Full text: Musikalische Instrumente (Heft 39)

  
  
  
  
  
  
  
  
   
62 Eduard Schelle. 
Holz- und Blech-Blasinftrumente. Unter den erfteren lenkt die Flöte ein allge- 
meines Intereffe auf fich, als das Inftrument des „füfsen, irdifchen Verlangens*, 
wie esSchelling in feiner Aefthetik der Tonkunft bezeichnet, und in der That war 
fie ja, namentlich in unferer Wertherperiode, das mufikalifche Symbolder modernen 
Sentimentalität. Ueberdiefs hat die Flöte auch ein glänzender, hiftorifcher Nimbus 
gefchmückt, denn ihre Anfänge follen parallel mit der Orgel und fich an die 
Pansflöte knüpfen, ja noch mehr, fie follen fogar bis in den Olymp der unfterb- 
lichen Götter hineinreichen; denn, wie uns die Mythe fagt, hat Pallas Athene die 
Flöte erfunden. Die Göttin warf fie aber fort und verfluchte den, der fie aufheben 
würde, weil fie in der Quelle des Ida fah, wie beim Spielen des Inftrumentes ihre 
Backen auf Koften der Schönheit fich aufbliefen. Das Flötenfpiel mufste alfo 
damals grofse Anftrengungen verurfachen, denn es ift bekannt, dafs auch Alci- 
biades eine Antipathie gegen das Inftrument hatte, weil das Flötenfpiel das 
Geficht fo verunftaltet. So ift unfere moderne Flöte das unfchuldige Opfer der 
Phantafie geworden. Denn aus diefen Andeutungen, wie aus anderen Nachrichten 
geht hervor, dafs die fogenannte Flöte der Alten durch ein keffelartiges Mund- 
tück angeblafen wurde und alfo mit dem Inftrumente, welches wir jetzt unter 
diefem Namen kennen, gar keine Aehnlichkeit haben konnte. In Wahrheit aber 
ift. wohl die Flöte aus der Schwegel-, der Schweizer oder Querpfeife entftanden 
und wahrfcheinlich eine deutfche Eihndins und bei den Franzofen, wo fie fchon 
frühzeitig Eingang fand, zum Unterfchiede von der auch in Deutfchland bis in die 
Mitte des XV. Jahrhundertes in Gebrauch ftehenden Schnabelflöte, flüte 
Allemande und in England German flüte genannt. An Alter ift ihr die aus der 
Schalmei hervorgegangene Obo& überlegen. Schon in den beiden erften Jahr- 
zehnten des vorigen Jahrhundertes fehen wir die Technik an diefem Inftrumente 
bedeutend entwickelt, wie aus den Concerten Haendl’s auf der Obo& hervorgeht. 
Ihr fcharfer, dabei keufcher und heller Ton hatte fie fchon frühzeitig fehr beliebt 
gemacht; fo äufsert Matthefon (Orchefter I. 268), „fie käme nach der flüte Alle 
mande der Menfchenftimme wohl am näheften, wenn fie manierlich und nach der 
Singart tradtirt werde, wozu ein grofser Habitus und fonderlich die gantze an 
fchaft der Singekunft gehöret. W erden aber die Hautbois nicht auf das Allerdeli- 
catefte angeblafen (es ns denn im Felde oder inter pocula, wo mans eben 2 genau 
nicht nimmt), fo will ich lieber eine gute Maultrummel oder ein Kammftückchen 
davor hören und glaube, es werden ihrer mehr alfo verwehnet feyn“. Und fo ver- 
hält es fich noch und die Obo& verlangt fowie das Fagot einen feinen, gewiegten 
Künftler, wenn fie ihre Reize entfalten foll, und zwifchen den Lippen eines nicht 
hinreichend gebildeten Spielers erklingt fie leicht bis zum Unleidlichen fcharf und 
rauh. Auch die Clarinette, das jüngfte unter diefen Inftrumenten, erfunden gegen 
Ende des XVIH. Jahrhundertes von dem Nürnb erger Flötenmacher Denner, 
dürfte als eine Variation der alten Schalmei Außzurallen fein, obwohl fie fich durch 
eine weitere Bohrung und einen runden, üppigeren Ton von der Obo&, welch’ 
letztere mittelft eines doppelten Rohrblattes, der fogenannten Röhre intonirt 
wird, während das Mundftück der Clarinette nur ein, aber viel breiteres Blättchen 
enthält, unterfcheidet. Der Familie der letzteren gehört das Fagot an, eines der 
Aheien unferer jetzt gebräuchlichen Orchef Den es ift aus dem Bom- 
bard, dem gewöhnlichen Bafspommer, welcher durch eine Röhre in Form eines S$ 
intonirt wurde, entftanden. 
Auch bei diefen genannten Blasinftrumenten treten jene Unvollkommen- 
heiten des Mechanismus, auf welche bereits hingewiefen wurde, jetzt noch ftark 
zu Tage, wenngleich die gröfsten Uebelftände befeitigt find. Die Hauptfchwierig- 
keit für den Spieler befteht darin, dafs er den Ton zum Anfchlag nicht vorfindet, 
fondern ihn fich gewiffermafsen künftlich fchaffen mufs. So fteh en manche Töne 
von Natur zu tief und müffen durch ftärkeres Anblafen ins richtige Verhältnifs 
las Gegentheil ftatt. Der Geigenfpieler 
gebracht werden, bei anderen findet « 
befindet fich freilich in einer ähnlichen La 1 l 
ge, auch er mufs den Ton bilden; bei 
  
   
    
   
    
    
   
     
  
   
     
    
     
    
    
    
   
    
     
     
  
  
  
    
   
     
    
    
    
     
   
   
   
   
    
   
  
  
   
     
      
	        
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