Full text: Kirchliche Kunst (Heft 19)

   
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6 Hans Petfchnig. 
Eine Empore läuft im Innern herum und die Decke if gewölbartig gefchalt 
Kleine Kleeblatt-Fenfter mit Butzenfcheiben erhellen fpärlich den Raum. 
Wenn diefer Bau, wie er im Ausftellungsraume zu fehen war, vollftändig 
kirchlich inftallirt worden wäre, fo hätte die Inneneinrichtung auch Gelegenheit 
geboten, die originellen Arbeiten, wie fie fich in ihrer traditionellen Einfachheit 
vererbt haben, zur Anfchauung zu bringen, und fo einen Vergleich zu geftatten, 
wie das künftlerifche Gefühl für ideale Zwecke auch mit befchränkten Mitteln 
Gutes und Schönes an verfchiedenen Orten zu leiften vermag. 
Ein kleiner Tempel in der externen japanefifchen Abtheilung aus Zedern- 
holz zeigte uns dagegen wieder eine ganz eigenthümliche Stilifirung der Aus- 
fchmückung, wobei Blattwerk, Vögel etc., Broncelöwen, welche ftark an die 
romanifche Stilifirung mahnen, als Aufsenfchmuck dienten. 
Im Induftriepalafte felbft fahen wir zwei Modelle des Tempels Naiku, wo 
Amaterafu Ohomirkami, die Ahnfrau des kaiferlichen Haufes, verehrt wurde, und 
welcher vor 2025 Jahren erbaut worden fein foll; ferner Gekwu, beftimmt zur 
Anbetung von Kunirotokachino Mikoto, unferes Schöpfers, vor 1396 Jahren erbaut. 
Die beiden Tempel find ohne allen Schmuck aus Zedernholz hergettellt, 
mit einem Stroh- oder Rohrdach verfehen, und liegen in einem eingefriedeten 
Raume, der noch mehrere andere kleinere Bauten einfchliefst. Der erfte heifst 
auch der innere, der zweite der äufsere Tempel. Das hohe Alter befitzen jedoch 
diefe Holzbauten nur dem Principe nach, da felbe alle 21 Jahre ganz neu, jedoch 
vollkommen identifch mit den alten, wieder erbaut werden. 
Auch China brachte mehrere Modelle von Pagoden und heiligen Stätten 
aus Marmor angefertigt. 
Intereffant war die aufgeftellte Betmafchine. An einem einfachen Gettelle, 
welches durch zwei Querleiften verbunden ift, fteht fenkrecht eine Achfe, um diefe 
dreht fich ein Tambour, roth lackirt, mit ornamentirten, vergoldeten Rändern. An 
diefer Trommel ift das Gebet mit grofsen, in Relief gehaltenen, vergoldeten, 
Buchftaben in chinefifcher Schrift angebracht. So oft nun die Trommel umgedreht 
wird, ift das Gebet als gefprochen zu betrachten. Bei einiger Uebung kann man 
rafch mit der nöthigen Anzahl von Gebeten fertig werden. Es ift diefs der höchfte 
Ausdruck des Formalismus, der leider in den meiften Religionen das Geiftige 
überwuchert und fo zum Indifferentismus führen mufs. 
In unmittelbarer Nähe diefer den Europäern fremden Welt trat uns die 
claffifche Welt der alten Griechen entgegen. Abgüffe, fowohl von Götterbildern, 
freilich in meift verftümmeltem Zuftande, ferner Bauformen antiker Tempel, und 
zahlreiche höchtt intereffante Photographien, unter denen jene vom Erechteon und 
Akropolis hervorvorragten, fchmückten die Ausftellung. 
Auch Photographien fpäterer griechifch-byzantinifcher Kirchen-Bauwerke 
zeigten uns die Umwandlung kirchlicher Architektur auf jener Stätte durch die Ein- 
führung der chriftlichen Religion. 
Mit Bedauern fah der Kunftforfcher diefe Refte der höchften idealen 
Kunftblüthe zerbröckelt und inStaub verfunken; doch der Geift, der fo Edles und 
Schönes gefchaffen, er lebt fort und befruchtetnoch fortwährend das Kunftbeftreben 
der nachlebenden Generationen. 
Angrenzend bot Rufsland einige Photographien ruffifcher Kirchen, in 
jener, man kann fagen, barbarifch-pittorefk ausgeftatteten byzantinifchen Kunft, in 
welche fpäter tartarifche Formen einbezogen worden find. 
Hervorragend und immer tonangebend für diefe Bauten ift die Kathedrale 
Vafili Blagenoi zu Moskau. Trotz der fpäteren Einführung des abendländifchen 
Stiles unter Peter dem Grofsen wurde der alte ruffifch-byzantinifche Stil für 
Kirchen und kirchliche Gebäude ebenfo für ihre Ausftattung beihalten und wird 
noch heute cultivirt, wie es das preisgekrönte Concursproject der Kathedrale von 
   
   
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
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