Full text: A (1. Band)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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Afiyrien 
Diejelbe enthält nach der Entzifferung Oppert’3 eine von diefem Könige 
herrührende Jujchrift, deren Inhalt wir hier mittheilen wollen. Der König 
führt fich durch Anrufung der aſſyriſchen Landesgötter ein, die er mit pein- 
licher Genauigkeit aufzählt, preiſt u. um ihren ferneren Schuß bittet; dann 
kommt er in der beſcheidenſten Weiſe auf ſein eigenes Jch zu ſprechen, wie 
folgt: „Tiglat Pileſar, der gewaltige König, der erhabene Herrſcher über 
die Völker aller Zungen, der König der vier Windrichtungen, der König 
aller Könige, der Herr aller Herren U. f. w., das erlauchte Haupt, geſchirmt 
u. umſtrahlt vomSonnengotte, bewehrt mit dem blißenden, wohltreffenden 
Schwerte, hohſhwingend das Szepter , bekleidet mit dem Gürtel der Herr- 
ſchaft über alles Volk des Bel; er, deſſen Ruhm in die Ferne glänzt, weit 
über alle Könige hin; der einhergeſchritten iſt über Flächen u. Berge, der 
ſich unterthan gemacht hat alle Höhen u. Niederungen; der immer ſiegreiche 
Held, deſſen Name alle Nationen mit Grauſen erfüllt; der glänzende Stern, 
der, Krieg kündend in die entlegenſten Gegenden drang, der, getragen von 
Bel, dem Unvergleichlichen, die Feinde Atuxa's zermalmt u. in alle Winde 
geweht hat.“ Es folgt dann die Aufzählung der Feldzüge, die der König 
unternommen, die Nennung der Länder die er unterworfen, der Städte, 
die er in Aſche gelegt Hat. Schließlich wird jedoch auch eine große Anzahl 
von rühmlicheren Unternehmungen namhaft gemacht: es werden die Städte 
aufgeführt, die der König in feinem Reiche gegründet, die Tempel u. Pa- 
läſte, die er erbaut od. wiederhergeſtellt, die Dämme u. Kanäle, die er er- 
richtet hat, um die Bewäſſerung des Landes zu regeln u. das Wachsthum 
zu ſteigern, die nüßlichen Thiere u. Bäume, die er aus fernen Zonen auf 
aſſyriſchen Boden verpflanzt hat. Während alſo die unabläſſig mit Erfolg 
geführten Kriege einen raſtlos vorwärts ſtürmenden, energiſchen u. ſcharf- 
bli>enden Geiſt bekunden, laſſen die zulezt erwähnten Maßregeln ihn zu- 
gleich als einen in ſeiner Art edlen u. auf das Wohl ſeines Landes be- 
dachten Fürſten erſcheinen. 
Der Sohn Tiglat- Pileſar's, Sardanapal 1., ſebte 
deſſen Werk fort u. ſorgte, nachdem er einen Auſſtand 
ſiegreich unterdrückt hatte, für Befeſtigung u. Verſchöne- 
rung der von ſeinem Vater angelegten Städte. Sehr 
viele Bauten, die zu Nimrud ausgegraben wurden, wei- 
ſen auf ihn zurü>, beſonders der prächtige Palaſt, der im 
Nordweſten dieſes Nuinenortes bloßgelegt wurde. Eben- 
daſelbſt haben ſih einige Denkmäler aus der Zeit des 
Salmanaſſar, des Sohnes u. Nachfolgers des Sardana- 
pal, erhalten; das wichtigſte iſ ein mächtiger Obelisk 
aus ſchwarzem Bajalt (Ver. 924), der, ringsum bejchrie- 
ben, die Chronik der erſten 31 Regierungsjahre dieſes 
mächtigen Königs enthält u. ihn einen als tapfern und 
weiſen Herrſcher rühmt. 
Dieſe Glanzperiode Aſſyriens dauerte noh etwa zwei 
Jahrh. an. Um die Mitte des achten Jahrh. brach 
jedoch ein heftiger, wohlorganiſirter Aufſtand aus, in- 
folge deſſen ſih Medien (754) u. bald darauf auch Baby- 
lonien (747) losriß. Doch war Aſſyrien mit Meſopota- 
mien u. den weſtlichen Provinzen noch immer ein anſehn- 
liches Reich. Phul u. Salmanafjar, der Sohn des Phul 
(740—721), ſuchten den Verluſt, den das Reich erlitten 
hatte, dadurch wieder auszugleichen, daß ſie aufs Neue 
erobernd nach Weiten vorrücten u. Paläſtina u. Phöni- 
zien unterwarfen. Ja, unter Sargon (721—702) u. 
Sanherib (702—680) leuchtete der Stern des aſſyriſchen 
Weltreiches noch einmal auf. Erſterer warf die Elamäer, 
welche die Grenze bedrohten, nieder u. machte ſie zins- 
pflichtig; leßterer unterdrü>te raſch eine Empörung der 
Chaldäer, die von den Babyloniern angeſtiftet u. ge- 
nährt worden war, wandte ſih dann gegen dieſe ſelbſt, 
ihlug fie aufs Haupt u. vereinigte zum zweiten Male 
Babylonien u. Medien mit Aſſyrien. Aber ſchon unter 
ſeinem Sohne, Sardanapal 111. (625—606), fiel dieſer 
glänzende Bau wieder aus einander. Jn Babylonien u. Medien, die nur 
mit Widerſtreben das aſſyriſche Zoch trugen, brach abermals der Aufruhr 
(03; dort ſtellte fich Nabopalafjar, hier Kyarares an die Spibe, u. noch 
ehe der beſtürzte König Gegenmaßregeln einleiten konnte, überſchritten ſie 
die aſſyriſche Grenze u. ſchloſſen ihn in ſeiner Hauptſtadt Ninive ein (606). 
Die Belagerung machte ſchnelle Fortſchritte; um ſich nicht ergeben zu müſſen, 
ließ der König die Burg, in die er ſih mit ſeinem ganzen Hofſtaate, ſeinen 
Weibern u. Schäßen zurückgezogen hatte, anzünden u. ſtarb ſo den Flammen- 
tod. Daß Sardanapal wirklich jener weichliche, ſchlaffe Charakter geweſen ſei, 
als den man ihn gewöhnlich mit Bezugnahme auf ſein Ende ſchildert, iſt 
hiſtoriſch niht erweislich; keinesfalls leuchtet es aus dieſem einen Zuge 
mit zuverläſſiger Sicherheit hervor. 
Schon vor der Einnahme der Burg war ein großer Theil der rieſigen 
  
