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36 Eduard Schelle
die Grenzen des Pianinos durchbricht und dasfelbe mit der Orgel und dem
Harmonium verbindet. Es handelt fich mithin um eine Combination der Saiten
mit Pfeifen und Zungen. Die Idee ift zwar nicht neu; ähnliche Verbindungen if
das Piano fchon mehrmals eingegangen, und zwar nie zum Frommen der Kunft,
jedoch ift wenigftens der Gedanke glücklich durchgeführt, was dem Erbauer um
{o mehr zur Ehre gereicht, als er auf dem Gebiete des Inftrumentenbaues nur ein
Dilettant ift. Der Flügel repräfentirt die Wiener Mechanik und bietet als folcher
eben nichts Hervorragendes. Dagegen find Harmonium und Pfeifen von fchöner
Wirkung. Das erftere befteht aus 2 Spreizungen und umfafst’5 Odtaven, das letztere
ift aus 37 Orgelpfeifen zufammengefetzt, und umfchreibt 3 Octaven von Zan nach
der Höhe zu. Die Conftrudion ift derart, dafs man fowohl das Clavier als auch
jeden der beiden anderen Fadoren völlig ifoliren, mithin den Flügel in ein Har-
monium u. f. w. leicht umwandeln, auf der anderen Seite wiederum deren wechfel-
feitige Verbindung nach Belieben erzielen kann. Für derlei Manipulationen finden
fich verfchiedene Züge vor. Das Werk zählt im Ganzen 12 Regifter, vermittelft
welcher fich mannigfaltige Farbenmifchungen im Tonwefen ermöglichen laffen.
Weit höher als diefe Combination ift ein vom Erbauer erfonnenes Mittel, das
Stimmen der Pfeifen zu erleichtern, anzufchlagen, weil es auch bei der Orgel
feine Anwendung finden dürfte. Es befteht in einem Blättchen aus dem Metall der
Pfeifen, welches am Ausfchnitt derart angebracht ift, dafs es fich über die Kern-
fpalte fchieben läfst und man in Folge deffen diefelbe ohne Mühe nach Belieben
vereinigen, den Ton alfo mit leichter Mühe um ein Komma umftimmen kann. Das
Werk ift überhaupt trefflich und fauber gearbeitet. Der Mechanismus ift, fo
complicirt er auf den erften Blick auch fcheint, im Grunde einfach und die Errich-
tung des Ganzen fehr freundlich.
Die deutfche Abtheilung zählt nicht weniger als 07 Firmen, als deren
Spitzen J. & P. Schiedmayer in Stuttgart, Julius Blüthner in Leipzig,
Richard Lipp in Stuttgart und J. S. Du yfen in Berlin nach dem Werthe der
ausgeftellten Inftrumente zu bezeichnen find. Zunächft fällt fchon die erfte durch
die Auffchrift „Hors de concours“ in die Augen. Schiedmayer bekleidete
nämlich das Amt eines Jurors und konnte fich aus diefem Grunde an der Preis-
bewerbung nicht betheiligen. Seine Fabrik, deren bereits bei Gelegenheit der
Harmoniums gedacht wurde, hat einen Concert- und einen Salonflügel, beide mit
kreuzfaitigem Bezug, Repetitionsmechanik und maffiven, gufseifernen Rahmen
geliefert, beide höchft preiswürdige Inftrumente von folider Bauart und fchönem
Klangcharakter. Befonders fympathifch muthet der Salonflügel in kleinem Format
mit feinem weichen, fein egalifirten, gefangvollen Ton und feiner überaus ange-
nehmen Spielart an. Aufserdem feffelt er das Intereffe noch in anderer 3eziehung;
an ihm ftellt fich nämlich die neue, bereits erwähnte Srfindung, das fogenannte
Kunftpedal des Herrn Zachariä in Stuttgart vor, welches der Erfinder mit
diefem Inftrument in Verbindung gefetzt hat. Die beiden Flügel koften, der erfte,
der Concertflügel im mittelgrofsen Format gehalten und 71/, Octaven umfaffend,
1750 fl., der kleinere 1200 fl. Im Weiteren bat Schiedm ayer noch ausgettellt
ein Pianino, dreichörig, mit halboblique laufenden Saiten und überliegenden
Bafsfaiten, maffıver Vorderplatte zu 900 fl.; ein Pianino, dreichörig mit halb-
oblique laufenden Saiten und überliegenden Bafsfaiten, mit maffivem eifernen
Gufsftock und zufammenhängender Rückenwand zu 900 fl.; ein Pianino, drei-
chörig mit fenkrecht laufenden Saiten, eifernem Gufsftock und zufammenhängen
dem Rücken, Vorderplatte mit Compreffion, zu 1000 fl. öfterreichifcher Währung.
Auch diefe Inftrumente gereichen der Firmafowohl nach Bauart, wie nach Ton zur
grofsen Ehre. Wenn Herr Schiedmayeraus angeführten Gründen vom Wettkampf
um den Preis abftehen mufste, fo hat ihn dafür Herr Blüth ner, ebenfalls
eine im deutfchen Reiche obenanftehende Firma, muthig und fiegesbewufst
angenommen.