Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

      
   
        
    
  
    
     
    
   
    
   
     
       
      
   
    
   
  
  
  
    
    
     
    
   
   
  
  
   
   
    
   
  
    
   
  
   
   
    
    
      
   
    
      
   
   
   
  
   
    
    
   
  
  
  
    
   
   
    
   
    
    
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Die Malerei. 29 
Es thut der deutfchen Kunft gut, dafs fie ganz entfchloffen auf die Wurzeln 
unferer Volksexiftenz zurückgeht. Sie gewinnt dadurch an Kern, was ihr an 
idealer Hoheit, an grofsem Compolitionsfinn einmal fchon abgegange enift. Die 
deutfche Kun kann: nur da etwas leiften, wo fie gründlich vorgeh.: fei es nun 
in gründlicher realiftifcher Beobachtung oder in gründlicher Durchbildurg eines 
idealiftifchen Compofitionsgedankens. Auf dem letzteren We ege geht es nicht 
mehr; diefe Richtung hat mit Kaulbach’s Tode für | lange ausgeredet. Auch kön- 
nen nur die genislen, die grofsgefinnten Naturen Ei in diefem höheren Sinne 
künftlerifch äufsern,; die Beob achtung des Lebens, die malerifch und pfycho- 
logifch getreue Wicde rgabe deöber ift eine ins Breite gehende Arbeit, in 
welche fich die gröfsere S baas der Talente, die mehr Tüchtigkeit als Schwung 
kraft befitzen, mit Erfolg zu theilen vermag. Ludwig Knaus, der Di 
mit feinem geiftvoll ch a terifirenden Pinfel fein Be ftes auf dem Boden deı 
Volksmalerei leiftet, fowie der Waadtlände r Benjamin Vautier, der mit der 
Illuftration,zu Immermann’s Oberhof die literarifche Dorfgefchichte ziert mit der 
malerifchen vermittelte, find und bleiben noch immer die genialen Chorführer und 
Chormeifter diefer Gattung, auf der auch die mittleren Talente bei offenem Auge 
und redlichem Eifer mit- a nachgehen können. Die directe Schuleinwirkung 
diefer Meifter ift vielleicht nicht fo grofs; defto weiter reich 
mittelbarer, richtungbeftimmender Einflufs. 
Da die Bilder von Knaus und Vautier auf der Weltausftell lung zur gröfsten 
Popularität gelangten, fo braucht diefer Bericht, deffen Aufgabe eine Charak- 
teriftik derRichtungen, nicht blose Bilder! befchreibung ift, bei ihnen nicht weiter 
zu verweilen; auch was zur Vergleichung der beiden „Leichenbegängniffe im 
Dorfe* zu bemerken wäre, ift ein bereits erfchöpftes feuilletonififches Thema. 
Sonft theilen fich dieVolksmaler zunächitindieMün chenerund Düffeldorfer 
Gruppe. In der erfteren hatte D efre gger, der feiner Landsmannfchaft nach ent- 
fchieden in die öfterreichifche Ausftel] ung gehört hätte, eine weitaus überragende 
völlig felbftfländige Stellung. Seine wel t = die heieikete Alm und die Trosr 
Bauernftube; nur ausnahmsw eife begibt er fich mit feinem „Freispferd“ unter 
baierifche Bun Er ift ein Vokder in dem Sinne, in welchem man von 
Volksfängern in der beften Bedeutung des Wortes fpricht. Das Individualifiren 
feiner Gefal lten ift für ihn kaum eine überlegte künftlerifche Aufgabe, fondern 
eine ganz natürliche Aeufse erung deffen, was von den Eindrücken feiner Heimat 
in feinem Gemüth und feinem Auge lebt. Er gibt uns die Wahrheit aus erfter 
Hand; in jeder Bauernftube e fpricht er felbft vor, deren Bewohner er uns im Bilde 
zeigt; er beobachtet nicht blos diefe kleine, mit dem gefundeften Blick erfafste 
Volkswelt, er lebt in ihr und fie inihm. W She end feiner künftlerifchen Wander- 
jahre blieb fein Blick ftets nach der Heimat geheftet; fremder Stoff und fremde 
Manier verfing bei ihm nicht. In den Parifer Ateliers wie in der Schule Piloty’s 
eignete er fich eine fichere malerifche Ausdrucksweife für den Inhalt an, der ihu 
vonvornanerfüllte; er lernte da ficher und beftimmt malen, aber nicht else 
experimentiren, was ihm auch feine Bauern mal erifch verdorben, die reine über- 
zeugende Kraft feiner Schilderung und feines Vortrags im Kerne beeinträchtigt 
hätte. Defregger ift ein feltenes Beifpiel dafür, wie man fich die V Geile 
moderner Tehk aneignen und dabei doch innerlich fchlicht und naiv, im rein- 
ten un volksmäfsig bleiben kann. 
eben Defre -gger ift I Tiroler Landsmannfchaft in der Münchner Schule 
— wenn a vage Begriff weiter gelten darf — noch durch Mathias Schmidt 
und Alois Gabl vertreten. Sie haben manche verw andte Züge miteinander gemein, 
obgleich fie doch wieder durch gewiffe individuelle Eigenthümlichkeiten und Grund 
immunsenlich voneinander fondern. Schmidt gehört zu den fchneidigen Tirolern;; 
erhat es fcharfaufdie Pfaffen, diein denVerftand, den Gemüthsfrieden und wohl auch 
den Geldbeutel feiner bäuerlichen Landsleute fö manchen ftörenden Eingriff thun. 
Gegen ein folches polemifches Element im Bilde ift nichts einzuwenden, wenn 
end aber gewifs ihr 
  
  
  
  
 
	        
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