Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

   
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
          
   
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
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Ö Dr. Jofef Bayer. 
zunächft mit der Arbeit der Fauft, mit der Handhabung der Ruderftange ihre 
Tage verbringen, ein naiver Idealismus aufblitzt und fich mit unmittelbarer finn- 
licher Gewalt ihrer Gemüther bemächtigt. Einen nicht fo vollftändigen pädago- 
gifchen Erfolg hat fchon jener junge Geiftliche bei feinem Religionsunterrichte. Es 
find freilich römifche Rangen, die er in die Lehre nimmt; die heilige Stadt 
erzeugt ein pfiffigeres Knabengefchlecht. Der erbauliche Einflufs des frommen 
Lehrers reicht nur in die nächfte Nähe; weiter hinten emancipirt fich der knaben- 
hafte Muthwille immer ungebundener, obgleich man den Burfchen dabei nicht im 
Geringften gram werden kann. EinBild von feinftem pfychologifchen Reize ift die 
Beichtfcene in der Sacriftei, wo eine junge Dame offenbar fehr verlegen und zer- 
knirfcht einem geiftlichen Herrn entgegentritt, dem diefe Art von confidentiellen 
Mittheilungen aus fchönem Munde nichts Neues zu fein fcheint; eine ganze kleine 
Gefchichte liegt in dem Bilde, das fo köftlich aus der Beichte fchwatzt. Die 
„Domherren im Chor“, die eben mit dem Rauchfaffe feierlich beräuchert werden, 
find aber vor Allem ein Meifterftück feiner, fchlau beobachtender Charakterifik. 
Eine bezeichnendere Elite höchft individueller clericaler Charakterköpfe aus der 
höheren Hierarchie kann man nicht wieder beifammen fehen. Und bei alledem ift 
der Maler keineswegs ein Satiriker; die fcharf angefchaute Wirklichkeit trägt 
ihre leife Ironie in fich felbft, welche der Darfteller in dem fpiegeltreuen Bilde 
auffängt, ohne fie mit Abficht zuzufchärfen. Man fühlt wohl den leichten, fchmun- 
zelnden Zug heraus, mit dem er feine Geftalten im bezeichnenden Momente 
erfafst und fixirt; aber nirgends überfchreitet feine helle und beftimmte Auffaffung 
die Grenze der Objectivität. Und mit diefer Klarheit und fonnigen Weichheit der 
malerifchen Anfchauung vereinigt fich eine durchgebildete Aquarelltechnik, 
welche bei längerer Schau immer neuen Genufs gewährt. 
Neben dem durchaus natürlichen Paffiny treten die forcirten, wenn auch 
eoloriftifch fehr verdienftlichen Bilder Charles Herbfthoffer’s nicht in das 
günftigfte Licht. Franzöfifcher Einflufs ift in der Wahl und Behandlung der 
Gegenftände, wie in der auf einen finnlichen Farbenreiz berechneten Technik 
wohl zu erkennen; wer aber im Sinne der Franzofen wagt und fpeculirt, mufs 
noch kühner und refoluter wagen, um gleich ihnen eine blendende und finnbe- 
thörende Wirkung zu erzielen. Eine Scene des tollften religiöfen Paroxismus, wie 
die auf dem „Friedhof von St. Medard in Paris“ darzuftellen, ift fchon an fich ein 
wunderlich gewähltes Thema; zudem erftarren hier die Aeufserungen des felt- 
famen Wahnfinnes in blofse Attituden bei höchft fauberer coloriftifcher Behand- 
lung, ftatt fich in eiu finnlich ergreifendes Bild von wirklicher, aufgewühlter 
Leidenfchaftlichkeit aufzulöfen. Entblöfste Brüfte, herausgewälzte Augen und 
halbunmögliche Stellungen allein thun es nicht. Die anderen, kleineren Bilder, 
wie „Die Herausforderung“, „Eine Plünderungsfcene“, „Ein Duell“ erinnern 
ftark an die franzöfifchen Rococomaler; es find doch eigentlich blofse manie- 
rirte technifche Probleme ohne felbftändige Empfindung, die uns fofort kalt 
laffen. Da wurde uns denn gleich wieder recht behaglich deutfch zu Muthe, 
wenn wir neben diefer franzöfirenden Experimentalmalerei Kurzbauer's 
wohlbekanntes Bild „Die ereilten Flüchtlinge“ aus unferer Belvederegallerie 
betrachteten; das ift fo ganz ein mit liebenswürdiger Laune und fchalkhafter 
Beobachtung vorgetragenes Gefchichtchen im allerbeften Sinne des Münchner 
Genres. Es wäre zu bedauern, wenn die Wiener Genrekunft der Mode und 
dem Luxus, fowie den Gelüften reicher Kunftliebhaber nachziehend, fich ihren 
deutfchen Charakteı entwinden liefse, und auf der Suche nach dem Pikanten 
dasjenige, was unferer Gemüthsart gemäfs ift, aus den Augen verlöre. Dann 
würde die Nuditätenmalerei, die bereits lange im beften Zuge ift, bei uns 
immer mehr um fich greifen, und jene Bacchantin, wie fie Felix nach franzö- 
fifcher Manier ins Grüne gebettet, ihre immer zahlreichere nackte Camaraderie 
finden; nebenbei würde die blofse Pikanterie, wie in der Schönen, die „auf 
gefährlichen Wegen“ wandelt, von Jofef Fux, die gefchmackvolle breitcoloriftifche 
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