Militärfanität und freiwillige Hilfe im Kriege.
Lazareth-Eifenbahnwagen.
Seit der Zeit, als überhaupt Eifenbahnen beftehen, hat man diefelben zum
Transporte Verwundeter und Kranker benützt, denn das Bedürfnifs, die Anhäufung
von Verwundeten in der nächften Umgebung der Schlachtfelder forgfam zu ver-
meiden, war längft bekannt; nur hatte man in früheren Zeiten, wo die Anwendung
des Dampfes rs Locomnoier noch nicht gekannt war, nicht die : Möglichkeit, eine
Zerftreuung der Verwundeten in gröfserem Maafse zu bewerkftelligen. Heutzutage
aber, wo ae der Eifenbahnen der Begriff Entfernung ein ganz anderer geworden,
ift die rafche Amovirung der Verwundeten vom Schlachtfelde zur Regel, zur
Pflicht, zum hygienifchen Axiom geworden, und zwar umfomehr, als die Ve erbeffe
rungen der Schufswaffen und a dadurch bedingte Aenderung der Kampfweife
und ferner die gröfsere Menge der Kämpfenden Hberh yaupt auch eine relativ und
abfolut gröfsere Anzahl von Bleffirte n nach einem Schlachttage ergibt, als diefs je
früher 2 r Fall gewefen ift. Namentlich der vorrückende Sieger ift es, dem die
Sorge um die eigenen Bleffirten und um jene des Gegners zukor ymmt, die ihm
in grofser Anzahl in die Hände fallen. Die vielen Tulende von Bleffirten dürfen
aber nicht zufammengehäuft in der Nähe des Schlachtfeldes verbleiben, denn
die Mittel, fie alle zu pflegen, fie alle unterzubringen fehlen, das Aerzte- und
legeperfonal, dieNahrung, Unterkunft, Wäfche und die hundert anderen Bedürf-
1iffe können unmöglich in hinreichender Anzahl aufgetrieben werden. Könnte
diefs aber auch der Fall fein, fo dürften die Bleffirten doch nicht in der Nähe
des Kampfplatzes verbleiben, denn die Anhäufung von vielen Wunden und
Erkrankungsfällen erzeugt Epidemien, denen dann nicht nur die Bleffirten,
fondern auch deren Umgebung zum Opfer fallen; ferner wird der Ausbruch folcher
Epidemien befördert durch die verpeftete Luft der felbft, in
denen wieder Taufende von Menfchen- und Pferdeleichen oberf lächlich ver-
[charrt ae denn das Kriegsglück kann fich wenden und der Rücken
les früheren .‚Schlachtfeldes zum neuen Kampfplatze werden. Die Evacuation
des Schlachtfeldes und der erften Feldlazarethe wird hiedurch zur Hauptpflicht der
Feldfanität, und Freund und Feind, Alles, was nicht fterbend oder gerade nicht
gut transportabel ift, wird fortgeführt weit vom Schlachfelde in die Heimath
oder in die Fremde, wenn befiegt, krank und gefangen.
Beide Theile können dadurch nur gewinnen, vorausgefetzt, dafs der
erfolgt und nicht allzu lange dauert. Die
1
Pf
Ä
I
Se
Transport auf zweckmäfsige Weife
Kriegschirurgie auf der einen, und die mehr und mehr fich vervollkommnen-
den Transportmittel auf der anderen Seite beftreben fich, diefem Poftulate
gerecht zu werden und es läfst fich hoffen, dafs die Leiftungen beider, namentlich
aber die des Transportsmateriales fchon in den nächften Kriegen Hand in
Hand gehen werden in der Löfung der grofsen und wichtigen Frage der
Rettung und Erhaltung der fürs Vaterland Gefallenen.
Wenn auch der Transport Verwundeter in früheren Zeiten mit Eifen-
bahnwagen erfolgte, fo gefchah diefs ohne weitere Vorbereitung derfelben und
in den Kriegen des Jahres 1859, 1804, ı866 und zum Theil noch 1870 und 1871
wurden die Nansdndateh in gewöhnlichen P erfonenwagen oder in leeren Latft-
wagen transportirt, auf den Sitzen ode auf Stroh gelagert, felten in Betten
auf Tragbahren oder Matratzen, die Sn auch ohne jede Vorbereitung
einfach auf denBoden der Laftwagen hingeftellt wurden. Die während des Krim-
kriegesvonBaudens, Larrey und Pirogo ff gemachten Verfuche, Verwundete
auf Tragb ahren in Eifenbahn-Wagen zweckmäffig unterzubringen, befchränkten fich
auf wenige Fälle und fanden keine nennenswerthe Nachahmung. Erft Amerika
belehrte uns, dafs man die Wagen zum Transporte der Verwundeten eigens ein-
richten müffe, um fie hiezu geeignet zu machen.