Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

10 Dr. Jofef Bayer. 
tigen, naturfrifchen Eindruck, fowohl durch die rafch erfafste Beobachtung, als 
die geiitreiche und fichere Handfchrift des Pinfels. Des Charakteriftifchen haben 
wir in diefer Kleinmalerei gerade genug und verlangen da nicht nach mehr. Die 
ungarifchen Maler geben uns aber nach diefer Richtung mehr, als nöthig und 
eben erquicklich ift. Im transleithanifchen Genrebild geht es bunt genug und 
keineswegs civilifirt und fäuberlich her; „ruhende Betyaren“ (Johann Gregufs), 
verfchiedene Bettler (Bela Grofs), „muficirende Zigeuner“ (Johann Valen- 
tini), treiben fich da nebeneinander umher. Am meiften energifche Eigenthüm- 
lichkeit nach diefer Seite -- freilich auch mehr Energie als Gefchmack — zeigt 
Mich. Munkäcsy, der magyarifche Genremaler par excellence. Er fteigt noch 
tiefer in feiner Stoffwahl herab — vom verwahrloften Volke zum richtigen Gefin- 
del. Mit Vorliebe malt er jenen Theil der Menfchheit, der dem argwöhnifchen 
Auge der Polizei und dem ftrafenden Arme der Juftiz am nächften fteht. Reif für 
das Gefängnifs oder doch für den Gemeindekotter find feine Geftalten alle; wenn 
nicht als Verbrecher, fo kann man fie doch als Vagabunden unbedenklich einzie- 
hen. Munkäcsyift der Maler der Verlotterung und des Branntweinraufches; 
als folcher erfcheint er auch in den ausgeftellten Bildern „Nachtfchwärmer“ und 
„Wankende Heimkehr“. Nie bringt er es zur Darftellung eines luftigen Exceffes, 
wo der Eindruck der Verkommenheit durch Humor gemildert würde; feine aller- 
dings geiftreiche Technik, die Alles refolut und kühn hinfetzt, die düfter geftiminte, 
ganz merkwürdige Haltung feiner Bilder, in der er, wie Dr. A. Springer richtig 
gefehen, den franzöfifchen Einflufs auf fich wirken läfst, als ob er Ribot’s aus 
fchwarzen und weifsen Tönen gemifchtes Colorit nach Ungarn verpflanzen wollte, 
kann uns artiftifch in hohem Grade intereffiren, aber nicht mit der Stoffwahl und 
Grundftimmung feiner Bilder verföhnen. 
Indem wir uns wieder nach Wien zurückwenden, müffen wir da wenigftens 
im Vorübergehen der bedeutenden und gefchmackvollen Entwicklung der 
Bildnifsmalerei gedenken. Wien vereinigt einmal eine Anzahl auserlefener 
Talente in diefer Gattung, deren Gedeihen auch, wie in Paris und Berlin, mit 
den Beziehungen zu den diftinguirten Gefellfchaftskreifen zufammenhängt. Den 
repräfentativen Anftand bei Männern, die gefellfchaftliche feine Haltung bei 
Frauen, überhaupt jenen Ausdruck der Perfönlichkeit, der durch ihre Stellung 
zur Welt bedingt wird, wiffen unfere Porträtmaler vortrefflich wiederzugeben, 
nicht immer die intimern pfychologifchen Züge, das feinere, poetifch-finnige, 
oder charakteriftifch zugefchärfte Element der Individualität, auch da, wo es 
wirklich aus der Phyfiognomie hervorzuholen wäre. Eine elegante und effed- 
volle Technik vervollftändigt in den meiftenFällen den falonfähigen Eindruck der 
Wiener Porträtkunft. Angeli und Fr. Lenbach treten da mit einer Reihe 
glänzender Leiftungen in den Vordergrund ; ihre beiden Kaiferbildniffe brauchen 
wir an diefer Stelle einfach nur zu erwähnen, da ihre vergleichende Befpre- 
chung fchon als Zeitungsftoff in den Weltausftellungstagen fich erfchöpfte. 
Neben feinem Meifter Am erling trat uns J. M. Aigner wieder als der 
langbewährte Bildnifsmaler von feinem künfllerifchen Gefühle und gefchmack- 
voller technifcher Durchbildung in drei ausgeftellten Porträts entgegen. Lafite, 
Schrotzberg, Guftav Gaul, Ar.Oeconomo brachten ihre eigenthümlichen 
Vorzüge und Manieren in bezeichnenden und werthvollen Leiftungen zur Gel- 
tung. Ed. Charlemont ftellte ein Bildnifs zweier Knaben in der malerifchen 
Tracht des XV. Jahrhundertes aus, anmuthig und zwanglos in der Stellung 
und von grofsem coloriftifchen Reize. 
Das Kriegsbild war in der öfterreichifchen Ausftellung nicht zahlreich 
vertreten. Die militärifchenActionen, wie fie Sigm.l’Allemand mehr mit fcharfem 
Auge für das Detail als mit Wiedergabe des Totaleindruckes des entfcheidenden 
Gefechtes zu verfinnlichen pflegt, find bekannt genug. Wirfahen hievon wieder drei 
meifterhafte Proben, „Die Erftürmung des Belvedere in der Schlacht bei Cuftozza 
(1866)* „Die Schlacht bei Caldiero (1805)* und „Die Schlacht bei Kolin“, theils 
go 
     
   
  
   
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
in 
a 
TR Ran 
A 
eure 
an 
  
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.