  
  
Aſſyrien 
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u. glanzvollen Bauten, an denen die Hauptſtadt reich wax, zerſtört worden; 
ein anderer wurde nah der Einnahme in Aſche gelegt; der Reſt folgte 
allmählig nah. Schon nah wenigen Jahrh. wußte man nicht mehr genau 
anzugeben, wo die Stadt einſt geſtanden; im Mittelalter verlor ſich ihre 
Spur gänzlich. Erſt in unſerem Jahrh. gelang es, dieſelbe wieder aufzu 
finden ır. eine beträchtliche Anzahl zum Theil ſehr wohl erhaltener Bauten 
ſammt allem Zubehör, Bildwerfen, Geräthichaften u. j. w. unter dem dar- 
über gelagerten Schutte Hervorzugraben u. fir die Erforichung des ajiy- 
riſchen Kulturlebens fru<tbar zu machen. 
Die meiſten dieſer Bauten ſind anſcheinend königliche Burgen; ſehr na- 
türlich daher, daß ſie von Beziehungen auf den König u. ſeinen Hofſtaat 
wimmeln. Faſt immer erſcheint in den zahlreichen Darſtellungen, die in 
Form von Reliefbildern an den Wänden ſolcher Paläſte angebracht ſind, 
der König, umringt von ſeinem Gefolge. Hier hält er mit den Großen 
des Reiches Rath; er ſit auf erhabenem Thronſeſſelz unter der Tiara, 
die ſein Haupt umgiebt, quillt ſein dichtes, am unteren Ende zierlich ver- 
fnüpfte3 Haar hervor; ein reich u. kunſtvoll gearbeiteter Gürtel umſchlingt 
in der Mitte jein buntes, bis auf die Füße herniederwallendes Gewand. 
Ernſt u. ehrfurchtgebietend fchtwingt er das Szepter in der Rechten, wäh- 
rend die Linke ſi kraftvoll auf das Schwert ſtüßt. Jn gebückter Stellung 
ſtehen die Vaſallen u. Räthe um ihn her u. harren ſeines Ausſpruches. 
Auf anderen Bildern zieht der König an der Spiße ſeiner Truppen in den 
Krieg. Hier hat er das Szepter daheim gelaſſen u. die wallende Toga 
mit einem eng anliegenden Schuppenpanzer vertauſcht. Er ſprengt, das 
blanke Schwert in der Nechten hoch emporhaltend, der Reiterei u. den 
Streitwagen voran, auf den Feind los. Bei Belagerungen giebt ex den 
Heerführern durch die hin- u. herfliegenden Boten die nöthigen Befehle, 
läßt die Sturmleitern anlegen u. dringt, ex ſelbſt der Erſte, über die 
  
  
Nr. 910, Khorſabad. 
Mauer hinweg od. durch die in dieſelbe gebrochene Breſche in die Stadt 
ein. Granenerregend ift das Bild, das von dem Verfahren mit den Be- 
ſiegten entrollt wird. Den Einen werden die Gliedmaßen abgeſchnitten od. 
verſtümmelt, die Andern werden ans Kreuz geſchlagen, wieder Andern 
wird mit glühenden Eiſen die Haut vom Leibe geriſſen. Freundlicher 
ſind die Bilder, die den Einzug des ſiegreich aus der Schlacht heimkeh- 
renden Königs feiern. Hoch auf prächtig geſhmücktem Roſſe ſitt der König, 
umtönt von klingendem Spiel, umrauſcht vom Jubel des Volkes; um ihn 
ſeine getreuen u. tapferen Feldherren; hinter ihm her in Ketten die ge- 
fangenen Fürſten, Krieger, Frauen u. Mädchen; dann folgt ein großer 
Zug von prächtigen Wagen u. Pferden, reich mit koſtbarer Beute beladen; 
endlich das ſiegreiche ſtattliche Heer ſelbſt, zu Roß u. zu Fuß, prangend 
im vollſten Waffenſchmuk. 
  
 
	        
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