Full text: Musikalische Instrumente (Heft 39)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
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4 Eduard Schelle. 
fchen, das Melo-Piano von Caldera & Broffi in Turin in der Nähe der 
italienifchen Abtheilung. Auf den erften Blick könnte es fcheinen, als ob beide 
Inftrumente eine Erweiterung der Pianofamilie bildeten, weil das Piano ihre 
Grundbeftandtheile ausmacht, allein aus ihren Wirkungen ergibt fich, dafs hie, 
anftatt die Natur des Piano zu ergänzen, diefelbe alteriren, da fie mit einem Worte 
etwas anftreben, was gegen den Charakter des Piano läuft. So ift das Piano 
Quatuor ein Inftrument, welches in Form eines Pianinos die Effedte des Streich- 
quartettes hervorzubringen die Aufgabe hat. Es hat ferner die Beftimmung, alle 
Nuancirungen der Streichinftrumente, wie das Anfchwellen und Abnehmen, das 
Ausftechen und Verbinden der Töne nicht nur treu wiederzugeben, fondern auch 
Gefangseffedte zu erzielen. Es will mit einem Worte ein Streichorfter im Kleinen 
darftellen, ein entfprechendes Surrogat für ein folches fein. Der Mechanismus, 
man mufs es geftehen, ift höchft finnreich. 
Die Conftrudion des Inftrumentes gleicht äufserlich der eines Pianinos. Der 
Bezugiftjedoch nicht dreichörig wie bei diefem, fondern fürjeden Ton eine einzige 
Stahlfaite angebracht; diefelbe mufs aber, um die erforderliche Tonfülle zu erzeugen, 
dreimal fo fark fein wie eine Clavierfaite. Diefelbe läuft zunächft über einen 
gewöhnlichen Steg, wird dann durch eine Schraube auf einen niedrigeren Steg 
gedrückt, welcher in Folge des Druckes auf den Refonanzboden diefelbe Wir- 
kung ausübt, wie der Steg bei einer Violine. Es wird dadurch bei jeder Schwin- 
gung eine Vibration erzeugt, welche die Tonftärke bedeutend vermehrt. Die 
Schwingungen felbft werden durch ein an der Saite angebrachtes Büfchel von 
Pflanzenfafern (imitirtes Rofshaar, „Tampico* genannt) fortgepflanzt. An einem 
mit der Tafte in Verbindung ftehenden Keil findet fich ein gebogenes Stück 
Fifchbein von beliebiger Stärke. Durch den Druck, der vom Spieler auf die 
Tafte ausgeübt wird, prefst das Fifchbein jedes Büfchel gegen einen aus hohlem 
Eifen angefertigten, mit Papierbekleidung überzogenen und Colophonium 
beftrichenen, wagrecht liegenden Cylinder. Derfelbe wird durch ein Pedalfyftem 
nach einer der Saite entgegengefetzten Richtung zu in Rotation verfetzt. Diefer 
Cylinder hat die Function des Violinbogens zu verfehen. Die fo entftehende 
Fridtion des Cylinders mit dem Büfchel theilt fich durch das Letztere der 
Saite mit. In dem Mafse, als die Fridtion durch den ftärkeren Taftendruck 
gefteigert wird, gewinnt der Ton an Kraft und Fülle. Die Stärke des Tones 
kann übrigens auch durch ein fchnelleres Treten des Pedales vermehrt werden, 
weil dadurch der Cylinder fich ebenfalls fchneller bewegt. Auf diefe Weife 
wird ein Ton erzeugt, der dem Charakter der Streichinftrumente fehr nahe 
kommt. Auf der jenen erwähnten Keil tragenden Seite befindet fich noch eine 
Spiralfeder, welche den Zweck hat, dem Fifchbein die zum Drucke gegen 
den Cylinder benöthigte Kraft zu verleihen. Mit der Tafte fteht die Leifte durch 
eine Stellfchraube in Verbindung, die Letztere dient dazu, die Bewegung des 
Fifchbeins gegen den Cylinder zu regeln und dasfelbe dem Büfchel fo nahe 
wie möglich zu bringen. Der Gang der Tafte wird durch einen befonderen 
Knopf geregelt. Die Tafte felbft ift ganz die des Pianos. 
Ein derartiges Inftrument brachte übrigens Baudet bereits unter dem 
Namen Piano-Violon in der Parifer Weltausftellung 1867 und mag jetzt hier 
nur einige wefentliche Verbefferungen erhalten haben. Die Idee ift übrigens 
nicht neu, fie liegt vielmehr fchon den im XVII. Jahrhundert beliebten Geigen- 
Claviercymbalen zu Grunde. Sehr gut, faft bis zur Täufchung nachgeahmt find 
die tieferen Streichinftrumente, wie Bratfche, Violoncell, weniger glücklich 
ift der Ton der Geigen getroffen, doch find von dem Erbauer einige Verbef- 
ferungen in Ausficht geftellt, welche das Inftrument nach diefer Seite hin ver- 
vollftändigen. 
Das Streichquartett wird das Piano-Quatuor nie erfetzen können, denn 
deffen Reiz beruht in erfter Linie auf dem Zufammenwirken von vier Individua- 
itäten: allein immer ift es für den Privatgebrauch eine intereffante Errungen- 
, 
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
     
	        
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