Sprengtechnik.
Schiefsbaumwolle von Prentice in Stowmarket.
Dynamit vonNobel& Comp. inKrümmel bei Hamburg und Zaämky bei Prag.
Nachdem die „Schwarzpulver‘ bereits bei den Explofionsftoffen (Gruppe III,
Section 5) ausführlich erörtert find, und da aus Betrachtungen über die Effecte
von langfam (Schwarzpulver) und momentan(Schiefs-Baumwolle und Nitroglycerin-
Pulver) wirkenden Sprengpräparaten in verfchiedenen Mitteln und bei verfchie-
dener Ladungsordnung hervorgeht, dafs im Militär-Sprengwefen die brifant
wirkenden Präparate bei den überwiegend meiften Fällen unvergleichlich vortheil-
hafter find als die Schwarzpulver, fo wird von der Befprechung der letzteren
Umgang genommen.
Die „Sprengmaffe* von Maffıipp in Genf von lichtbrauner Farbe dürfte
aus nitrirter Cellulofe beftehen, foll frei entzündet wie Dynamit völlig unexplofiv
fein und im Bergbaue Anwendung finden. — Es fcheint, dafs diefes Sprengmitte!
nur in einem Theile der Schweiz verwerthet wird.
Die „Schiefsbaumwolle“, von Profeffor Schönbein (1845) in Bafel entdeckt.
ift nicht ein zufälliger Fund, fondern das Ergebnifs einer Unterfuchungsreihe,
welche unter der Anleitung einer beftimmten Vorftellung über die Veränderungen
angeftellt wurde, die Pflanzenftoffe durch die Einwirkung einer fehr concentrirten
Salpeterfäure erleiden.
Kurz nach Schönbein machte Profeffor Böttger in Frankfurt die gleiche
Entdeckung, und es boten beide Gelehrten ihre Erfindung dem deutfchen Bunde
an, welcher jedoch folche Bedingungen ftellte, dafs zu befürchten war, die neue
Entdeckung würde geraume Zeit unbekannt bleiben. Diefs beftätigte fich jedoch
nicht, indem Profeffor Ott in Braunfchweig bekannt machte, dafs es ihm gelungen
fei, ein Präparat zu gewinnen, das in allen Eigenfchaften mit der von Schönbein
befchriebenen Schiefswolle übereinftimme. Die Schwierigkeit der Bereitungsweife
wurde unmittelbar darauf und faft gleichzeitig von Hopp in Leipzig und
marfch & Heeren in Hannover befeitigt, indem fie zeigten, dafs ein Säure-
gemifch, beftehend aus der Schwefelfäure und Salpeterfaure des Handels, fich
vortrefflich zu dem beabfichtigten Proceffe eigne. — Es konnte nur ein geübteı
Chemiker kleine Quantitäten Schiefsbaumwolle erzeugen, allein von einer fabriks-
mäfsigen Darftellung derfelben war man noch weit entfernt.
Erft demMitgliede der vom deutfchen Bunde berufenen Prüfungscommifhon
k. k. Artillerie-Hauptmann, nunmehrigen Feldmarfchall-Lieutenant Bäron Lenk,
gebührt das Verdienft, fo wefentliche Verbefferungen in die Schiefswollerzeugung
eingeführt zu haben, dafs die Gefahr, veränderliche Produdte zu erhalten, völlig
befeitigt erfchien und man hoffen konnte, die Schiefswolle als Munition bei
Schiefswaffen zu verwenden. Im Jahre 1852 wurde die Erfindung von Schönbein
und Böttger an die k. k., öfterreichifche Regierung, welcher gleichzeitig die von
Lenk gewonnenen Verbefferungen zur, freien Verfügung überlaf
Kar-
gleic
g fen wurden, ab-
getreten.
Es wurde zu Hirtenberg ein Militäretabliffement gegründet, in welchem
man, mit Geheimhaltung der neuen Verfahrungsart, Schiefswolle im grofsen Mafs-
ftabe erzeugte ; hiezu wurde Wolle in Strähnen, die nach der gebräuchlichen Be-
handlung mit Säuren etc. in entfprechende Formen gebracht wurden, verwendet.
Man verfertigte Gefchützpatronen und Sprengpatronen, indem man die Wolle
um einen hohlen Conus von Holz wickelte. Für Gewehrpatronen. wurde die
Wolle durch Weben zu einem hohlen Cylinder geformt.
Sehr bald gelangte man zu der Ueberzeugung, dafs fich die Schiefsbaum-
wolle nicht für Schufswaffen, fondern nur für Sprengladungen eignet. Eine bis jetzt
nicht erklärbare Explofion einer kleinen Schiefswollmenge auf der Simmeringer
Haide bei Wien, dann aber die Explofion des grofsen Schiefswollmagazins am
Steinfelde nächft Wiener-Neuftadt waren Urfache der Entfernung der Schiefswolle
aus der Sprengausrüftung der Genietruppe und der Vernichtung des gröfsten
Theiles der noch übrigen Schiefswollvorräthe,