Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

    
   
   
       
   
  
   
   
  
    
  
  
  
  
   
    
   
    
   
   
    
     
   
  
   
    
   
      
    
    
   
  
   
  
  
   
  
   
  
      
  
     
    
    
     
  
  
  
   
  
   
    
   
  
    
      
   
    
   
   
   
  
   
     
    
   
   
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Ziele (in der Barockperiode) verluftig wurde, bevor fie fich zur nothwendigen 
Freiheit emporgefchwungen hatte. 
Wenn wir die Künfllerkette von Niccolo Pifano (1230) bis herauf zu Michel 
Angelo überblicken, fo offenbart fich bei Allen zunächft der Drang nach Freiheit 
in der Formge bung; doch vollzieht fich die Entwicklung des neuen Idealttils in 
den auf dem Leben bafırten Formen nicht in fo leichter Weife. Einerfeits erhält 
fich die Antike, die als Grundlage der a spe ai angenommen wird, 
noch zu dominirend in den Darftellungen, als dafs ein feineres E mpfinden gefchult 
werden könnte; und andererfeits verfällt die Kunft wieder in den blanken Realis- 
mus, in dem (wie z.B. bei Donätello, Verrocchio, Ma azzoni) oft das Charakteriftifche 
über das one geftellt wird, de fie greift in das Gebiet der Malerei (wie bei 
Ghiberti) und überhebt fich der ihrer Wefenheit nach beftimmten Gefetze. Nur 
n Meifter, unter denen Lucca della Robbia (im XV.) und Andra Sanfovino 
(im XVI. Jahrhundert) den erften Rang einnehmen, verbinden bei feinem Natur- 
finne un inniger Empfindu ıngsweife zugleich auch hohe Schönheit der Form. 
Die Thätigkeit aller Bildner diefe er Zeit bewegte fich jedoch faft ausfchliefs- 
lich im Kirchlichen, wo, wie fchon angedeutet, den Kunft unfichtbare Schranken 
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Jie Profanfculptur des XVI. en erging fich zumeift als Dec- 
ration der Architekturen, En in Allegorien; in den Geif ft des Volkes konnte fie 
auch von diefer Seite her nicht eindriı ngen. "Was die Sculptur im XV. Jahrhundert 
an Leben von der Natur aus erreicht hatte, zum Erhabenen und Schönen empor- 
zuführen, das noch Willkürliche den edlen Gefetzen der Plaftik unterzuordnen. 
dazu nahm das XVI. 3a ırhundert wohl einen kühnen Anlauf, aber zu bald folgte 
in der Ausartung des Aeufserlichen die Erfchlaffung aller en Principien 
und die Phrafe trat an die Stelle des Natürlichen. Micl hel Angelo, der die menfch- 
liche Geftalt wie kein Bildner bis zu feiner Zeit fud irte, deffen ee unge- 
ftüme Natur jedoch ftets nach höheren Stilgefetzen in de r Darftellung rang und 
das Erhabene im Uebermenfchlichen fuchte, fteht an der jener Glanz- 
epoche der Sculptur: nicht feinen Geift finden wir mehr in den Werken feiner 
Nachahmer, wohl aber die in vollendeten Manirismus un virtuofe Behand- 
lung des Aeufserlichen. Lorenzo Bernini war derHauı ptmeifter diefer denkwürdi- 
gen Epoche und der gefeiertefte und meifibefchiftigte Künftler feiner Zeit. Die 
Parole in der Kunft hiefs von nun an „Affedt“ ; dieMittel jedoch, die zur Erre eichung 
desfelben angewendet wurden, blieben nicht natürliche: wie die Draperie alien 
Gefetzen der Schwere Hohn rich, in derfelben Weife ging:die Anatomie ins 
Regellofe a trug diefe Wiffenfchaft in mancher Hinficht fogar zur Vollendung 
des craffen Realismus noch bei. Das Schönheitsideal diefer Zeit kokettirte wohl 
zuweilen noch mit der antiken Auffaffung, wie überhaupt der Werth der Antike 
trotz des prononcirten Realismus keineswegs mifsachtet wurde: nur wurde alles 
Edle und Einfache nach dem Geifte der Zeit umgemodelt und die fchlichte Natur 
wie die erhabenen Vorbilder des Alterthums ins Phrafenhafte, Theatralifche um- 
efetzt. Ludwig XIV. konnte Bernini den „erlauchten Meifter“ nennen; denn für 
Frankreich wurde der Günftling des römifchen Hofes dasfelbe, was er für Italien 
war: der tonangebende Beherrfcher des Gefchmackes. Das Leben Bernini’s glich 
einem Künftler-Triumphzug; Könige und P äpfte buhlten geradezu um feine Gunft, 
an wenn man die Anzahl feiner Werke in der Sculptur, Malerei und Architektur 
en fo kann man dem Meifter wohl nicht die Bewunderung feines Genies 
oo aber auch nicht begreifen, wie nach der unmittelbar v neue gangenen 
E} che nach Lionardo und Raphael und im Angefichte der Antike die Welt an 
diefen Verirrungen des Gefchmacke s Befriedigung finden konnte. 
Diefe Zeit. wares denn vorn er in welcher die virtuofe Marmortechnik 
in den reichbefchäftigten Ateliers der Italiener ihre Aust bildung erlangte. Ab- 
fichtlich wurden die complicirte ften Aufgaben zu löfen gefucht, um nur in dem 
„Künftlichen“ zu brilliren, worüber freilich auf jeden weiteren Gehalt am Gegen- 
  
  
  
  
	        
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