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223 Dr. Jofef Bayer.
kamen. Eine lange Zeit über dominirte das Mittelalter: die deutfche Kaiferzeit.
jener Jahrhunderte, wo die Edelfteine der alten Reichskrone noch im romantifchen
Glanze leuchteten — alfo die Ottonen, die Hohenftaufen und für das tragifch-fen-
timentale Bedürfnifs die rührende Geftalt Conradins vonSchwaben und die Kinder
König Manfreds. Heinrich von Ruftige hat uns ganz in der abgeblafsten
Manier jener deutfchen Kaifermalerei einen Otto I. geliefert. Es ift in diefer Rich-
tung nicht mehr viel zu holen. Man hat das Mittelalter ganz fo akademifirt, wie
früher einmal die antiken Stoffe. Heutzutage, wo das deutfche Reich ein ganz
moderner Staatsbegriff geworden ift und das lebhaftefte Tagesintereffe fich feiner
vorwärtsdrängenden politifchen Lebensthätigkeit zuwendet, find uns jene grofsen,
auf Leinwand übertragenen Bilderbogen aus dem Mittelalter ziemlich gleichgiltig
geworden. Jene ganze Malerei war ein Ergebnifs der Gefchichtsromantik und
hatte etwas von dem Schattenhaften der Heiligenmalerei an fich.
Intereffanter find uns die Gefchichtsmaler, die fich nach perfönlicher Nei-
gung, nicht blos einem allgemeinen Zuge folgend, ihre Helden felbft wählten.
Freilich geriethen diefe auch wieder in eine hiftorifche Tendenz- und Stimmungs-
malerei, die man fich aber, wie alles Perfönliche, immer lieber in der Kunft gefal-
len läfst. Mit einer echten Düffeldorfifch fubjediven Theilnahme, allerdings mit
einer über die ganze Schulrichtung weit hinaus gehenden Tiefe und Kraft ver-
weilte Carl Friedrich Leffing bei der Darftellung feines Lieblingshelden, des
Märtyrers Johannes Hufs; dem Aachener Alfred Rethel war es fpäterhin ver-
gönnt, die Gefchichte feines Helden, Carls des Grofsen, für den Rathhausfaal zu
Aachen felbft zu malen und ihn dort in bedeutenden Compofitionen bis in- fein
geheimnifsvolles Grab hinabzuleiten.
Auch Carl Bendemann hatte fich viel früher fchon feinen Helden
gewählt, den elegifcheften der biblifchen Propheten, aber im Moment einer hifto-
rifchen Kataftrophe. Die fanfte Düffeldorfer Schwermuth konnte leicht auch in
den Ton der Jeremiade übergehen; dennoch bleibt es ein grofses Verdienft des
Meifters, dafs er das biblifche Thema nicht mehr im hergebrachten Sinne des
Legendenbildes auffafste, fondern es mit einer gewiffen Entfchloffenheit auf den
Boden der Gefchichtsmalerei hinüberführte. Bei feinem neuen Jeremias, den er
ausftellte (eigentlich benennt fich das Bild „Wegführung der Juden in die baby-
lonifche Gefangenfchaft“) ift diefs noch in gefteigertem Mafse der Fall, obgleich
das berühmte ältere Bild mehr Stimmungsgehalt hat. Der kräftig hervorgehobene
Gegenfatz des ftolzen Sicgers und der theils verzagten, theils in wilder Aufregung
begriffenen Befiegten gibt der Darftellung die volle bedeutfame Spannung eines
hiftorifchen Momentes; der Prophet felbft fitzt inmitten der brandenden Wogen
der Volksleidenfchaften da wie erftarrt in einem grofsen, geiftig vertieften
Schmerz, der über die blofe momentan heftige Empfindung des National-
unglückes in den Maffen weit hinausgeht. Der Triumphzug des chaldäifchen Herr-
fchers im Hintergrunde ift wirkungsvoll und bedeutfam angeordnet; wie überhaupt
diefes Gemälde, wenn es auch unter der Nachwirkung eines älteren Kunftprinci-
pes gedacht und ausgeführt ift, zu den ganz wenigen, in höherem Sinne compo-
nirten Bildern der deutfchen Ausftellung zählt.
Die neue coloriftifche Richtung in Deutfchland hat kein eigentliches
gefchichtliches Pathos und darum auch keine Lieblingshelden. Sie fchätzt die
hiftorifchen Stoffe meift nur nach demjenigen ab, was fich ihnen in der Farbe
abgewinnen läfst, und malt aus der Gefchichte Alles, was da gleifst und glänzt,
durch Licht- und Farbeneffecte und naturaliftifiche Wiedergabe des Stofflichen
{ich für den malerifchen Tagesgefchmack verwerthen läfst. Die Seele der
deutfchen Kunft werden wir im Augenblicke gerade bei diefer pompös heraus
geftutzten Gattung am wenigften erfragen. An die Stelle der Compofition in
grofsem und ernftem Sinne tritt bei unferen modernen Coloriften eine gewiffe
raffinirte Kunft der Infcenirung, die der Bühne abgefehen und auf das Gemälde
übertragen zu fein fcheint. Ein prächtiges Farbenfchauftück diefer Art, mit glück-
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