Full text: Bildende Kunst der Gegenwart (Heft 75)

    
  
   
  
  
  
    
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
   
  
   
  
   
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
   
   
  
   
   
  
  
   
   
  
   
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
    
  
   
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Die Malerei. 5l 
romantifehen Schule, die uns da entgegentreten. Ein folcher ift zunächft Augufte 
Glaize, ein Schüler des Romantikers Eugene Deveria, den es fchon von 
früher her gelüftete. feine peffimiftifche Gefchichtsanfchauung im Bilde fymbolifch 
vorzutragen. Man kennt fein älteres Bild, „Le Pilori‘‘, von der Weltausftellung 
1855, auf dem die Märtyrer der Humanität, des Fortfchrittes und des Wiffens 
in langer Reihe an Schandpfähle gekettet find. Wir finden da Sokrates, Chriftus, 
Columbus, dann auch Salomon de Caus mit Galilei, eine Auswahl von Duldern 
für eine grofse Idee, wie fie der Künftler nach feinem Gutdünken zufammenttellte. 
Am Fufse der Eftrade, von der fich die Pranger erheben, lagern fich die allegori- 
{chen Figuren des Elends und der Gewalt, der Dummheit und der Heuchelei. 
In dem ausgeftellten Bilde ‚Spectacle de la folie humaine‘‘ (Nr. 295) tritt uns nun 
eine Variante diefer Manier, das Zerrbild der Culturgefchichte zu fymbolifiren, 
abermals entgegen. Die Blutgräuel der Chriftenverfolgungen, der Inquifition, der 
Glaubenskriege etc., jene Momente der Gefchichte, wo derfanatifche, der beftialifche 
Zug in der Menfchheit durchbrach, find wie auf einer Freske oder einem Gobelin 
nach Abtheilungen zufammengeftellt und davor fteht der Maler felbft, mit bitter 
farkaftifcher Miene fich gegen das Publicum verbeugend, als ob er dasfelbe auffor- 
derte, fichan diefem bildlich zufammengefafsten Compendium der Weltgefchichte zu 
fpiegeln. Eigentlich foll der bildende Künftler nach dem guten alten Wort hinter 
fein Werk zurücktreten und es allein für fich fprechen laffen; hier tritt er aber 
buchftäblich vor fein Bild und verläugnet in feiner eigenen phyfiognomifchen 
Selbftcharakteriftik nicht einen Moment die verrannte Subjectivität, welche diefen 
culturhiftorifchen Fiebertraum hervorgerufen. Das Bild gehört in die Gattung 
der tollgewordenen Gedankenmalerei, und man kann diefs um fo mehr beklagen, 
da es fonft ganz entfchiedene malerifche Vorzüge, fowie eine merkwürdige Com- 
pofitionskraft in der Bewältigung des widerftrebendften Stoffes bekundet. — 
P. Glaize der Sohn, der Schüler feines Vaters und GEröme’s, fteht nach dem 
ausgeftellten Bilde „Das erfte Duell“ (Nr. 296) zu fchliefsen, zu derRichtung des 
Vaters in naher Beziehung. Was ftellt er da vor? Zwei nackte Athleten der 
Urzeit ringen in brünftiger Wuth an einem Abgrunde um den Befitz einer Dame, 
die noch vor der Epoche des Feigenblatts lebt; fie ift das Weib an fich, zugleich 
das Weib als Thier, das mit gefühllofer Neugierde zufieht, was für einen Ausgang 
wohl der Kampf um fie haben werde. Das wären in der That die richtigen prä- 
hiftorifchen Menfchen, wie fie zu dem Gefchichtsbilde des älteren Glaize paffen; 
der Sohn dichtet nur die peffimiftifche Genefis, die entfprechende Vorgefchichte 
hinzu. Die raffinirte Beftialität, von den erften Menfchheitstagen an im Zuge, kann 
fich dann weiterhin um fo gloriofer offenbaren. Xavier Alph.Monchablon 
hingegen führt uns fcheinbar wieder mit feinem Bilde „Les terreurs de Cain‘ 
(Nr. 500) auf den Boden der biblifchen Genefis zurück.. Aber in der That nur 
fcheinbar: diefer Kain fteht fo zwifchen Byron und Victor Hugo mitten inne, und 
hat von daher etwa feinen fcheuen, wilden Blick geborgt. Damit es auch an dem 
materiell wirkenden Schrecken nicht fehle, mufste Mazeppa auf dem Bilde von 
L. F. Guesnet (Nr. 308) wieder einmal noch auf das wilde Steppenpferd 
gebunden werden. Freilich fticht gegen den craffen Vorgang, wie Friedr. Pecht 
richtig bemerkt, die heitere glänzende Farbe auffallend ab, die dem Bilde in der 
coloriftifchen Wirkung faft ein fröhliches Ausfehen gibt. Um das Enfemble des 
Schreckhaften und Phantaftifchen zu vervollftfändigen, darf auch die Hexe nicht 
fehlen. Henri Axenfeld führt fie (Nr. 20) in einem düfteren Nachtftück inmitten 
des unheimlichften Treibens vor; fie beugt fich über ein ermordetes Kind, deffen 
blutige Glieder fie zu irgend einem unheimlichen Zauberwerk gebrauchen wird. 
Es ift nicht gut, bei folchen Darftellungen länger zu verweilen, nicht blos weil fie 
an fich gräfslich find, fondern weil das Gräfsliche in denfelben mühfam gefucht 
und zufammengeklügelt ift. 
Da die franzöfifche Malerei feit dem Beginne des zweiten Kaiferreiches fo 
ganz im Dienfte der Gefellfchaft fteht und ihren Stimmungen und Schaugelüften 
  
  
  
 
	        
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