentrafen. 
Außer der Sprache fehlt dieſen Völkern jedes gemeinſame geiſtige 
Bandz ſie haben keine Ueberlieferungen über ihre Herkunft u. etwaigen 
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