lit dem feinfühlenden, tief empfindenden Ernft Rietfchel verpflanzten fich
die Tendenzen der Berliner Schule nach en Rietfchel gchö rt unter d
Plaftikern diefes Jahrhunderts neben Rauch und Thorwaldfen die nächfte Stelle.
Sein Talent bewährte fich an monumentalen Werken ebenfo, wie an Ideal-
fchöpfungen; überall begegnen wir der edelften Auffaffung , hoher Formvoll-
endung und fcharfer Charakteriftik. Es darf hier nur auf feine unvergleichliche
Leffingftatue (Braunfchweig) hingewiefen werden, um alle Bedenken gegen den
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Realismas in der modernen Plaftik niederzufchla Igen.
Nicht in demfelben Geifte führt Ernft Hänel die Dresdner Schule weiter.
Seine Richtung kann wohl keineswegs antikifirend genannt werden, feinen
Geftalten ift Anmuth und ein gewiffes Leben nicht abzufprechen: man fühlt aber
immer den Architekten und den nüchternen Einfluss Genelli’s in feinen Linien,
die meift fo fchön als langweilig find. Treuer und bei weitem lebendiger bewest
ich Schilling in diefer ftilifirenden Richtung. Seine vier Tageszeiten, Gruppen
auf der Brühl’fchen Terraffe in Dresden, gehör ‘en zu dem Bedeutendften, was di
moderne Plaftik aufzuweifen hat. Auch fen für Wien beftimmtes Schillerdenkmal
vereinigt lebensvolle Wahrheit mit edler, monumentaler Würde
In München entwickelte Lud. Schwanthaler in der Kunftepoche unter
König Ludwig feine reiche Thätigkeit und fchuf eine Reihe monumentaler
Werke, die jedoch vorwiegend in dem Charakter des Decorativen blieben und
keine felbftftändige Richtung in fich führten. Die Maffe der Arbeiten und die
körperliche Hinfälligkeit Schw anthaler’s vereitelten eine gründliche Durchbildung
der Form von Seite des Schaffenden und konnte zumeift nur in dem Änlehnen an
die Antike die fchärfere individuelle Charakteriftik der Geftalten umgangen
werden. Auch mangelte es der Münchner Schule bis zur Neuzeit an bahn-
brechenden Talenten. Schaller, Widemann. Burgger erhoben fich nicht viel über
ihren Meifter,; der begabtefte aus der Schule Schwanthaler’s war noch der leider
zu früh verftorbene Hans Gaffer
Wie gegenwärtig die Dresdner, nahm zur Zeit die Münchner Schule auf
die Entwicklung der Plaftik in Wien bedeutfamen Einflufs. Gefchickte Deco-
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rateure find auch die Wiener Bildhauer von Klieber an geblieben; dafs fich aber
trotz mancher ausgefprochener Talente die Wiener Schule zu keiner Bedeutung
erheben konnte und felbft bis heute noch, wo in den letzten Jahren doch ein
regeres Leben in die Kunftverhältniffe fuhr, jede gröfsere Aufgabe im Auslande
beftellt werden mufs, hat feine Urfachen in ganz localen Verhältniff en, deren wir
bei Befprechung der öfterreichifchen Plaftik auf der Weltausftellung en paffant
sedenken wollen.
Es ift ein charakteriftifcher Zug unferer modernften Zeit und gerade der
Gegenwart, dafs in dem Strome der materiellen Tendenzen, in welchem fich der
Weltgeift bewegt, mehr als in einer anderen Epoche den Saiten der Lyrik
gelaufcht wird, und gerade in der Kunft das Seelifche, Naive, „was zum Herzen
geht“, weit mehr Beifall findet, als das wahrhaft Grofse, Erhabene und Erntfte. Te
mehr fich die Gedanken im realen Leben über den Horizont der Vergangenheit
emporfchwingen und geradezu jedes Gefühlsleben verläugnen, defto empfäng-
licher zeigt fich der Geift dafür in der Idealwelt der Kunft. Sie ift zum Afyl des
Seelenlebens geworden; das Begegnen entwohnter Stimmungen ruft uns zum
Beifall: wir freuen uns, die Poefie des Dafeins in Bild und Wort und Tönen zu
geniefsen, da uns das Leben felbft nur fpärlich diefe bietet; zu rafch verwifcht
die farbenreiche, bunte Welt oft fchön Empfundenes, die Kunft erweckt in ihren
Bildern wieder die Erinnerung und erhält, wenn auch nur in Schattenträumen.
was uns in der Welt fremd geworden. Defshalb find auch diejenigen Künfte, in
welchen die lyrifchen Wellen am tiefgreifendften [chwingen, dem Volke am
fympathifchften und heutzutage die beftgepflegten. Hierin fteht denn obenan «
Mufik. Sie ift für unfere modernen , ältniffe im Allgemeinen ein Factor,
der für die W andlung des Gefchmacks, felbft in der bildenden Kunft, von hohe:
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