Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

   
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Die Malerei, 
Fauft bei den Bauern unter der Linde von Claudius Schraudolph j. in Mün- 
chen; „Ueberfall Weifslingen’s durch Götz von Berlichingen“ vonA.Wagnerin 
München. 
Die Lifte ift kaum noch vollftfändig. Wenn wir da eine Auslefe treffen, fo 
zeigen fich da die gemalten Opernmotive als die leerften und ungünftigften; fie 
haben den mindeften geftaltbaren Fonds und fagen vielleicht defshalb den geftal- 
tungsunfähigen Malern am meiften zu: fo insbefondere die aus dem breiten 
Mufikbrei Richard Wagner’s herauffteigenden Figuren, auf die fich Th. Pixis ge- 
worfen hat. Aukchdi am wirkfamften und wohl auch am meiften lebensfähig ı ift 
jene Form des Illuftrationsbildes, die völlig in der genreartigen Auffaffung auf- 
geht; Barth’s „Porzia und Bafl Go gehört hieher, ein Bild, das fich ganz in die 
Reihe des coloriftifch beliebten venetianifchen Coftumegenres ftellt. Als humo 
riftifche Genrefigur mufs immer wieder der dicke Ritter Sir John herhalten, der 
nicht nur felbft witzig war, fondern auch der verfchuldende Anlafs zahllofer 
Malerwitze wurde. Grützner’s „Falftaff“ hat da alle Eigenfchaften eines popu- 
lären Genrebildes, und in der Charakteriftik des Helden das richtige fchlemmer- 
hafte Behagen, eh die für die Beleibtheit des Ritters fo unbehagliche Wafch- 
korbsfcene bei Lindenfchmidt mehr mit geiftreichem Pinfel als mit vollem 
Humor vorgetragen ift. Zu einem altdeutfchen Genrebilde voll gemüthlichen Ge- 
haltes und tre ffender Charakteriftik wufste Schraud olph.d. j. die Bauernfcene 
aus Fauft’s Ofterfpaziergang zu beleben. Die Situation der Dichtung ift hier nur 
das anregende Motiv, das dann felbftftändig in malerifchem Sinne dutchgebi ildet 
ift. Das „Gretchen* von Max ift eine gemalte Vifon, als folche freilich viel zu 
farbendeutlich und körpe :rlich, aber immer von ergreifendem Eindrucke. Das 
Gefpenftige liegt da im Ausd Fiel dem krankhaft Gequälten ziemlich nahe. Diefes 
Gretchen ift in malerifchem Sinne ganz eine Schw er jener blinden Chriftin an 
der Pforte der Katakomben, die der Maler ebenfalls ausgeftellt hat. Uebrigens 
durchfchritt die Geftalt faft alle Säle der Kunfthalle; feit Ary Schefer 
hat fie es der Illuftrationsluft der Maler angethan. 
Gabriel Max gefällt ich überhaupt in der Dämmerfphäre poetifcher Stim 
nungen, mag nun die Anregung dazu literarifch entlehnt oder eine fell iftftändige 
Singebung En Er träumt und dichtet gern, aber doch immer als Maler, und 
wenn feine Phantafien ganz ins Bild Dr achfen und in ihm Körper und Farbe 
bekommen, kann man fie fich wohl gefallen laffen. Ein überreizter Zug der 
Empf indung, ein Pulsfchlag der Phantafie, der nicht ganz normal ift, zeigt fich 
wohl überall; er geht den Bildern des Schmerzes, der Sehnfucht, felbft der Luft 
auf eigenen Wegen nach und verwechfelt wohl das Ungewöhnliche und Frappante 
manchmal mit dem Bedeutenden. Das Letztere hat trotz der ungeheuren Diftanz 
mit dem Alltäglichen und Gewöhnlichen das gemein, dafs es ebenfo natürlich 
und felbftverftändlich erfcheint, wenn es einmal in einem Kunftw erke erreicht und 
ausgefprochen ift. Gabriel Max ift ein Maler der krankhaften und überreizten 
Exiftenzen, des fahlen, matten Teints, ob er fchon von frommem Martyrium oder 
der ermüdeten, weltlichen Sünde herrührt. Seine geblendete Chriftin, fein Gret- 
chen mit dem Blutftreifen um den Hals, die junge, frühverblühte Dame von fehr 
zweifelhaftem Rufe, die nach dem Balle entkleidet im fahlen Frühdämmerfchein auf 
dem Bette fitzt, gehören der malerifchen Grundftimmung nach in dasfelbe 
Gefchlecht; krank find fie eben Alle. Auch fein „Mädchen im Frühlingsgrün“ ift 
nicht gefund und felbft der Mai, der fie fproffend umgibt, fcheint uns hektifch 
angehaucht zu fein. Max ift ein bedeutendes, ernft firebendes Talent, aber die 
höchfte Göttergunft der Begabung, die freiathmende Gefundheit fcheint ihm nicht 
verliehen zu fein. 
Die deutfche Kunft fcheint fich deffen bewufst zu fein. dafs fie der fortgefetz- 
ten Auffrifchung durch das Volksleben bedarf. Sie begibt fich auf das Land, 
wenn fie das Be dürfnifs der gründlichen Genefung fo recht dringend fühlt. Was 
die Dorfgefchichte in unferer Literatur, das ift das Bauerngenre in 
der modernen 
     
  
   
   
    
   
  
   
   
    
  
   
    
  
    
   
   
     
  
  
   
   
   
   
   
  
    
  
  
  
  
   
   
   
     
   
   
    
   
  
  
  
   
     
   
    
     
      
    
    
   
     
  
    
     
  
  
 
	        
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