Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

   
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28 Dr. Jofef Bayer. 
deutfchen Malerei. Diefe Gattung ift fchon von früherem Datum; aber ehedem 
war fie nur eine Specialität, ein malerifches Studium — jetzt geht fie aus einem 
tieferen Triebe hervor und gewinnt dadurch in gefteigertem Mafse an Bedeutung 
und Gehalt. Wenn Hamlet einmal fagt, dafs der Bauer dem Hofmanne nun auf 
die Ferfe trete, fo könnte man ein ähnliches Wort von der neuen deutfchen Genre- 
malerei brauchen. Auch die Bauern vonKn aus, Vautier, Riefftahl, Dei- 
regger und Anderen treten mit ihrem höchft realiftifchen Nagelfchuh den vor- 
nehmen Geftalten des abgeblafsten idealen Stils längft fchon auf die Ferfe. Die 
Entwicklung des ländlichen Genres in der deutfchen Kunft hat auch fo ihre 
kleine Gefchichte für fich. Als die Düffeldorfer noch ihren ausgeprägten Schul- 
charakter hatten, traten die Dorf- und Volksmaler der conventionell-fentimentalen 
Hauptrichtung der Schule reagirend entgegen. Sie bildeten gleichfam die reali- 
ftifch gefinnte Düffeldorfer-Linke, die fich von den trauernden Königsföhnen hin- 
weg dem Leben und Treiben des Volkes zuwandte. Die Meiften diefer Maler 
fuchten fich ihre Specialität heraus und ftudirten fich, wie die Landfchafter in den 
Localcharakter gewiffer Gegenden, in eine beftimmte Stammesart und volksthüm 
liche Lebensweife hinein. So lieferte Rudolf Jordan regelmäfsig feine Bilder 
aus dem Lootfenleben des Nordfeeftrandes; Chriftian Böttcher war im Schwarz- 
wald, der treffliche J. Becker im Wefterwald und in hefüfchen Dörfern zu Haufe. 
und fo theilte fich weiter das deutfche Volksbild nach Gauen und Landsmann: 
[chaften. Es wäre da von grofsem Intereffe, das aufgefuchte Voiksthum und jenes, 
aus dem der Künftler hervorgegangen oder in das er fich gemüthlich eingelebt 
hat, näher zu unterfcheiden. Zwifchendurch nahm das Dorfgenre felbft auch 
etwas Conventionell-Sentimentales an. Die Dirndl’n auf dem Kirchgang, die 
ländlichen Zitherfpieler in fauberer Sonntagstracht, die Sennerinen, die finnend 
ins Abendroth blicken, waren kein fonderlicher Gewinn gegenüber der Schatten 
haften Düffeldorfer Wehmuth. Daneben ftellte fich auch eine zwar gefündere, 
aber ftereotype Gemüthlichkeit der Bauernftube ein, bei der Grofsmutter und 
Enkel, Bauernföhne, die als firamme Soldaten wiederkehrten u. f. w. immer wie- 
der herhalten mufsten. In der letzten Wendung, die das deutfche Genrebild 
nahm, erhob fich aber die Volks- und Sittenmalerei zu einer ganz bedeutenden 
Höhe. Wir müffen fie geradezu als diejenige Gattung bezeichnen, in welcher jetzt 
das Herz der deutfchen Kunft am vernehmbarften fchlägt. Man begnügt fich nicht 
mehr mit äufserlichen Gruppirungen und anekdotenhaften Motiven; die führen- 
(len Meifter diefes Faches greifen tief in die Volksfeele und fleigern die Schilde- 
rung derfelben oft zum höchften bezeichnenden Ausdruck, der ins Ganze und 
Volle geht. Ein fkandinavifcher Maler der Düffeldorf’fchen Schule, Adolf Tide- 
mand aus Mandal in Schweden, ift mit feinen Schilderungen des norwegifchen 
Volkslebens, mit tiefer Empfindung und inniger Befeelung des liebevoll erfafsten 
Stoffes in die neue, bedeutendere Wendung des ländlichen Genres eingegangen. 
Sein „Norwegifcher Brautzug durch den Wald“, der in der fkandinavifchen 
Abtheilung ausgeftellt war, gehört zu den feine Richtung bezeichnenden, wenn 
auch nicht vielleicht zu feinen hervorragendften Bildern. Dort im Norden ift die 
Literaturgattung der Dorfgefchichte dem Dorfgenre in der Malerei nachgefolgt; 
Björnfon fchildert uns, was Tidemand malt, mit verftärkter Tiefe und Nachhaltig- 
keit der Empfindung. In Deutfchland tritt erft jetzt fo recht die gemalte Dorf- 
gefchichte als eine dominirende Gattung auf. Dafs wir zunächt ein Literatur- 
volk find, zeigt fich auch darin, dafs fich die entfcheidenden geiftigen Richtungen 
im richtigen oder auch im verkehrten Sinne bei uns zuerft literarifch und dann erft 
künftlerifch ausfprechen. So folgten auf die Romantiker der Feder die des Pinfels, 
auf das Convertitenfieber in literarifchen Kreifen das Nazarenerthum der Malerei, 
auf den gelehrten Sammeleifer für das Märchen die Nachdichtung desfelben im 
Aquarell, zuletzt auf die Dorfnovelliften die Dorfmaler, obgleich nicht Alle unter 
denfelben — fo gewifs nicht der fchlichte Tiroler Bauernfohn Defregger — literarifch 
von der gedruckten Dorfgefchichte abhängig fein mögen. 
  
     
   
  
   
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
   
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
   
  
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