82 Dr. Joief Bayer.
recht gefprochen werden; deutfche und franzöfifche Landfchaftsmaler fetzen noch
immer ihre Pilgerfchaft auf diefem, auch für die grofsen plaftifchen Naturformen
claffifehen Boden fort, während die einheimif:he Produdion der Landfchafts-
malerei hinter diefem fchwunghaft betriebenen Kunftexport fichtlich zurückbleibt.
Seitdem die Politik und das patriotifche Pathos den Italienern auch in der
Kunft foviel zu fchaffen gibt, ift die religiöfe Hiftorie fo ziemlich beifeite geftellt.
Die italienifchen Säle machten durch den faft gänzlichen Abgang religiöfer Bilder
einen ausgefprochenen weltlichen Eindruck und wir haben diefs in Anbetracht
der Kunftverhältniffe der Gegenwart nicht fonderlich zu beklagen.
Was fich aus den italienifchen Kunftzuftänden herausgähren wird, wie die
verfchiedenen, zum Theil einander widerftrebenden Elemente derfelben fich ins
Gleichgewicht fetzen werden, ift eine Frage an die Zukunft. Es regt fich gar
fehr in der italienifchen Malerei, freilich ohne innere Stetigkeit. Sie ift eben eine
fpät verjüngte Kunft mit etwas forcirtem juvenilen Charakter, die von den Eigen-
fchaften der Jugend das Wagnifs, dem fich zuweilen auch der Leichtfinn an die
Ferfe heftet, nicht aber fo ganz die Frifche und den normalen Entwicklungs-
drang befitzt. An Talent gebricht es nicht, wohl aber an Ernft und Vertiefung,
an der klaren Einficht in die leitenden Kunftaufgaben Derangeborneitalienifche
Formenfinn wirkt fort, doch ohne die Leuchte des Ideals, die früher die Wege
der italienifchen Kunft erhellt hat; der moderne Realismus hat fich, namentlich
von dem Norden Italiens, von Mailand und Turin aus Bahn gebrochen, doch ohne
fich zu einer charakteriftifchen Energie zu fteigern. die diefer Richtung das Ideal
zu erfetzen vermag. So ift es denn jener „elegante Naturalismus“, der zwifchen
dem Formal-Schönen und Realiftifch-Ausgeprägten auf gewundenen Pfaden
mitten hindurch geht, bald nach diefer, bald nach jener Seite fich neigt und für
keine fich endgiltig entfcheidet, welcher fich als das nächfte Kennzeichen deritalie-
nifchen Kunft auch bei ganz flüchtiger Ueberfchau aufdrängt. Damit kommt man
freilich nicht weit, fo rafch man auch das Publicum auf diefem Wege gewinnen
mag Die italienifche Kunftbedarf einer ernften Gewiffenserforfchung, wenn es mit
ihr trotz aller Beweglichkeit und eines vielfeitig rührigen Strebens wirklich auf-
wärts gehen foll Hat fich da einmal die Begabung, die reichlich vorhanden
ift, mit einer beflimmten, ausgefprochenen Kunftgefinnung ins Gleichgewicht
gefetzt, dann wird es auch an diefer Richtung nach aufwärts nicht weiter fehlen
VII. England.
Die englifche Expofition, an Oelgemälden und Aquarellen nicht mehr
als 121 Nummern umfaffend aber dabei qualitativ fehr gewählt, war für Jeden,
der auf moderne Kunftftudien in der Weltausftellung ausging, fehr lehrreich. Der
Gegenfatz zu Italien fällt zunächfi in die Augen. Dort, auf der apenninifchen
Halbinfel ein richtiges Kunftvolk, das aber leichtfertig und flüchtig geworden
und mit dem Talente mehr fpielt, als es austieft; hier auf dem britifchen Infel-
lande eine Nation voll grofsartig-praktifcher Thätigkeit, in deren Adern nur
wenig Tropfen echten Künftlerblutes rollen, die aber, wenn fie fich einmal mit
der Kunft befafst, diefelbe mit dem gleichen gemeffenen Ernft und eben der
Gewiffenhaftigkeit betreibt, wie ihre übrigen vielumfaffenden Angelegenheiten.
Der gründliche Fleifs, die Accurateffe und fichere Verftändigkeit des eng-
lifchen Induftrialgeiftes fcheint fich da auch auf die Kunft übertragen zu haben.
Anmutk, Feuer und Kraft findet fich da wenig, aber ein grundfolider Zug geht
entfchieden durch. Es ift eine Kunft, wie fie der Gefinnung der „höhft ehrenwer-
then“ Esquires und Ladies entfpricht, in deren Salons diefe Bilder zu hängen pfle-
gen, die erft mit dem Enfemble der comfortablen englifchen Hauseinrichtung den
richtigen zufammenftimmenden Eindruck machen.
Charakter liegt in diefer Malerei vor Allem, und diefs nicht blos im natio-
nalen, fondern auch im ethifchen Sinn. Freilich hat fie zum Theil etwas von der
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